Die beiden großen Kirchen plädieren dafür eine Möglichkeit zur Einbürgerung besonders gut integrierter Ausländer beizubehalten und so auch qualitative Integrationsleistungen zur würdigen.
I. Allgemeine Anmerkungen
Die beiden großen Kirchen danken dem Bundesministerium des Innern für die Gelegenheit, den Referentenentwurf eines sechsten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts zu kommentieren und nehmen diese gern wahr. Die kurze Frist zur Verbändebeteiligung erschwert eine umfassende Bewertung des Gesetzentwurfs, die Kirchen behalten sich deshalb vor, im parlamentarischen Verfahren weitere Punkte einzubringen.
Die Kirchen haben stets betont, dass die gleiche Würde eines Menschen eine realistische Option auf gleiche Partizipation umfassen muss.[1] Auch deshalb haben die Kirchen lange für eine Fristverkürzung der Voraufenthaltszeit vor der Einbürgerung geworben.[2] Vor diesem Hintergrund ist aus kirchlicher Perspektive zu kritisieren, dass mit dem vorliegenden Vorschlag eine Verkürzung des Einbürgerungswegs für besonders gut intergierte Ausländer wegfallen soll.
II. Im Einzelnen
Die Streichung von § 10 Abs. 3 StAG bedauern die Kirchen. Mit der Vorschrift kann die notwendige Voraufenthaltsdauer im Ermessensweg von regelmäßig fünf Jahren im Ausnahmefall auf drei Jahre verkürzt werden. Dies ist nur für sehr gut integrierte Personen möglich, denn die antragstellende Person muss besondere Integrationsleistungen nachgewiesen haben, den Lebensunterhalt für sich und die unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten zu können und die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe C1 des Gemeinsamen Referenzrahmens für Sprachen erfüllen.
Laut Begründung des Gesetzesentwurfes soll durch die Streichung eine hinreichend lange Voraufenthaltszeit als „zentrale Einbürgerungsvoraussetzung“ eine nachhaltige Integration in die Lebensverhältnisse sicherstellen.[3]
Es erscheint nachvollziehbar, dass allein die Voraufenthaltszeit von drei Jahren sehr kurz erscheint, um sich in hiesige Lebensverhältnisse zu integrieren.[4] In den Fällen des § 10 Abs. 3 StAG wird aber gerade durch die weiteren, hohen Anforderungen an die Integration die Regelvermutung widerlegt, dass in diesen Fällen erst nach fünf Jahren mit einer hinreichend sozialen und kulturellen Integration zu rechnen ist. In solchen – bisher nach unseren Erkenntnissen seltenen – Fällen ist eine nachhaltige Integration in die deutschen Lebensverhältnisse bereits auf anderem Wege erreicht und nachgewiesen worden als durch lange Voraufenthaltszeiten.
Die Kirchen halten es für ein falsches Signal dieser Gruppe von sehr gut Deutsch sprechenden, finanziell unabhängigen und besonders engagierten Ausländern eine schnelle Einbürgerung zu verweigern, die zudem unter einem Ermessensvorbehalt steht. Sofern man ein „Abstandsgebot zum Aufenthaltsrecht“ überhaupt anerkennt[5], muss es zurückstehen, wenn die tatsächliche Integration durch die anderen Voraussetzungen wie das hohe Sprachniveau, Lebensunterhaltssicherung und gute Bildung beziehungsweise ehrenamtliches Engagement zweifelsfrei nachgewiesen ist.
Wird an der vorgeschlagenen kompletten Streichung des § 10 Abs. 3 AufenthG festgehalten werden, sollte aus Sicht der beiden Kirchen sicherstellt werden, dass Antragstellende, die die Voraussetzungen von § 10 Abs. 3 StAG bereits erfüllen und einen Antrag gestellt haben, auch noch nach Inkrafttreten des geplanten Gesetzes nach einer Voraufenthaltszeit von drei Jahren eingebürgert werden können. So soll vermieden werden, dass die Möglichkeit der Einbürgerung für diesen Personenkreis allein aufgrund der langen Bearbeitungsdauer von Einbürgerungsanträgen scheitert.
Berlin, den 23.05.2025
[1] „Migration menschenwürdig gestalten“ Gemeinsames Wort der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, S. 190, (Vgl. https://www.dbk-shop.de/media/files_public/fb008766962fc69a8c0877da1d9ebe61/DBK_627_neu.pdf).
[2] Siehe gemeinsame Stellungnahmen zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (8. April 2014), abrufbar unter: https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/Stellungnahme.pdf, zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts (16. Juni 2023), abrufbar unter: https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/Gemeinsame_Stellungnahme_der_Kirchen_zum_StAG_2023-6-16.pdf und S. 191 „Migration menschenwürdig gestalten“.
[3] Sh. S. 1 des Referentenentwurfes.
[4] Sh. S. 4 der Begründung des Referentenentwurfes.
[5] Vgl. Tabbara, in ZRP 2023, 237.