I. Allgemeines
1. Eigenschaften gemeinnütziger und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlich tätiger kirchlicher Rechtsträger
Seit dem 19. Jahrhundert haben die Kirchen, ihre Wohlfahrtsverbände und andere freigemeinnützige Träger und Organisationen wesentliche Teile der Sozial- und Bildungsinfrastruktur in Deutschland mit aufgebaut und seitdem aufrechterhalten. Gerade die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände sind damals wie heute in der Fläche präsent und tragen wesentlich mit unterschiedlichsten sozialen und bildungsbezogenen [im Folgenden: gemeinwohlorientierten] Diensten zur Versorgung der Menschen in der Stadt und auf dem Land bei. Dabei ist die soziale und bildungsbezogene Infrastruktur Deutschlands subsidiär organisiert und wird kleinteilig, d.h. von vielen einzelnen, wirtschaftlich selbständigen Trägern gewährleistet. Kirchliche Rechtsträger in Deutschland sind dabei zumeist als öffentlich-rechtliche oder als gemeinnützige Körperschaften verfasst. Sie bieten den überwiegenden Teil ihrer Dienste nicht aus erwerbswirtschaftlichen Gründen, sondern dem Gebot der christlichen Nächstenliebe folgend und gemeinwohlorientiert an.
Gemeinnützige und nicht erwerbswirtschaftlich, sondern aus ihrer religiösen oder einer anderen ideellen Grundüberzeugung heraus tätige Akteure sind häufig im Sinne des Unionsrechts sowohl wirtschaftlich als auch nicht-wirtschaftlich tätig, wobei die nicht-wirtschaftlichen Tätigkeiten bei Körperschaften der verfassten Kirche deutlich überwiegen. In ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten werden diese Körperschaften darüber hinaus nur in einigen wenigen Bereichen – beispielhaft genannt seien hier die Klosterbrauereien – gewinnorientiert tätig. Vielmehr sind sie sonst auch in ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten regelmäßig nicht auf das Erzielen möglichst hoher Gewinne ausgerichtet, sondern vom Anspruch des Dienstes am Menschen und des Tätigwerdens für das Gemeinwohl geprägt.
Kirchliche Körperschaften, die gemeinwohlorientierte Zwecke im Sinne der deutschen Abgabenordnung selbstlos verfolgen, müssen etwaige Gewinne aus ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten zudem zeitnah wieder für diese Zwecke verwenden. Daher können sie nur in geringem Umfang Rücklagen bilden und besitzen dementsprechend nicht die Ressourcen, um größere Investitionen zu tätigen. Den Einkauf von u.a. rechtlicher Expertise für eine erfolgreiche, rechtssichere Beantragung von Fördermitteln und zur Navigation im Beihilferechtsdschungel können sie sich erst recht nicht leisten. Schließlich sind gemeinnützige und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlich tätige Rechtsträger mit Blick auf ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten häufig sehr „kleine“, nur wenige Arbeitnehmer beschäftigende Unternehmen. Insgesamt werden gerade die lokal verankerten kirchlichen Körperschaften wesentlich durch das Engagement ehrenamtlich tätiger Menschen geprägt und aufrechterhalten.
2. Herausforderungen
Die Kirche und ihre Träger stehen derzeit wie andere gesellschaftliche und wirtschaftlich tätige Akteure vor der Herausforderung, die von ihnen erbrachten Dienste an die Anforderungen des Klimaschutzes, die bereits eintretenden klima- und wetterbezogenen Veränderungen und an die Digitalisierung anzupassen und sie gleichzeitig zur Versorgung der Menschen in der Fläche aufrechtzuerhalten. Anders als die meisten dieser anderen Akteure erbringen die Kirche und ihre Träger aber ihre gemeinwohlorientierten Dienste aus ihrem besonderen Selbstverständnis heraus als Dienst am Menschen vor Gott, was sie sowohl zum Ausdruck des Wesens und der Existenz von Kirche als auch zur Manifestation ihrer religiösen Überzeugungen macht. Zu diesen Überzeugungen der Kirche und ihrer Träger gehört es auch, ihren Dienst am Menschen nicht auf Kosten zukünftiger Generationen, sondern klimaschutzgerecht zu leisten und hierbei auch als Multiplikatoren in die Gesellschaft hineinzuwirken. Die bereits jetzt stattfindenden Klimaveränderungen betreffen die Kirche und ihre Träger dabei schon jetzt mehr als andere bei der Erbringung ihrer Dienste. Denn kirchliche Träger kümmern sich innerhalb und außerhalb ihrer Einrichtungen im Schwerpunkt gerade um die besonders vulnerablen, die sehr jungen, alten, kranken oder armen Menschen. Diese leiden als erste und besonders unter den Folgen des Klimawandels wie der Hitze, hoher Luftfeuchtigkeit oder Extremwetter und können sich hiervor auch schlechter als andere oder gar nicht schützen. Dementsprechend sind die Kirche und ihre Träger zum Schutz der Menschen, zu deren Versorgung sie beitragen, besonders auf die Klimaangepasstheit ihrer Dienste und Einrichtungen angewiesen. Schließlich versuchen die Kirche und ihre Träger, ihre Hilfsangebote einfacher zugänglich und ressourceneffizienter zu gestalten und mit ihren gemeinwohlorientierten Diensten die Menschen in allen und insbesondere in vernachlässigten Regionen zu erreichen. Hierfür sind digitale Mittel unverzichtbar, auch wenn es aus kirchlicher Sicht dem Dienst am Menschen wesentlich ist und bleiben muss, dass er von Menschen für Menschen erbracht wird.
Um ihre gemeinwohlorientierten Dienste kompatibel mit den Herausforderungen von Klimaschutz, Klimaanpassung und Digitalisierung zu machen, sind die Kirche und ihre Träger auf staatliche und gesellschaftliche Unterstützung angewiesen. Denn gemeinnützige und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlich tätige kirchliche Rechtsträger können aufgrund ihrer Verfasstheit, die wie im Fall der Gemeinnützigkeit das Ansammeln hinreichend eigener Rücklagen unmöglich macht, die erforderlichen Finanzmittel schlicht nicht aufbringen. Allein für die Nichtwohngebäude im Bereich „Gesundheit und Pflege“, die vor 2009 errichtet wurden, besteht mit Blick auf energetische Sanierungen für die nächsten 20 Jahre ein geschätzter Investitionsbedarf in Höhe von bis zu 1,2 Mrd. Euro[1] jährlich, wobei gemeinnützige Träger in den einzelnen Sektoren dieser Bereiche unterschiedlich – bei Pflegeheimen bspw. mit 53 %[2] – präsent sind. Nicht einberechnet in diesem Investitionsbedarf sind die Nichtwohngebäude im Bereich „Schule, Kindertagesstätte und sonstige Betreuungsgebäude“, obwohl die Anzahl der dort genutzten Gebäude mehr als doppelt so hoch ist wie die im Bereich „Gesundheit und Pflege“[3]. Dass die aktuell noch in Teilen freiwilligen Vorgaben allein im Bereich von Energieeffizienz, erneuerbaren Energien und Klimaanpassung perspektivisch zwingende gesetzliche Vorgaben werden, ist absehbar. Wenn die gemeinnützigen und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlich tätigen Erbringer gemeinwohlorientierter Dienstleistungen diese bis dahin nicht den Anforderungen des Klimaschutzes, der Klimaanpassung und der Digitalisierung entsprechend umgestaltet haben, werden sie ihre Dienste einstellen müssen.
II. Im Einzelnen
1. De-minimis-Verordnungen und DAWI-Freistellungsbeschluss: Anwendungsfehler und fehlende Nutzbarkeit für gemeinnützige und nicht-erwerbswirtschaftlich tätige Erbringer gemeinwohlorientierter Dienste
Das europäische Beihilferecht verhindert derzeit in weiten Teilen die für den Klimaschutz, die Klimaanpassung und die Digitalisierung erforderliche Umgestaltung gemeinwohlorientierter Dienste, wenn diese von gemeinnützigen und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlich tätigen kirchlichen Rechtsträgern erbracht werden. Aber auch schon die Erbringung gemeinwohlorientierter Dienste selbst wird zunehmend durch europäisches Beihilferecht behindert, da staatliche Ausgleichs- und Förderleistungen für die Erbringung dieser Dienste durch diese Rechtsträger aufgrund von Rechtsunsicherheiten und Fehlentscheidungen verzögert und zunehmend sogar ganz unterlassen werden.
Die Gründe hierfür liegen einerseits in Unklarheiten und daraus resultierenden Rechtsunsicherheiten bzgl. des europäischen Beihilferechts, aber auch in Anwendungsfehlern und der Nicht-Anwendung der vier einschlägigen Beihilfekompatibilitätsinstrumente (DAWI-De-minimis-Verordnung[4], DAWI-Freistellungsbeschluss[5], allgemeine De-minimis-Verordnung[6], AGVO[7]) auf Sachverhalte, in denen gemeinnützige und nicht-erwerbswirtschaftlich tätige Rechtsträger gemeinwohlorientierte Dienste erbringen. Sie liegen andererseits auch darin, dass drei dieser vier Beihilfekompatibilitätsinstrumente (DAWI-Freistellungsbeschluss, allgemeine De-minimis-Verordnung, AGVO) und das europäische Beihilferecht insgesamt nahezu blind sind für die Eigenschaften und daraus resultierenden Handlungsspielräume gemeinnütziger und nicht-erwerbswirtschaftlich tätiger Rechtsträger. Diese sind nicht die eigentliche Zielgruppe des europäischen Beihilferegimes, unterfallen ihm aber nichtsdestoweniger, obwohl sie rechtlich und wirtschaftlich in einer Situation sind, die mit der Situation gewerblicher Erbringer gemeinwohlorientierter Dienstleistungen nicht vergleichbar ist, wie es der Europäische Gerichtshof schon für Genossenschaften entschieden hat[8]. Die o.g. Beihilfenkompatibilitätsinstrumente sind für gemeinnützige und nicht-erwerbswirtschaftlich tätige kirchliche Rechtsträger so ungünstig ausgestaltet, dass sie staatliche Förderungen für die Erbringung oder Ausgestaltung der von ihnen erbrachten gemeinwohlorientierten Dienste nur schwer, dem Umfang nach unzureichend und mit beihilferechtlichen Unsicherheiten behaftet erhalten können.
- Bereits anlässlich der Überarbeitung der beiden De-minimis-Verordnungen im Jahr 2023 haben wir in einer Stellungnahme[9] auf verschiedene rechtliche Unklarheiten und Inkonsistenzen in diesen Rechtsinstrumenten hingewiesen, welche ihre Anwendbarkeit auf die Förderung wirtschaftlicher Tätigkeiten kirchlicher Rechtsträger erschweren. Begrüßt haben wir dementsprechend, dass mit der Aufnahme des Konzepts der „Einrichtung ohne Erwerbszweck“ in die DAWI-De-minimis-Verordnung endlich klargestellt wurde, dass diese Einrichtungen nicht Verbindungsglied eines Verbundunternehmens sein können, vgl. Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2, Artikel 2 Absatz 1 lit. h DAWI-De-minimis-Verordnung. Auch haben wir begrüßt, dass die Höchstschwelle der DAWI-De-minimis-Verordnung in Artikel 3 Absatz 2 DAWI-De-minimis-Verordnung auf 750.000€ in drei Jahren angehoben wurde. Bedauerlicherweise wird die DAWI-De-minimis-Verordnung jedoch in der Praxis in Deutschland unter Verweis auf die Komplexität ihrer Voraussetzungen und den Aufwand bei ihrer Handhabung kaum auf staatliche Zuwendungen für die Erbringung gemeinwohlorientierter Dienste angewendet. Die Herstellung der Beihilferechtskompatibilität der Förderung einer klimaschutzkompatiblen oder klimaangepassten Ausgestaltung gemeinwohlorientierter Dienste über die DAWI-Instrumente wird sogar prinzipiell abgelehnt. Dabei wird argumentiert, dass Klimaschutz- oder Klimaanpassungsmaßnahmen selbst keine DAWI seien, obwohl es sich bei der Förderung einer bestimmten Ausgestaltung einer DAWI nach Sinn und Zweck um eine Förderung der DAWI selbst handelt. Selbst dort, wo die DAWI-De-minimis-Verordnung als mögliches Beihilfekompatibilitätsinstrument in einer Förderrichtlinie ausgewiesen ist, geben Förderagenturen an, die Anwendung der DAWI-De-minimis-Verordnung sei nur „im Einzelfall möglich“ und bisher ohnehin noch nicht vorgekommen.
- Der noch größere Aufwand, den der Erlass einer Entscheidung nach dem DAWI-Freistellungsbeschluss bedeutet, führt ebenfalls dazu, dass dieses Beihilfekompatibilitätsinstrument praktisch kaum von staatlicher Seite bzw. von den Förderagenturen auf Förderungen für die Erbringung gemeinwohlorientierter Dienste angewendet wird. Offenbar wird der mit der Anwendung des DAWI-Freistellungsbeschlusses verbundene Aufwand als besonders unverhältnismäßig zu den in der Regel eher geringeren Fördersummen für die Erbringung gemeinwohlorientierter Dienste angesehen. Angesichts der Tatsache, dass es – wie oben beschrieben – gerade kleine Rechtsträger sind, die in der Versorgung der Bevölkerung mit gemeinwohlorientierten Diensten eine große Rolle spielen, macht dies den DAWI-Freistellungsbeschluss für diese Fallgruppe besonders schlecht konstruiert. Dementsprechend haben wir in unserer Stellungnahme zur Überarbeitung der Vorschriften über staatliche Beihilfen für DAWI[10] vom 31. Juli 2025 eine Reihe von Änderungen zum DAWI-Freistellungsbeschluss vorgeschlagen, die die Erreichung der Beihilferechtskonformität staatlicher Unterstützung für die Erbringung und klimaschutz-, klimaanpassungs- und digitalisierungsgerechte Ausgestaltung gemeinwohlorientierter Dienstleistungen durch gemeinnützige und nicht-erwerbswirtschaftlich tätige Rechtsträger erleichtern würden. Hierzu gehört die Herstellung einer konzeptionellen Kongruenz sowohl mit den Regeln zu „Einrichtungen ohne Erwerbszweck“ aus der DAWI-De-minimis-Verordnung als auch mit einem Verständnis von Infrastruktur, welches auch deren Klimaschutz-, Klimaanpassungs- und Digitalitätsaspekte umfasst.
- Für die Herstellung der Beihilferechtskompatibilität staatlicher Zuwendungen zur Erbringung gemeinwohlorientierter Dienste wird in Deutschland häufig die allgemeine De-minimis-Verordnung angewendet. Auch dieses Beihilfekompatibilitätsinstrument ist aber für gemeinnützige und nicht-erwerbswirtschaftlich tätige Erbringer gemeinwohlorientierter Dienste nur sehr eingeschränkt hilfreich: Denn zum einen fehlen in diesem die Klarstellungen zu „Einrichtungen ohne Erwerbszweck“ der DAWI-De-minimis-Verordnung, wohl in der Annahme, dass letztere ohnehin als speziellere Regelung angewendet würde, was aber, wie beschrieben, nicht der Fall ist. Zum anderen ist aber auch in überproportional vielen Förderrichtlinien im Bereich des Sozialen die Anwendung der allgemeinen De-minimis-Verordnung für die Erreichung der Beihilferechtskompatibilität vorgesehen, weswegen dieser Schwellenwert bei Inanspruchnahme von Fördermitteln in unterschiedlichen Bereichen sehr schnell ausgeschöpft ist. Auf den Zeitraum von drei Jahren gerechnet bleibt so nur sehr wenig oder kein Spielraum für Klimaschutz- oder Klimaanpassungsmaßnahmen. Die Rechtsträger werden so in die Position gebracht, entweder direkt zwischen der Beantragung unterschiedlicher Fördermittel und damit u.U. zwischen sozialen Projekten und Klimaschutz- oder Klimaanpassungsvorhaben entscheiden zu müssen. Oder sie können bestimmte Fördermittel schlicht deswegen nicht mehr beantragen, weil diese später aufgelegt wurden und die De-minimis-Fördermittelschwelle für die nächsten drei Jahre bereits erreicht ist. Für den oben dargestellten, jährlichen Investitionsbedarf bzgl. der energetischen Sanierung von Nichtwohngebäuden in den von gemeinnützigen und nicht-erwerbswirtschaftlichen Trägern geprägten Sektoren der Bereiche „Gesundheit und Pflege“ und „Schule, Kindertagesstätte und sonstige Betreuungsgebäude“ ist die Herstellung der Beihilferechtskonformität über die allgemeine De-minimis-Verordnung ohnehin keine Option.
2. Die AGVO
Auch die AGVO ist für gemeinnützige und nicht-erwerbswirtschaftlich tätige Erbringer gemeinwohlorientierter Dienste nur wenig hilfreich. Denn auch sie ist so konstruiert, dass sie kaum für die Herstellung der Beihilferechtskompatibilität staatlicher Zuwendungen an diese Rechtsträgergruppe für die Erbringung gemeinwohlorientierter Dienste oder deren klimaschutz-, klimaanpassungs- oder digitalisierungsgerechte Ausgestaltung zur Anwendung kommen kann.
In den Kategorien der Konsultation der Europäischen Kommission zur „allgemeinen Überarbeitung der AGVO 2025“ gesprochen, hat die AGVO insoweit für die gemeinnützigen und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlichen kirchlichen Rechtsträger, die gemeinwohlorientierte Dienstleistungen erbringen, keines der Modernisierungsziele (Frage 15) und kaum eines der politischen Ziele, auf die die AGVO ausgerichtet war (Frage 16), vollumfänglich erreicht. Weder trägt die AGVO zur Förderung des digitalen Wandels gemeinnütziger und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlich tätiger Rechtsträger bei, noch unterstützt sie sie in ihrem Beitrag zu einem gerechten Übergang oder für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. In den wenigen Fällen, in denen sie zur Anwendung kommt, führt sie auch nicht zur Rechtssicherheit oder unterstützt Sozialschutzmaßnahmen. Vor allem hat sie nicht zu einem „Big on big, small on small“, sondern zu einem „Big on small“ für gemeinnützige und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlich tätige Rechtsträger geführt. Diese stellt die AGVO nämlich vor kaum oder gar nicht zu überwindende tatbestandliche Anwendungshürden, die sie aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften und den darauf resultierenden Handlungsspielräumen nur selten und dann auch nur in einem begrenzten Umfang überwinden können.
3. Im Einzelnen
a. Unzureichende Beihilfeintensitäten
Wie bereits beschrieben besteht ein enormer Investitionsbedarf bei der Herstellung der Klimaschutzkompatibilität, der Klimaanpassung und der Digitalisierung sozialer und anderer gemeinwohlorientierter Dienstleistungen. Gemeinnützige und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlich tätige Erbringer dieser Dienste können diese Investitionen aber aufgrund ihrer zu geringen Rücklagen, die – wie oben unter I.1. beschrieben – Folge ihrer spezifischen Verfasstheit und Ausrichtung sind, nicht aufbringen. Tatsächlich besitzen sie ganz überwiegend auch nicht die Mittel, um eine über Kapitel III Abschnitt 7, insbesondere über die Artikel 36, 36a, 36b, 38, 38a, 39 und 45 bis 49 AGVO freigestellte Förderung in Anspruch nehmen zu können. Denn die dort vorgesehenen Beihilfeintensitäten sind für gemeinnützige und nicht-erwerbswirtschaftlich tätige Erbringer gemeinwohlorientierter Dienste zu gering, als dass sie die zusätzlich erforderliche Eigenbeteiligung aus ihren eigenen Mitteln aufbringen könnten. Damit wird ihnen insgesamt die Inanspruchnahme einer über die AGVO beihilfenrechtskonform gestellten staatlichen Förderung der klima- und umweltschutzgerechten Umgestaltung ihrer gemeinwohlorientierten Dienstleistungen fast unmöglich gemacht. Und dies gerade, weil sie aufgrund ihrer spezifischen, auf den Dienst am Menschen ausgerichteten Verfasstheit keine hinreichenden Gewinne zur Bildung von Investitionskapital erwirtschaften oder erwirtschaften können.
Auch die Freistellung der Gruppe der Beihilfen für benachteiligte Arbeitnehmer und Arbeitnehmer mit Behinderungen nach Kapitel III Abschnitt 6 und zuweilen auch die Gruppenfreistellung der Beihilfen für Kultur und die Erhaltung des kulturellen Erbes nach Kapitel III Abschnitt 11 erweisen sich aufgrund der zu gering angesetzten Beihilfeintensitäten als häufig nicht nutzbar für gemeinnützige und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlich tätige Rechtsträger.
Wir schlagen daher vor, die im Kapitel III AGVO bei den Umweltbeihilfen, den Beihilfen für benachteiligte Arbeitnehmer und solche mit Behinderungen sowie bei den Kulturbeihilfen vorgesehenen Beihilfeintensitäten für gemeinnützige und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftliche Rechtsträger, also für Einrichtungen ohne Erwerbszweck, deutlich und auf mindestens 90% zu erhöhen.
Hierfür ist es erforderlich, zunächst das Konzept der „Einrichtung ohne Erwerbszweck“ in die AGVO zu übernehmen. Definiert wird diese Unternehmenskategorie in Artikel 2 Absatz 1 lit. h) DAWI-De-minimis-Verordnung, wonach sich eine
„Einrichtung ohne Erwerbszweck“ dadurch auszeichnet, dass sie „in erster Linie der Erfüllung sozialer Aufgaben dient, etwaige Gewinne reinvestiert und überwiegend nichtgewerbliche Tätigkeiten ausübt; wenn eine solche Einrichtung auch gewerbliche Tätigkeiten ausübt, muss sie über die Finanzierung, Kosten und Erlöse der gewerblichen und nichtgewerblichen Tätigkeiten getrennt Buch führen.“
Wir schlagen vor, diese Definition ist in die Begriffsbestimmungen des Artikel 2 AGVO aufzunehmen. Sodann ist in den Artikeln 32, 33, 35, 36, 36a, 36b, 38, 38a, 39, 45 bis 49 und 53 AGVO jeweils ein Absatz einzufügen, wonach die
Beihilfeintensität für Beihilfen an Einrichtungen ohne Erwerbszweck 90 % nicht überschreiten darf.
Alternativ möglich wäre auch, in den betreffenden Artikeln für Einrichtungen ohne Erwerbszweck Zuschläge bei der Beihilfeintensität vorzusehen, die sich dann auf insgesamt 90 % summieren.
b. Übernahme der Klarstellung aus Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 DAWI-De-minimis-Verordnung
Dabei sollte die Überarbeitung der AGVO auch genutzt werden, um – gegebenenfalls gemeinsam mit der Generaldirektion GROW – die in ihrem Annex I enthaltene KMU-Definition an andere Beihilfekompatibilitätsinstrumente anzupassen und dabei insbesondere die in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 Satz 2 DAWI-De-minimis-Verordnung vorgenommene Klarstellung zu übernehmen, dass öffentliche Einrichtungen und solche ohne Erwerbszweck nicht Verbindungsglied eines Verbundunternehmens sein können.
Aktuell unterscheidet sich der diesbezügliche Wortlaut der Verbundunternehmensdefinition in der DAWI-De-minimis-Verordnung, der Allgemeinen De-minimis-Verordnung und dem Annex I der AGVO. Dies führt in Verfahren zur Beantragung staatlicher Ausgleichs- oder Förderleistungen zu großen Unsicherheiten und mittlerweile auch Fehleinschätzungen, in denen die häufig traditionellen Mehrebenenstrukturen vieler gemeinnütziger und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlich tätiger Träger auch aus dem kirchlichen Raum als Verbundunternehmensstrukturen fehlinterpretiert werden. Die aufgrund der historisch gewachsenen Unterschiedlichkeit dieser Strukturen jeweils im Einzelfall erforderlichen, langwierigen Recherchen und komplexen Bewertungen führen darüber hinaus, selbst wenn sie zum richtigen Ergebnis kommen, zu in manchen Fällen jahrelangen Verzögerungen bei der Antragsbescheidung, die sich gemeinnützige und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlich tätige Erbringer gemeinwohlorientierter Dienste schlicht nicht leisten können, wenn sie die Versorgung der Menschen in der Fläche mit sozialen, bildungsbezogenen und kulturellen Diensten aufrechterhalten sollen. Ohnehin ist es weder dem Fördergeber noch dem Förderungsempfänger zu vermitteln, dass dasselbe Unternehmen nach dem einen Beihilfekompatibilitätsinstrument als Verbundunternehmen und nach dem anderen als nicht verbunden und ggf. sogar als KMU anzusehen sein kann.
Wir schlagen daher vor, die in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 Satz 2 der DAWI-De-minimis-Verordnung enthaltene Klarstellung in einen weiteren Unterabsatz des Artikel 3 Absatz 3 der KMU-Definition zu übernehmen. In Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 Satz 2 der DAWI-De-minimis-Verordnung heißt es
dass Unternehmen, „deren einzige Beziehung untereinander darin besteht, dass jedes von ihnen eine direkte Verbindung zu derselben bzw. denselben öffentlichen oder ohne Erwerbszweck betriebenen Einrichtungen aufweist, nicht als Verbundunternehmen zu qualifizieren“ sind
Für die Übernahme dieser Klarstellung in die KMU-Definition haben wir uns im Übrigen bereits in einer Stellungnahme[11] zur Überarbeitung der Empfehlung 2003/361/EG der Europäischen Kommission betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen ausgesprochen. Begründet haben wir die Notwendigkeit dieser Übernahme mit dem primärrechtlichen Ursprung dieser Klarstellung, der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dem Sinn und Zweck des Verbundunternehmenskonzepts sowie der Notwendigkeit der Einheitlichkeit seiner Auslegung und Anwendung.
c. Eigenbeteiligung von Einrichtungen ohne Erwerbszweck auch mit Drittmitteln
In manchen Förderprogrammen in Deutschland, die über die AGVO beihilfekonform gestellt werden, wird aktuell vorgesehen, dass die Eigenbeteiligung der Fördermittelempfänger allein durch Eigenmittel und nicht durch eingeworbene Drittmittel eingebracht werden muss. Angesichts der durch ihre Verfasstheit bedingten eingeschränkten finanziellen Mittel, wird es gemeinnützigen und nicht-erwerbswirtschaftlich tätigen Erbringern gemeinwohlorientierter Dienste so zusätzlich erschwert, die Möglichkeiten einer beihilfekonformen Förderung der in der AGVO aufgeführten Beihilfegruppen für sich zu erschließen. Auch ist es nicht nachvollziehbar, warum lediglich die Einbringung von Eigenmitteln darstellen oder dazu führen soll, dass der Fördermittelempfänger in das geförderte Projekt hinreichend investiert ist. Denn gerade das Organisieren weiterer privater Drittmittel, insbesondere auch durch Spenden und Schenkungen, zeigt doch das Engagement und die Entschlossenheit, mit denen ein Träger das fördermittelfähige Projekt angeht.
Wir schlagen daher vor, eine Formulierung in die AGVO aufzunehmen oder anderweitig klarzustellen, nach der es jedenfalls Einrichtungen ohne Erwerbszweck immer möglich sein muss, ihre Eigenbeteiligung auch durch das Einwerben privater Drittmittel zu finanzieren.
d. „Investitionsbeihilfen“ im Umweltschutz bei gemeinnützigen und nicht-erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten
Des Weiteren hat sich in der Praxis der Anwendung des Kapitels III Abschnitt 7 AGVO herausgestellt, dass es nicht nur die zu gering angesetzte Beihilfeintensität ist, die die Inanspruchnahme von AGVO-konformen Umweltbeihilfen für gemeinnützige und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlich tätige Erbringer gemeinwohlorientierter Dienste regelmäßig ausschließt. Die Gruppenfreistellungen für Umweltbeihilfen sind zudem ersichtlich auf die Bedürfnisse des produzierenden Gewerbes und der Industrie, nicht aber auf die von Dienstleistungserbringern und erst recht nicht auf die von gemeinnützigen und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlich tätigen Erbringern gemeinwohlorientierter Dienste zugeschnitten. Zwar arbeiten diese auch in und von Gebäuden aus und teilweise auch mit technischer Ausrüstung oder Unterstützung, weswegen sie, wie oben beschrieben, eine Erhöhung der Beihilfeintensitäten in den o.g. Freistellungstatbeständen brauchen, um entsprechende Förderungen in Anspruch zu nehmen. Gleichwohl erbringen kirchliche Rechtsträger ihre gemeinwohlorientierten Dienste von Mensch zu Mensch. Aus diesem Grund und auch wegen ihrer sehr begrenzten finanziellen Ressourcen setzen sie in ihrer Arbeit stark auf die Entwicklung von menschen- und nicht technologiezentrierten Lösungsansätzen, insbesondere auf die Vernetzung von Menschen und die zwischen Menschen stattfindende Vermittlung von Wissen, Erfahrungen und Verbundenheit. Ihre Stärke und ihr Potenzial liegen in der Arbeit von und mit Menschen, nicht in technische Betriebsmitteln. In Kapitel III Abschnitt 7 AGVO sind aber nur wenige umweltschutzbezogene Betriebsbeihilfen zu finden. Somit geht dieser Abschnitt 7 nicht nur an der Arbeitsweise gemeinnütziger und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlich tätiger Erbringer gemeinwohlorientierter Dienste vorbei. Tatsächlich verhindert sein Fokus auf Investitionsbeihilfen, das besondere Potenzial dieser Rechtsträger für Umwelt- und insbesondere Klimaschutz und Klimaanpassung zu aktivieren. Besonders hervor sticht diese Fehlkonstruktion in Artikel 49 AGVO, nach dessen Absatz 2 Beratungsleistungen nur dann beihilfefähig sind, wenn sie Investitionen betreffen, die ebenfalls nach Abschnitt 7 beihilfefähig sind. Die Entwicklung nicht-technologischer, nicht ausrüstungsbezogener low-tech Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen und deren Verbreitung über Netzwerke durch die Beratung von Mensch zu Mensch fällt so durch das Raster der AGVO und kann angesichts des Versagens der übrigen Beihilfekompatibilitätsinstrumente nicht beihilfekonform gefördert werden. Dies erscheint nicht nur widersinnig, weil diese low-tech Ansätze für Klimaschutz und Klimaanpassung in der Regel finanziell deutlich günstiger als high-tech Lösungen sind und somit kaum wettbewerbsverzerrende Wirkung haben. Vor allem ist Umwelt- und insbesondere Klimaschutz ein Ziel, dessen Verwirklichung nicht mit dem Austausch von Technologie oder Ausrüstungen, sondern in den Köpfen der Menschen beginnt und dort auch fortgeführt wird, und Menschen sind am besten durch andere Menschen zu erreichen.
Wir schlagen daher vor, Artikel 49 Absatz 1 AGVO bspw. wie folgt zu ändern:
„1. Beihilfen für Studien oder Beratungsleistungen, einschließlich Energieaudits, die sich unmittelbar zumindest auch auf nach diesem Abschnitt beihilfefähige Investitionen beziehen, sind im Sinne des Artikels 107 Absatz 3 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar …“
Artikel 49 Absatz 2 AGVO ist zu streichen.
Auch generell sollte darüber nachgedacht werden, ob nicht auch Beihilfen für solche Maßnahmen in die Gruppe der Umweltbeihilfen in Abschnitt 7 AGVO aufgenommen werden sollten, die auf die Verankerung von Klimaschutz und Klimaanpassung in den Arbeitsprozessen, den betrieblichen Abläufen und letztlich der Unternehmenskultur abzielen. Freistellungstatbestände wie die der Artikel 38, 45 und 47 AGVO sollten daher um Betriebsbeihilfen beispielsweise im Kontext von Klimaanpassung, Ressourceneffizienz oder des Ressourcenkreislaufs erweitert werden.
e. Ausnahme vom Freistellungsverbot bei schon in Kraft getretenen unionsrechtlichen Vorgaben
Mit der Neufassung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden[12] 2024 kommen auf gemeinnützige und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlich tätige Rechtsträger in wenigen Jahren große Herausforderungen mit Blick auf ihre, für die Erbringung gemeinwohlorientierter Dienste genutzten Nichtwohngebäude zu. Diese konnten viele dieser Rechtsträger bisher aufgrund ihrer begrenzten eigenen Finanzmittel und mangels hinreichender staatlicher Unterstützung, die auch durch die bereits beschriebenen Fehlanwendungen und -konstruktionen der Beihilfekompatibilitätsinstrumente verhindert wurde, nicht oder nur in einem geringen Maße angehen. Da somit Unionsrecht und seine Anwendung durch die öffentliche Hand in Deutschland dazu beigetragen haben, dass gemeinnützige und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftliche Rechtsträger bisher nur wenig tun konnten, um die Einhaltung der auf der genannten Richtlinie basierenden Energieeffizienzvorgaben auf den Weg zu bringen, sollten sie auch nach deren Umsetzung ins deutsche Recht für Investitionen in den Gebäude-, insbesondere den Nichtwohngebäudebestand beihilfekonform gefördert werden können.
Wir schlagen daher vor, im Bereich der Energieeffizienzbeihilfen für „Einrichtungen ohne Erwerbszweck“ eine Ausnahme vom Grundsatz zu schaffen, dass für Investitionen, die die Einhaltung angenommener und in Kraft getretener Unionsnormen sicherstellen sollen, keine Beihilfen nach der AGVO gewährt werden sollen. Dies kann bspw. dadurch geschehen, dass in den Artikeln 38 Absatz 2, 38 lit. a) Absatz 2 und 39 Absatz 10 AGVO folgender Satz eingefügt wird:
„Dies gilt nicht für die Gewährung von Beihilfen an Einrichtungen ohne Erwerbszweck.“
f. Neue Gruppenfreistellung für Beihilfen für die Erbringung und Ausgestaltung gemeinwohlorientierter Dienste durch Einrichtungen ohne Erwerbszweck
aa. Wie oben unter II. 1. beschrieben, werden die DAWI-De-minimis-Verordnung und der DAWI-Freistellungsbeschluss in der Praxis kaum für die Herstellung der Beihilfekonformität von Förderungen im Kontext der Erbringung gemeinwohlorientierter Dienste zur Anwendung gebracht. Die allgemeine De-minimis-Verordnung wiederum ermöglicht aufgrund ihrer überproportional häufigen Anwendung zu wenig finanziellen Spielraum, um sowohl die Erbringung gemeinwohlorientierter Dienste als auch deren klimaschutz-, klimaanpassungs- und digitalisierungsgerechte Ausgestaltung beihilferechtskompatibel zu ermöglichen. Die AGVO kann, wenn sie wie oben vorgeschlagen verändert würde, einen wichtigen Beitrag dazu leisten, zumindest die klimaschutz-, klimaanpassungs- und digitalisierungsgerechte Ausgestaltung gemeinwohlorientierter Dienste mit beihilferechtskompatibler staatlicher Unterstützung voranzubringen und so zukunftsfähig zu machen.
Für die Erbringung gemeinwohlorientierter Dienste selbst ist damit aber noch nicht viel gewonnen, da staatliche Ausgleichs- und Förderleistungen für diese Dienste weiterhin durch Rechts- und Auslegungsunsicherheiten, Fehl- und Nichtanwendungen der anderen Beihilfekompatibilitätsinstrumente verzögert oder sogar verhindert werden und die Existenz von gemeinnützigen und nicht-erwerbswirtschaftlichen Trägern so in Gefahr gerät. Die Einfügung einer eigenen Gruppenfreistellung für soziale und bildungsbezogene Dienste könnte dies ändern. Gerechtfertigt ist eine solche eigene Gruppenfreistellung in der AGVO schon deswegen, weil Beihilfen für die Erbringung gemeinwohlorientierter Dienste durch gemeinnützige und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlich tätige Rechtsträger den Wettbewerb nur wenig beeinträchtigt, da diese nur in einem vergleichsweise geringen Umfang überhaupt am Wettbewerb teilnehmen bzw. aufgrund gesetzlicher Beschränkungen durch ihre rechtliche Verfasstheit teilnehmen können[13]. Dass die mit der staatlichen Förderung von sozialen und bildungsbezogenen Diensten einhergehende Wettbewerbsverzerrung im Verhältnis zu ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Relevanz als gering zu gewichten ist, zeigt sich im Übrigen schon an der Gruppenfreistellung des Artikel 56a Absatz 5 AGVO. Es wäre nicht nachvollziehbar, millionenschwere Beihilfen für diese Dienste im Rahmen von aus dem Fonds InvestEU unterstützten Finanzprodukten über die AGVO freizustellen, andere staatliche Beihilfen aber nicht. Mit der Überarbeitung der AGVO besteht daher eine wichtige Gelegenheit, die staatliche Unterstützung der Erbringung gemeinwohlorientierter Dienste durch gemeinnützige und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlich tätige Rechtsträger einfach und rechtssicher beihilferechtskompatibel zu machen.
Wir schlagen daher vor, die staatliche Förderung der Erbringung sozialer und bildungsbezogener Dienste insbesondere durch gemeinnützige und nicht-erwerbswirtschaftlich tätige Rechtsträger als eigene Gruppe von Beihilfen durch die AGVO freizustellen.
bb. Als Ermächtigungsgrundlage für diese neue Gruppenfreistellung bietet sich Artikel 1 Absatz 1 Nr. xiv) Verordnung (EU) 2015/1588 des Rates vom 13. Juli 2015 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 AEUV auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen an. Diese Norm ermöglicht es der Europäischen Kommission, eine Gruppenfreistellung für Maßnahmen zum Aufbau oder zur Modernisierung lokaler Infrastrukturen vorzunehmen. Von dieser Ermächtigung hat sie auch bereits in Artikel 56 AGVO Gebrauch gemacht und eine Gruppenfreistellung „für den Bau oder die Modernisierung lokaler Infrastrukturen bestimmte Finanzierungen für Infrastrukturen, die auf lokaler Ebene einen Beitrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen und Verbraucher und zur Modernisierung und Weiterentwicklung der industriellen Basis leisten“ geschaffen.
Die Erbringung sozialer und bildungsbezogener Dienste gehört zu diesen Infrastrukturen, nämlich zur lokalen Sozial- und Bildungsinfrastruktur. Diese Dienste leisten einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen und Verbraucher, denn sie sind für die Lebensqualität und die Entwicklungsperspektiven der Menschen an ihrem Arbeits- und Wohnort essenziell und tragen entscheidend zur Attraktivität eines Wirtschaftsstandortes und somit auch zur Weiterentwicklung der industriellen Basis bei.
Wir schlagen daher vor, im Abschnitt 13 einen Artikel 56a (neu) einzufügen, dessen Absatz 1 wie folgt aussehen könnte:
„Für die Erbringung von sozialen und bildungsbezogenen Diensten und die hierfür erforderliche Infrastruktur bestimmte Finanzierungen, die auf lokaler Ebene einen Beitrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen und Verbraucher leisten, sind im Sinne des Artikels 107 Absatz 3 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar und von der Anmeldepflicht nach Artikel 108 Absatz 3 AEUV freigestellt, sofern sie die in diesem Artikel und in Kapitel 1 AGVO festgelegten Voraussetzungen erfüllen.“
cc. Diese neue Gruppenfreistellung muss natürlich weitere Regelungselemente enthalten, die hier aber nicht abschließend dargestellt werden sollen. Wir regen aber an, in der vorgeschlagenen neuen Gruppenfreistellung zumindest folgende Aspekte zu berücksichtigen:
Die Gruppenfreistellung muss sowohl Investitions- wie auch Betriebsbeihilfen erfassen und Beihilfen pro Vorhaben freistellen. Dies ist aufgrund der unter II. 3. c. beschriebenen besonderen Merkmale gemeinnütziger und überwiegend nicht-erwerbswirtschaftlicher Erbringer gemeinwohlorientierter Dienste und ihrer auf die Vermittlung von Mensch zu Mensch setzenden Arbeitsweise erforderlich. Darüber hinaus erspart es eine Reihe langwieriger, zeitraubender Recherchen und Verzögerungen für den Fördergeber.
Des Weiteren sollten diejenigen Kosten als beihilfefähige Kosten zählen, die für die Erbringung der sozialen oder bildungsbezogenen Dienste tatsächlich angefallen und von denen die Einnahmen aus der Erbringung dieser Dienste abzuziehen sind. Übt das Unternehmen auch andere Tätigkeiten aus, dürfen nur die mit der Erbringung der sozialen oder bildungsbezogenen Dienste direkt verbundenen Kosten sowie ein angemessener Teil der Fixkosten als beihilfefähige Kosten berücksichtigt werden.
Die Beihilfeintensität für die Förderung der Erbringung sozialer oder bildungsbezogener Dienste muss dann, wenn sie durch Einrichtungen ohne Erwerbszweck geschieht, 90% der beihilfefähigen Kosten betragen.
Da, wie oben bereits erwähnt, die Tätigkeiten gemeinnütziger und nicht-erwerbswirtschaftlich tätiger Erbringer sozialer und bildungsbezogener Dienste auf den Märkten in der Regel nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen[14], erscheint es darüber hinaus sinnvoll, die Anmeldeschwelle für eine Förderung der Erbringung sozialer oder bildungsbezogener Dienste in Artikel 4 AGVO auf 5 Millionen Euro pro Vorhaben festzusetzen.
Schließlich muss die neue Gruppenfreistellung zu denjenigen Beihilfegruppen in der AGVO zählen, bei denen ein Anreizeffekt angenommen wird. Insofern sollte ein lit. r) in Artikel 6 Absatz 5 AGVO eingefügt werden, nach dem bei „Beihilfen zur Finanzierung der Erbringung von sozialen oder bildungsbezogenen Diensten und der hierfür erforderlichen Infrastruktur“ grundsätzlich von einem Anreizeffekt auszugehen ist.
Berlin, 6. Oktober 2025
[1] Kenkmann, T. / Gargya, D./ Bei der Wieden, M./ Bürger, V./, Klimaschutz in Nichtwohngebäuden: Herausforderungen für soziale Einrichtungen, hrgs. Umweltbundesamt, Texte 96/2024, S. 20, unter: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/klimaschutz-in-nichtwohngebaeuden-herausforderungen
[2] Ebd., S. 13.
[3] Ebd., S. 12.
[4] Verordnung (EU) 2023/2832 der Kommission vom 13. Dezember 2023 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 AEUV auf De-minimis-Beihilfen an Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen.
[5] Beschluss (2012/21/EU) der Kommission vom 20. Dezember 2011 über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 AEUV auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind.
[6] Verordnung (EU) 2023/2831 der Kommission vom 13. Dezember 2023 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 AEUV auf De-minimis-Beihilfen.
[7] Verordnung (EU) 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 AEUV (
[8] Europäischer Gerichtshof, Rs. C-78/08 bis C-80/08 (Paint Graphos), Urteil v. 8. September 2011, Rz. 48 ff. 55 ff.
[9] https://kath-buero.de/stellungnahme/oekumenische-stellungnahme-de-minimis-beihilfen
[10] https://kath-buero.de/stellungnahme/ueberarbeitung-dawi-beihilferecht
[11] https://kath-buero.de/stellungnahme/stellungnahme-kb-ueberarbeitung-der-kmu-empfehlung-2025
[12] Richtlinie (EU) 2024/1275 des europäischen Parlaments und des Rates vom 24. April 2024 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden.
[13] Lünenburger, S. / Ziegenhorn, G. / Rosenfeld, A. / Karpenstein, U., EU-Beihilfepolitik – Analyse der Auswirkungen des neuen Beihilferechts unter besonderer Berücksichtigung des Instruments der Ex-post-Evaluierung (Abschlussbericht), im Auftrag des Umweltbundesamt, S. 96, unter: https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&opi=89978449&url=https://www.bundesumweltministerium.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Forschungsdatenbank/fkz_3715_17_103_eu-beihilfepolitik_bf.pdf&ved=2ahUKEwiV6Z-AiouQAxVSxgIHHV_PPKYQFnoECBgQAQ&usg=AOvVaw3BoRDfPvekDVsyEP496lBy
[14] Ebd.