Für die Zusendung des Referentenentwurfs eines Bundes-Klimaanpassungsgesetzes und die Gelegenheit zur Stellungnahme möchten wir danken. Der Referentenentwurf kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die deutschlandweite Mitteltemperatur im Flächenmittel von 1881 bis 2021 nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes um 1,6 °C und damit deutlich stärker als im weltweiten Durchschnitt angestiegen ist[1] und die Folgen dieser Erwärmung für Mensch, Tier, Natur und Umwelt immer deutlicher erkenn- und spürbar werden. Wegen ihrer dichten Bebauung und großen Bevölkerungszahl, ihrer oft ungeschützten Lage, spezifischer Infrastruktur und starker Versiegelung sind dabei städtische Strukturen in Bezug auf klimawandelbedingte Ereignisse wie Hitze, Trockenheit und Starkregen besonders verletzlich. Aber auch ländliche Regionen und die im Schwerpunkt dort stattfindende Nahrungsmittelproduktion sind von Hitze, Trockenheit und Überflutungen bedroht.
Die Folgen des Klimawandels gerade auch für die menschliche Gesundheit sind gravierend: So stiegen bspw. die Sterbefallzahlen in Deutschland laut statistischem Bundesamt[2] in den besonders heißen Wochen im Juli 2022 deutlich an. In seinem Beschluss vom 24. März 2021 (1 BvR 2656/18; 1 BvR 78/20; 1 BvR 96/20; 1 BvR 288/20) [im Folgenden: Klimabeschluss] hat das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf diese Folgen des Klimawandels für die menschliche Gesundheit ausgeführt, dass dem Gesetzgeber eine sich aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG abzuleitende Schutzpflicht bzgl. des Lebens und der Gesundheit der Menschen in Deutschland obliegt. Diese verpflichtet den Gesetzgeber sowohl gegenüber den heute lebenden Menschen als auch objektivrechtlich im Hinblick auf zukünftige Generationen (Rz. 148) dazu, sowohl Maßnahmen zur Begrenzung der anthropogenen Erderwärmung als auch ergänzend solche zur Anpassung an den Klimawandel (Rz. 149 f.) zu treffen. Die letztgenannten Klimaanpassungsmaßnahmen sind in den Worten des Bundesverfassungsgerichts „erforderlich, um die tatsächlich eintretenden Folgen des Klimawandels auf ein verfassungsrechtlich hinnehmbares Maß zu begrenzen“ (Rz. 150).
Wir begrüßen daher den Referentenentwurf des zukünftigen Bundes-Klimaanpassungsgesetz [im Folgenden: KAnG-E], in dem wir ein wichtiges Instrument dafür sehen, dass diese Begrenzung der tatsächlich eintretenden negativen Auswirkungen des Klimawandels auf ein verfassungsrechtlich hinnehmbares Maß gelingen kann.
Aus dieser Perspektiver heraus erlauben wir uns, einige ausgewählte Regelungen und Aspekte desselben im Folgenden näher zu kommentieren.
1. § 1 KAnG-E
§ 1 Absatz 1 KAnG-E definiert die Ziele und § 1 Absatz 2 KAnG-E den Zweck des Bundes-Klimaanpassungsgesetzes.
a. § 1 Absatz 1 Satz 1 KAnG-E
Erstes Ziel des Bundes-Klimaanpassungsgesetz soll es laut Satz 1 des § 1 Absatz 1 KAnG-E sein, „zum Schutz der menschlichen Gesundheit, Gesellschaft, Wirtschaft und Infrastruktur sowie der Natur und der Ökosysteme negative Auswirkungen des Klimawandels, insbesondere die drohenden Schäden, weitestgehend zu vermeiden und nicht vermeidbare Auswirkungen möglichst zu reduzieren.“
Wir begrüßen dieses Ziel und regen gleichzeitig vor dem Hintergrund unserer einleitenden Ausführungen an, einen Hinweis auf die dem Gesetzgeber aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG obliegende Schutzpflicht in dieses aufzunehmen. Dabei befürworten wir das in § 1 Absatz 1 Satz 1 KAnG-E formulierte Gebot, die negativen Auswirkungen des Klimawandels, insbesondere die drohenden Schäden, weitestgehend zu vermeiden. Allerdings ist die sich an dieses Vermeidungsgebot anschließende Aufforderung, dass „nicht vermeidbare Auswirkungen möglichst zu reduzieren“ sind, für uns ohne weitere Erläuterungen schwer nachvollziehbar. Uns wird aus dem Regelungstext nicht klar, wie nicht vermeidbare Auswirkungen reduziert werden können. Sie sind ja nicht vermeidbar. Hier wären wir für eine nähere Erläuterung dankbar. Ohne eine solche können wir uns diese Formulierung nur so erklären, dass in der „Reduktion“ nicht vermeidbarer Auswirkungen der Gedanke einer Kompensation bzw. eines Ausgleichs für nicht vermeidbare Auswirkungen zum Tragen kommen soll. Einen Hinweis darauf, dass dieses Verständnis zutreffen könnte, könnte in dem in der Begründung des Referentenentwurfs – wenn auch an anderer Stelle – enthaltenen Verweis auf den Klimaanpassungs-Check für Kommunen in NRW (Begründung, S. 21) gesehen werden, sieht dieser doch – wenn auch nur ausnahmsweise – eine solche Option vor (vgl. Klimaanpassungs-Check für Kommunen in NRW, S. 11). Wir empfehlen daher eine Präzisierung dieser Vorschrift. Für § 1 Absatz 1 Satz 1 KAnG-E regen wir insgesamt folgende Änderungen an:
„Ziel dieses Gesetzes ist es, zur Erfüllung der dem Gesetzgeber obliegenden Schutzpflicht für Leben und Gesundheit der Menschen in Deutschland aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG und zum Schutz der menschlichen Gesundheit, Gesellschaft, Wirtschaft und Infrastruktur sowie der Natur und der Ökosysteme negative Auswirkungen des Klimawandels, insbesondere die drohenden Schäden, weitestgehend zu vermeiden und nicht vermeidbare Auswirkungen möglichst zu reduzieren durch Kompensationsmaßnahmen auszugleichen.“
b. § 1 Abs. 1 Satz 2 KAnG-E
Nach Satz 2 des § 1 Absatz 1 KAnG-E verfolgt das Bundes-Klimaanpassungsgesetz ein weiteres, zweites Ziel: „Die Widerstandsfähigkeit ökologischer und gesellschaftlicher Systeme gegenüber den auch in Zukunft fortschreitenden klimatischen Veränderungen soll zur Bewahrung gleichwertiger Lebensverhältnisse unter Beachtung des Vorsorgeprinzips gesteigert und Beiträge zu den nationalen und internationalen Anstrengungen bei der Klimaanpassung geleistet werden.“
Dieser Satz 2 des § 1 Absatz 1 KAnG-E stellt unseres Erachtens inhaltlich keine hinreichende Verbindung zu dem in Satz 1 genannten Ziel her. Durch die Formulierung, dass die Widerstandsfähigkeit ökologischer und gesellschaftlicher Systeme „zur Bewahrung gleichwertiger Lebensverhältnisse (…) gesteigert“ werden soll, wird nicht nur eine zusätzliche Zielsetzung formuliert, sondern die Steigerung der Widerstandsfähigkeit auch auf diese Zielsetzung verengt. Die Steigerung der Widerstandsfähigkeit ökologischer und gesellschaftlicher Systeme dient aber auch dem Schutz der in § 1 Absatz 1 Satz 1 KAnG-E aufgeführten Rechtsgüter. Wir regen daher an, Satz 2 des § 1 Absatz 1 KAnG-E wie folgt zu ändern:
„Die Widerstandsfähigkeit ökologischer und gesellschaftlicher Systeme (…) soll zur unter Bewahrung gleichwertiger Lebensverhältnisse sowie unter Beachtung des Vorsorgeprinzips gesteigert (…) werden.“
c. § 1 Absatz 1 Satz 3 KAnG-E
Nach § 1 Absatz 1 Satz 3 KAnG-E verfolgt das Bundes-Klimaanpassungsgesetz schließlich ein drittes Ziel, nach dem „die Vertiefung sozialer Ungleichheiten durch die negativen Auswirkungen des Klimawandels (…) verhindert werden“ soll.
Diese soziale Zielsetzung halten wir mit Blick auf die Breite der sozialen Folgen sowohl der negativen Auswirkungen des Klimawandels als auch von auf diese bezogenen Klimaanpassungsmaßnahmen für nicht hinreichend. Zwar ist es wichtig, die „Vertiefung sozialer Ungleichheiten durch die negativen Auswirkungen des Klimawandels“ zu verhindern. Es ist aber zusätzlich erforderlich, Klimaanpassungsmaßnahmen so auszugestalten, dass auf vulnerable Bevölkerungsgruppen besonders Rücksicht genommen wird. Die Begründung des Referentenentwurfs enthält diesen Gedanken (Begründung, S. 18). Anregen möchten wir, ihn aufgrund seiner Relevanz auch im Gesetzestext zu verankern. Hinweisen möchten wir an dieser Stelle im Übrigen auch darauf, dass Deutschland unionsrechtlich nach Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 und Satz 2 Europäisches Klimagesetz[3] nicht nur verpflichtet ist, u.a. bei Klimaanpassungsmaßnahmen „einen besonderen Schwerpunkt auf die schutzbedürftigsten und am stärksten betroffenen Bevölkerungsgruppen“ zu legen, sondern auch auf „die schutzbedürftigsten und am stärksten betroffenen (…) Wirtschaftszweige“. Dieser Gesichtspunkt ist in § 1 Absatz 1 Satz 3 KAnG-E bisher nicht enthalten. Wir schlagen daher vor, § 1 Absatz 1 Satz 3 KAnG-E wie folgt zu ändern:
„Die Vertiefung sozialer Ungleichheiten durch die negativen Auswirkungen des Klimawandels soll verhindert und bei der Ausgestaltung von Klimaanpassungsmaßnahmen besonders Rücksicht auf vulnerable Bevölkerungsgruppen und Wirtschaftszweige genommen werden.“
2. § 2 Nummer 3 KAnG-E
§ 2 Nummer 3 KAnG-E definiert den Begriff der „Träger öffentlicher Aufgaben“ als „Stelle, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, unabhängig davon, ob sie öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert sind“.
Wir sprechen uns dafür aus, den Kreis der verpflichteten Rechtsträger konkreter zu benennen. Zwar werden in der Begründung des Referentenentwurfs zu dem Begriff der „Träger öffentlicher Aufgaben“ einige Hinweise gegeben, hierunter der Verweis auf seine Verwendung in § 13 Absatz 1 Bundes-Klimaschutzgesetzes (Begründung, S. 19) und eine beispielhafte Aufzählung öffentlicher Aufgabenträger (Begründung, S. 22). Folgt man aber dem Verweis in das Bundes-Klimaschutzgesetz, stellt sich heraus, dass der in § 13 Absatz 1 enthaltene Begriff der „Träger öffentlicher Aufgaben“ in der Gesetzesbegründung widersprüchlich erläutert wird: Denn zum einen soll das in § 13 Absatz 1 enthaltene Berücksichtigungsgebot „die allgemeine Vorbildfunktion der öffentlichen Hand“ konkretisieren[4], was auf einen rein staatlichen Kreis der Normadressaten hindeutet. Zum anderen sollen aber alle Bildungs- und Pflegeeinrichtungen sowie auch die Kammern bestimmter Berufsgruppen zu den „Trägern öffentlicher Aufgaben“ zählen. Nur den letztgenannten Aspekt greift der KAnG-E dann in seiner Begründung auf (Begründung, S. 22), obwohl er gleichzeitig darauf verweist, dass der Begriff der „Träger öffentlicher Aufgaben“ in § 2 Nummer 3 KAnG-E „die gleiche Bedeutung wie in § 13 Absatz 1 Bundes-Klimaschutzgesetz“ (Begründung S. 19) haben soll. Weder im Bundes-Klimaschutzgesetz noch im KAnG-E wird im Übrigen thematisiert, ob auch Rechtsträger, die nur in bestimmten Bereichen oder zeitweise öffentliche Aufgaben ausführen, als „Träger öffentlicher Aufgaben“ zu qualifizieren sind. Vor diesem Hintergrund erscheint uns die in § 2 Nummer 3 KAnG-E enthaltene Definition auch unter Berücksichtigung der Begründung des Referentenentwurfs nicht hinreichend, um allen von dieser Norm verpflichteten Rechtsträgern deutlich vor Augen zu führen, dass sie die Adressaten zentraler Handlungspflichten nach dem KAnG-E, des Berücksichtigungsgebots in § 8 Absatz 1 KAnG-E und des Verschlechterungsverbots in § 8 Abs. 2 KAnG-E sind. Wir regen daher an, zumindest eine nicht abschließende, ggf. an Kategorien öffentlicher Aufgaben orientierte Aufzählung der „Träger öffentlicher Aufgaben“ in den Wortlaut des § 2 Nummer 3 KAnG-E aufzunehmen.
3. § 3 KAnG-E
§ 3 KAnG-E trifft Regelungen zu Aufstellung, Struktur, Inhalten und Umsetzung der vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie des Bundes.
a. § 3 Absatz 1 KAnG-E
Durch den ersten Absatz dieser Norm wird die Bundesregierung verpflichtet, „auf Grundlage der Klimarisikoanalyse nach § 4 Absatz 1 Satz 1 KAnG-E“ „bis zum 30. September 2025 eine vorsorgende Klimaanpassungsstrategie mit messbaren Zielen“ vorzulegen, diese umzusetzen und „alle vier Jahre“ fortzuschreiben.
Wir begrüßen die nun auch in der Bezeichnung der Klimaanpassungsstrategie zum Ausdruck kommende Betonung ihres vorsorgenden, auf die Berücksichtigung zukünftiger Risiken ausgerichteten Charakters. Für eine erfolgreiche Klimaanpassung in Deutschland erscheint es uns aber erforderlich, die vorsorgende Klimaanpassungsstrategie in zweierlei Hinsicht breiter aufzustellen: Zum einen muss in ihr die europäische Dimension der Klimaanpassung mitgedacht werden. Denn die negativen Auswirkungen des Klimawandels machen vor den Grenzen der einzelnen Staaten nicht halt. Dementsprechend enthält auch das Europäische Klimagesetz Vorgaben für Klimaanpassungsmaßnahmen der EU-Mitgliedstaaten. Hierzu gehört, dass die EU-Mitgliedstaaten gemäß Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 Europäisches Klimagesetz „dafür zu sorgen haben, dass die Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel in der Union und in den Mitgliedstaaten stimmig sind, einander befördern und positive Nebeneffekte für sektorspezifische politische Maßnahmen haben (…)“. Dies gilt es auch im KAnG-E zu berücksichtigen. Zum anderen sollte bei der Erstellung und Fortschreibung der vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie darauf geachtet werden, dass die Klimaanpassung in einem Beziehungsgeflecht von Synergien und Zielkonflikten – im Englischen passender als „Trade-offs“ bezeichnet – zu anderen Nachhaltigkeitszielen steht. Dies kommt bisher nur in zwei einzelnen Normen (§ 3 Absatz 3 Satz 2, § 12 Absatz 2 Nummer 3 KAnG-E) zum Ausdruck. Es sollte aber grundsätzlich festgeschrieben werden. Insgesamt regen wir daher an, § 3 Absatz 1 KAnG-E wie folgt zu ergänzen:
Kritisch sehen wir allerdings, dass eine Fortschreibung der vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie alle vier Jahre vorgenommen werden soll, während die Klimarisikoanalyse nach § 4 Absatz 1 Satz KAnG-E lediglich „mindestens alle 10 Jahre“ zu aktualisieren ist. Aus unserer Sicht ist notwendig, dass eine aktualisierte Klimarisikoanalyse sowohl für die zum 30. September 2025 vorzulegende vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie als auch für jede ihrer Fortschreibungen vorliegt. Nur so kann eine aktuelle Klimarisikoanalyse überhaupt, wie in § 3 Absatz 1 KAnG-E vorgesehen, „Grundlage“ der vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie sein. Dementsprechend muss die Klimarisikoanalyse alle vier Jahre aktualisiert und ihre Aktualisierung darüber hinaus mit der Fortschreibung der vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie synchronisiert werden. [s.u. unter 4.]
b. § 3 Absatz 3 KAnG-E
Der Absatz 3 Satz 1 des § 3 KAnG-E trifft Regelungen zu den Inhalten der von der Bundesregierung vorzulegenden vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie.
aa. § 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 KAnG-E
Nach der dort aufgeführten Nummer 1 soll die vorsorgende Klimaanpassungsstrategie „messbare Ziele“ enthalten, „die jeweils innerhalb eines bestimmten in der Strategie festzulegenden zeitlichen Rahmen zu erreichen“ und einem der Handlungsfelder nach § 3 Absatz 2 KAnG-E („Cluster“) zugeordnet sind. Ausweislich der Begründung sollen die in der vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie gemäß § 3 Absatz 3 Nr. 1 KAnG-E festzulegenden Ziele nicht mit Rechtsverbindlichkeit ausgestattet werden (Begründung, S. 20).
Wir stellen in Frage, dass die Festlegung von Klimaanpassungszielen, wie sie § 3 Absatz 1 Nummer 1 KAnG-E vorsieht, verfassungsrechtlich ausreichend ist.
Zum einen hat das Bundesverfassungsgericht nämlich in seinem Klimabeschluss festgestellt, dass die sich aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG ergebende Schutzpflicht des Gesetzgebers mit der Verpflichtung zur Gewährleistung eines durch diesen Artikel gebotenen Schutzniveaus für Leben und Gesundheit der Menschen in Deutschland einhergeht (Rz. 165). Eine solche verfassungsrechtlich verpflichtende Gewährleistung aber ist nur schwer mit unverbindlichen Klimaanpassungszielen zu vereinbaren. Darüber hinaus dürfte die Festlegung von Klimaanpassungszielen den Weg für Klimaanpassungsmaßnahmen und somit voraussichtlich auch für diverse Eingriffe in Freiheitsgrundrechte vorzeichnen, so dass angesichts der Wesentlichkeitstheorie ein förmliches Gesetz als Grundlage für diese Eingriffe geschaffen werden sollte. Die in der Begründung des Referentenentwurfs dargelegte Argumentation hingegen, dass aussagekräftige Ziele für die Klimaanpassung ein Novum seien und daher die Flexibilität bestehen solle, diese ohne Rechtsverbindlichkeit in der vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie anstatt im Bundes-Klimaanpassungsgesetz festzulegen (Begründung, S. 19 f.), überzeugt unseres Erachtens nicht. Denn es existieren hinreichend legislative Mechanismen, die auch einer gesetzlichen Festlegung von Klimaanpassungszielen Flexibilität verleihen können. Zu nennen wäre hier bspw. ein zeitlich engmaschiger Überprüfungs- und Anpassungsauftrag. Wir sprechen uns daher dafür aus, die Klimaanpassungsziele rechtlich verbindlich auszugestalten, und befürworten, sie gesetzlich – für die Bundesebene gegebenenfalls, aber nicht zwingend, im Bundes-Klimaanpassungsgesetz – zu verankern.
Zum anderen ergibt sich aus dem Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts unseres Erachtens auch, dass die Klimaanpassungsziele im Verhältnis zu der Ambition der Klimaschutzpolitik des Gesetzgebers und zu den erzielten und erwarteten Fortschritten bei deren Umsetzung bestimmt werden müssen. Das Bundesverfassungsgericht stellt insoweit in seinem Beschluss fest, dass nur „solange der Gesetzgeber das in § 1 Satz 3 Bundes-Klimaschutzgesetz gesetzte Ziel nicht aufgibt, zur Einhaltung des dort zugrunde gelegten Paris-Ziels in absehbarer Zeit Klimaneutralität zu erreichen“, und er den dort „eingeschlagenen Reduktionspfad mit immer weiter steigenden Minderungsquoten (…) und mit jährlich weiter absinkenden Emissionsmengen (…) fortsetzt“, „aus heutiger Sicht nicht erkennbar [sei], dass ein verfassungsrechtlich hinreichender Gesundheitsschutz nicht jedenfalls durch ergänzende Anpassungsmaßnahmen möglich wäre“. Aus diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich unseres Erachtens, dass der Gesetzgeber zur Gewährleistung des Schutzniveaus des Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG Klimaanpassungsmaßnahmen in einem Umfang in Gang setzen muss, der in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zu Ambition und Erfolg der Klimaschutzpolitik der Regierung steht. Mit anderen Worten: je weiter sich Deutschland mit seiner Klimaschutzpolitik davon entfernt, den ihm zukommenden Beitrag zur Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele zu leisten, desto ambitioniertere Klimaanpassungsziele müssen gesetzt und umgesetzt werden. Dieser Aspekt der Bestimmung der Klimaanpassungsziele ist bisher weder im Gesetzestext noch in der Begründung des Referentenentwurfs zu finden. Wir regen daher an, ihn in § 3 Absatz 3 Nummer 1 KAnG-E aufzunehmen und die festzulegenden Klimaanpassungsziele auch im Verhältnis zur Ambition und zu den erzielten und erwarteten Fortschritten bei der Verminderung des Treibhausgasausstoßes in Deutschland zu bestimmen. Als Datengrundlage hierfür bieten sich unter anderem die Prüfberichte des Expertenrats für Klimafragen zur Berechnung der deutschen Treibhausgasemissionen[5] an.
bb. § 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 und Nummer 4 und § 3 Absatz 3 Satz 2 KAnG-E
Gemäß § 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 soll die vorsorgende Klimaanpassungsstrategie „geeignete Maßnahmen, die jeweils zur Erreichung eines oder mehrerer Ziele erforderlich sind“, „benennen“ und nach Nummer 4 „Empfehlungen zu Maßnahmen innerhalb der Zuständigkeit der Länder“ abgeben. Mit Blick auf die gemäß Nummer 3 und Nummer 4 vorzunehmende Benennung und Empfehlung von Maßnahmen sieht § 3 Absatz 3 Satz 2 KAnG-E dann vor, dass „nachhaltige Anpassungsmaßnahmen Vorrang haben, insbesondere solche, die ausgeprägte Synergien zu den Bereichen des natürlichen Klimaschutzes, des Schutzes der biologischen Vielfalt und der nachhaltigen Stadtentwicklung aufweisen“.
Wir begrüßen diese Regelungen. Wir halten es für sinnvoll, in der vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie geeignete Klimaanpassungsmaßnahmen je nach Gesetzgebungskompetenz entweder direkt zu benennen oder den Bundesländern zu empfehlen. Dabei begrüßen wir insbesondere den in § 3 Absatz 3 Satz 2 KAnG-E zum Ausdruck kommenden Grundsatz, bestimmten Klimaanpassungsmaßnahmen bei der Benennung oder Empfehlung aufgrund ihrer Synergieeffekte mit anderen Nachhaltigkeitszielen den Vorrang zu geben. In dieser Regelung bildet sich die bereits oben erwähnte, in Wissenschaft und Praxis für die einzelnen Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 gut erforschte, bisher im deutschen Recht aber noch zu selten berücksichtigte Erkenntnis ab, dass Maßnahmen zur Erreichung eines Nachhaltigkeitsziels Synergien und Zielkonflikte für die Erreichung anderer Nachhaltigkeitsziele entfalten können. Bereits an anderer Stelle hat das Katholische Büro angeregt, diese Erkenntnisse direkt in der Ausgestaltung von Politik und Gesetzgebung zu berücksichtigen[6] und Maßnahmen mit Synergien zwischen Nachhaltigkeitszielen zu nutzen sowie Maßnahmen, die Zielkonflikte hervorrufen, zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund möchten wir fünf Verbesserungen an der Klausel des § 3 Absatz 3 Satz 2 KAnG-E vorschlagen:
Erstens sollten nicht nur solchen Klimaanpassungsmaßnahmen Vorrang eingeräumt werden, die „ausgeprägte“ Synergien zu den anderen, in § 3 Absatz 3 Satz 2 KAnG-E genannten Zielsetzungen aufweisen, sondern die – auch im Verhältnis untereinander – die weitestgehenden Synergien und geringsten Zielkonflikte/Trade-offs ermöglichen.
Zweitens sollte die Aufzählung der weiteren Zielsetzungen alternativ und nicht kumulativ formuliert werden, da Anpassungsmaßnahmen, die Synergien mit allen genannten Zielsetzungen aufweisen, eher selten sein dürften.
Drittens sollte die erstgenannte Zielsetzung, der natürliche Klimaschutz, auf Klimaschutz insgesamt erweitert werden, auch wenn dem natürlichen Klimaschutz eine besondere Bedeutung zukommt.
Viertens sollte das einzige planetare Belastungsgrenzen betreffende Nachhaltigkeitsziel der Agenda 2030, das bisher noch nicht in § 3 Absatz 3 Satz 2 KAnG-E erwähnt wird, der Schutz des Wassers (SDG 6), zu dem die Bundesregierung im Übrigen gerade eine nationale Strategie verabschiedet hat, noch in die Aufzählung der nach dieser Norm zu berücksichtigenden Zielsetzungen aufgenommen werden.
Fünftens sollte die Zielsetzung der „nachhaltigen Stadtentwicklung“ der Formulierung des SDG 11, die eine „nachhaltige Gemeinde- und Stadtentwicklung“ in den Blick nimmt, angepasst werden.
Dementsprechend schlagen wir vor, § 3 Absatz 3 Satz 2 KAnG-E wie folgt zu ändern:
Im Rahmen der Benennung und Empfehlung von Maßnahmen nach Satz 1 Nummer 3 und Nummer 4 sollen nachhaltige Anpassungsmaßnahmen Vorrang haben, insbesondere solche, die die weitestgehendenausgeprägte Synergien und geringsten Zielkonflikte zu den Bereichen des natürlichen Klimaschutzes, vor allem des natürlichen Klimaschutzes, des Schutzes der biologischen Vielfalt, des Wassers und oderder nachhaltigen Gemeinde- und Stadtentwicklung aufweisen.
cc. § 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 5
§ 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 5 sieht vor, dass in der vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie ein „Mechanismus zur Bewertung der Fortschritte in der Zielerreichung“ festgelegt werden soll.
Wir halten einen solchen Mechanismus für zentral für das Gelingen der Klimaanpassung in Deutschland. Aus diesem Grunde sprechen wir uns auch dafür aus, zumindest einige der Eckpunkte eines solchen Mechanismus bereits im Bundes-Klimaanpassungsgesetz vorzugeben. Dies betrifft weniger die Frage, ob bspw. ein Expertenrat zur Bewertung der Fortschritte bei der Erreichung der Klimaanpassungsziele eingesetzt wird. Wichtig erscheint uns, den Bewertungsturnus, die Bewertungsperspektive und die Bewertungsfolgen im Bundes-Klimaanpassungsgesetz festzuschreiben.
Nach § 5 Absatz 2 KAnG-E soll der spätestens alle vier Jahre zu veröffentlichende Monitoringbericht der Bundesregierung über die beobachteten Folgen des Klimawandels die wissenschaftliche Grundlage für die Bewertung der Fortschritte in der Erreichung der Ziele der Klimaanpassung nach § 3 KAnG-E bilden. Dies halten wir mit Blick auf alle drei genannten Bewertungsaspekte für unzureichend. Auch vor dem Hintergrund der in § 11 KAnG-E für die Länder vorgeschlagenen zweijährigen Berichtspflichten sollte der nach § 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 5 KAnG-E vorgesehene Mechanismus alle zwei Jahre eine Bewertung der Fortschritte bei der Erreichung der Klimaanpassungsziele vornehmen. Dabei sollte er sich auch nicht auf eine Bewertung der in der Vergangenheit erreichten Fortschritte beschränken, sondern – in Parallelität zu der mit Koalitionsbeschluss vom 28 März 2023 vorgesehenen Änderung des nach dem Bundes-Klimaschutzgesetz vorgesehen Monitorings[7] – auf Basis einer Bewertung des legislativen wie administrativen Rahmens und der bereits eingeleiteten Maßnahmen eine Prognose zur Entwicklung der einzelnen Klimaanpassungsziele in Deutschland abgeben. Die Bewertung nach dem in diesem Turnus und mit dieser Perspektive ausgestalteten Mechanismus des § 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 5 kann dann Grundlage für die bisher aus unserer Sicht ohnehin noch nicht hinreichend konkret regulierte Feststellung einer „drohenden Zielverfehlung“ nach § 3 Absatz 6 KAnG-E sein [s.u. unter 3.b.dd], an die sich die Verpflichtung der jeweils zuständigen Bundesministerien anschließt, geeignete Maßnahmen zur Nachbesserung vorzulegen. Wir schlagen daher vor, § 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 5 wie folgt zu ändern:
legt einen Mechanismus fest, in dem alle zwei Jahre zur Bewertung der die erreichten Fortschritte in der Zielerreichung fest bewertet, die weitere Entwicklung der Fortschritte bei der Erreichung der Klimaanpassungsziele prognostiziert und drohende oder bereits eingetretene Zielverfehlungen festgestellt werden.
dd. § 3 Absatz 6 KAnG-E
Dieser Absatz des § 3 KAnG-E verpflichtet das jeweils zuständige Bundesministerium, wenn die nach § 3 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 KAnG-E festgelegten Klimaanpassungsziele „verfehlt zu werden“ „drohen“, „so schnell wie möglich, spätestens aber innerhalb eines Jahres nach Feststellung der drohenden Zielverfehlung, geeignete Maßnahmen zur Nachbesserung“ vorzulegen, „um die Zielerreichung sicherzustellen“.
Wie soeben [unter 3.b.cc.] erwähnt, erscheint uns diese Regelung mit Blick auf die Frage, wer die drohende Zielverfehlung wann feststellt, nicht hinreichend konkret. Unsere zu § 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 5 KAnG-E vorgeschlagenen Änderungen führen zu der unseres Erachtens erforderlichen Konkretisierung. Darüber hinaus sollte das jeweils zuständige Bundesministerium aber auch nicht nur dann Nachbesserungen für Klimaanpassungsmaßnahmen vorlegen müssen, wenn Zielverfehlungen drohen, sondern auch dann, wenn solche bereits vorliegen. Dementsprechend und in Teilen auch als Konsequenz unserer Änderungsanliegen zu § 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 5 KAnG-E möchten wir vorschlagen, § 3 Absatz 6 KAnG-E wie folgt umzuformulieren:
Wird im Rahmen des gemäß § 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 5 festzulegenden Mechanismus festgestellt, dass Drohen die festgelegten Ziele der vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie verfehlt zu werden drohen oder verfehlt werden, legt das (…) zuständige Bundesministerium so schnell wie möglich, spätestens innerhalb eines Jahres nach Feststellung der drohenden oder eingetretenen Zielverfehlung, geeignete Maßnahmen zur Nachbesserung vor, um die Zielerreichung sicherzustellen.
4. § 4 KAnG-E
Nach § 4 Absatz 1 Satz 1 KAnG-E erstellt und veröffentlicht die Bundesregierung „zur Ermittlung der Verletzlichkeit natürlicher, gesellschaftlicher und ökonomischer Systeme gegenüber den Folgen des Klimawandels“ „regelmäßig nach aktuellem Stand der Wissenschaft und Forschung mindestens alle 10 Jahre eine aktualisierte Klimarisikoanalyse“.
Aus den in unserer Kommentierung von § 3 Absatz 1 KAnG [s.o. unter 3.a] dargestellten Gründen halten wir es für erforderlich, dass die Bundesregierung für eine Aktualisierung der Klimarisikoanalyse alle vier Jahre sorgt und diese Aktualisierung so mit der Fortschreibung der vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie synchronisiert.
5. § 5 KAnG-E
Diese Norm verpflichtet die Bundesregierung, „regelmäßig, spätestens aber alle vier Jahre, einen Monitoringbericht“ zu erstellen und zu veröffentlichen, „mit dem sie die Öffentlichkeit sowie Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in allen Bereichen über die beobachteten Folgen des Klimawandels in Deutschland informiert.“ Dieser Bericht soll nach Absatz 2 des § 4 KAnG-E „die wissenschaftliche Grundlage für die Bewertung der Fortschritte in der Erreichung der Klimaanpassungsziele nach § 3“ bilden.
Aus den in unserer Kommentierung von § 3 Absatz 3 Satz 1 Nr. 5 [s.o. unter 3.b.cc] genannten Gründen sprechen wir uns dafür aus, den Turnus der Monitoringberichte nach § 5 KAnG-E auf zwei Jahre zu verkürzen, ihn so mit dem um einen Bewertungsturnus von zwei Jahren ergänzten Mechanismus des § 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 5 KAnG-E zu synchronisieren und um den Aspekt der Prognose der weiteren Entwicklung der Fortschritte bei der Erreichung der Klimaanpassungsziele zu ergänzen. Darüber hinaus regen wir an, als wissenschaftliche Grundlage für die nach dem Mechanismus des § 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 5 KAnG-E vorzunehmende Bewertung nicht nur den Monitoringbericht nach § 5 KAnG-E, sondern auch anderer wissenschaftliche Arbeiten zuzulassen. Andernfalls könnten die Erkenntnisse insbesondere universitärer, aber auch anderer Forschungsarbeiten nicht für eine Bewertung der Fortschritte bei der Klimaanpassung verwendet werden. Dementsprechend und in Teilen auch als Folge unserer Änderungsvorschläge zu § 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 5 KAnG-E befürworten wir folgende Änderungen des § 5 KAnG-E:
(1) Die Bundesregierung erstellt und veröffentlicht regelmäßig, spätestens alle zwei vier Jahre, einen Monitoringbericht, mit dem sie die Öffentlichkeit sowie Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in allen Bereichen über die beobachteten und prognostizierten Folgen des Klimawandels in Deutschland informiert.
(2) Das Monitoring bildet die eine wissenschaftliche Grundlage für die Bewertung der Fortschritte in der Erreichung der Ziele der Klimaanpassung nach § 3.
6. § 8 KAnG-E
Diese Norm enthält zentrale Handlungspflichten sowohl für „Träger öffentlicher Aufgaben“ als auch für sonstige Rechtsträger.
a. § 8 Absatz 1 KAnG-E
Nach dieser Norm haben die Träger öffentlicher Aufgaben „bei ihren Planungen und Entscheidungen das Ziel der Klimaanpassung nach § 1 Absatz 1 fachübergreifend und integriert zu berücksichtigen. Dabei sind sowohl die bereits eingetretenen als auch die zukünftig zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels zu berücksichtigen.“
Wir begrüßen die Festschreibung eines solchen Gebots der Berücksichtigung des Ziels der Klimaanpassung im Bundes-Klimaanpassungsgesetz und befürworten, dass Träger öffentlicher Aufgaben dieses künftig bei ihren Planungen und Entscheidungen einzubeziehen haben.
Gleichwohl sind die inhaltlichen Anforderungen des Berücksichtigungsgebots für uns unklar. Zwar enthält § 8 Absatz 1 Satz 1 KAnG-E den Verweis auf „das Ziel der Klimaanpassung nach § 1 Absatz 1 KAnG-E“, welches es zukünftig zu berücksichtigen gilt. Jedoch macht dieser Verweis angesichts des Abstraktionslevels der letztgenannten Norm das Berücksichtigungsgebot unseres Erachtens kaum handhabbarer. Die Erläuterungen in der Begründung des Referentenentwurfs sind hilfreicher, jedoch wird auch hier allgemein von „Anpassungsgesichtspunkten“ (Begründung, S. 22) gesprochen, die zu berücksichtigen sind, oder auf den Klimaanpassungs-Check für Kommunen in NRW verwiesen (Begründung, S. 21), der selbst erst durch weitere Verweise (wie die auf S. 11 des Klimaanpassungs-Checks) zumindest eine gewisse Vorstellung von den von den Trägern öffentlicher Aufgaben künftig zu berücksichtigenden Aspekten gibt. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass § 8 Absatz 1 KAnG-E den Trägern öffentlicher Aufgaben eine gesetzliche Handlungspflicht auferlegt, fragen wir uns, ob diese Norm dem Bestimmtheitsgrundsatz genügt. Um eine hinreichende Bestimmtheit zu erreichen, könnte in § 8 Absatz 1 Satz 1 KAnG-E ein weiterer Verweis, und zwar ein Verweis auf die Kategorien der nach § 3 Absatz 3 Nummer 1 KAnG-E festzulegenden Klimaanpassungsziele, aufgenommen werden. Damit würde den Trägern öffentlicher Aufgaben vor Augen geführt, an welchen Stellen ihrer Entscheidungen und Planungen Klimaanpassungsaspekte relevant sind und berücksichtigt werden können.
b. § 8 Absatz 2 KAnG-E
Nach § 8 Absatz 2 Satz 1 KAnG-E dürfen Träger öffentlicher Aufgaben „durch ihre Planungen und Entscheidungen die Vulnerabilität von Grundstücken, Bauwerken und betroffenen Gebieten insgesamt gegenüber den negativen Folgen des Klimawandels nur insoweit erhöhen, als dies unvermeidlich ist (Verschlechterungsverbot).“ Nach Satz 2 dieser Norm ist eine „Erhöhung der Vulnerabilität“ dann „vermeidbar, wenn zumutbare Alternativen, den mit der Planung oder Entscheidung verfolgten Zweck ohne oder mit geringerer Erhöhung der Vulnerabilität zu erreichen, gegeben sind.“
Wir halten dieses an die Träger öffentlicher Aufgaben adressierte Verschlechterungsverbot dem Grundsatz nach für sinnvoll, sehen aber auch bei diesem einigen Klarstellungsbedarf.
Zunächst geht aus der Formulierung des Satz 1 von § 8 Absatz 2 KAnG-E nicht eindeutig hervor, in welcher Beziehung die „Planungen und Entscheidungen“ der Träger öffentlicher Aufgaben zu den „Grundstücken, Bauwerken und betroffenen Gebieten“, deren Vulnerabilität nur bei Unvermeidlichkeit erhöht werden darf, stehen müssen. Müssen diese „Grundstücke, Bauwerke und betroffenen Gebiete“ direkt Gegenstand der „Planungen und Entscheidungen“ der Träger öffentlicher Aufgaben sein oder reichen mittelbare, weiter entfernte Auswirkungen auf diese aus? Die letztgenannte Auslegung dürfte den Trägern öffentlicher Aufgaben eine kaum zu überblickende Verantwortung auferlegen und bei ihnen zu großen Planungs- und Entscheidungsunsicherheiten führen. Wir bitten daher um Klarstellung. Gleichzeitig können Planungen auch grundstücksübergreifend sein, wobei die Erhöhung der Vulnerabilität eines Grundstücks auf einem anderen Grundstück kompensiert werden könnte. Würde dennoch das Verschlechterungsverbot greifen? Auch diesbezüglich bitten wir um weitere Erläuterung.
Die in Satz 2 des § 8 Absatz 2 KAnG-E formulierte Definition der Vermeidbarkeit einer Erhöhung der Vulnerabilität halten wir für zielführend, möchten aber, erstens, anregen, den Begriff „zumutbar“ zu definieren. Von diesem Begriff hängt es letztlich ab, wann eine Erhöhung der Vulnerabilität vermeidbar ist und somit gegen das Verschlechterungsverbot verstößt. Ohne eine solche Definition befürchten wir daher auch an dieser Stelle Planungs- und Entscheidungsunsicherheiten für die Träger öffentlicher Aufgaben. Die Definition der Vermeidbarkeit sollte, zweitens, nicht nur „den mit der Planung oder Entscheidung verfolgten Zweck“, sondern „die mit der Planung oder Entscheidung verfolgten Zwecke“ bei der Identifikation möglicher Alternativen berücksichtigen. Dies würde klarstellen, dass nicht nur der Hauptzweck einer Planung oder Entscheidung, sondern verschiedene mit dieser Planung oder Entscheidung verfolgten Zwecke bei der Feststellung der Vermeidbarkeit einer Erhöhung der Vulnerabilität von Grundstücken, Bauwerken sowie betroffenen Gebieten zu berücksichtigen sind. So kann der verdichtende Wohnungsbau im Innenbereich einer Stadt sowohl dem Zweck der Bereitstellung von Wohnraum als auch dem Zweck einer verkehrs- und energieoptimierten Flächennutzung dienen, aber die Vulnerabilität der betroffenen Grundstücke, Bauwerke und Gebiete erhöhen, da weniger Grün- und Freiflächen und ggf. verbaute Kalt- und Frischluftschneisen zu einer geringeren Reduktion des Wärmeinseleffekts führen. Beide Zwecke sollten dann bei der Frage berücksichtigt werden, ob sie ohne oder mit geringerer Erhöhung der Vulnerabilität erreicht werden können.
Schließlich ist das Verschlechterungsverbot in § 8 Absatz 2 KAnG-E zwar als rechtsverbindliches Verbot formuliert, es bleibt aber unbestimmt, in welchen Entscheidungs- und Planungsverfahren es wie zu berücksichtigen ist. Ebenso unklar ist, was die Folgen eines Verstoßes gegen das Verschlechterungsverbot in diesen Verfahren sind. Dies führt zu weiteren Rechtsunsicherheiten, da anderen Verschlechterungsverboten wie dem wasserrechtlichen Verschlechterungsverbot nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs[8] zur europäischen Wasserrahmenrichtlinie[9] Bindungswirkung bei der Genehmigung konkreter Vorhaben zukommt. Auch hier bitten wir um Klarstellung.
c. § 8 Absatz 3 KAnG-E
§ 8 Absatz 3 KAnG-E schreibt in seinem Halbsatz 1 vor, dass „die Versiegelung von Böden auf ein Minimum zu begrenzen“ ist, „um aus Gründen der Klimaanpassung Versicherungs- und Verdunstungsflächen für einen naturnahen Wasserhaushalt im Rahmen einer wassersensiblen Entwicklung, insbesondere in urbanen Räumen, zu erhalten“; „bereits entsiegelte Böden, die dauerhaft nicht mehr genutzt werden“, sind nach dem 2. Halbsatz von § 8 Absatz 3 KAnG-E „in ihrer Leistungsfähigkeit nach § 1 des Bundes-Bodenschutzgesetzes soweit wie möglich und zumutbar wiederherzustellen und zu entsiegeln.“
Den dritten Absatz des § 8 KAnG-E begrüßen wir ausdrücklich. Positiv hervorheben möchten wir, dass diese Regelung keine spezifischen Normadressaten hat und somit für alle Rechtsträger gilt. Dieser Umstand führt aber auch dazu, dass wir uns angesichts der durch diese Norm allen Rechtsträgern auferlegten Handlungspflichten einmal mehr die Frage stellen, ob § 8 Absatz 3 KAnG-E dem Bestimmtheitsgrundsatz genügt. Die mangelnde Klarheit der dort kodifizierten gesetzlichen Verpflichtungen ist zum einen an dem Begriff des „Minimum“ in Halbsatz 1, auf das die Versiegelung von Böden zu begrenzen ist, festzumachen und haftet darüber hinaus auch dem im Halbsatz 2 verwendeten Begriff der „Zumutbarkeit“ der Entsiegelung und Wiederherstellung von Böden an. Wir empfehlen daher, beide Begrifflichkeiten noch zu definieren oder wenigstens zu präzisieren.
7. § 12 Absatz 5 KAnG-E
Nach dieser Regelung „unterstützt“ die Bundesregierung „Träger öffentlicher Aufgaben bei der Erstellung von Klimaanpassungskonzepten im Rahmen der bestehenden Förderlandschaft.“ „Das für die Klimaanpassung zuständige Bundesministerium beauftragt ein Zentrum für Klimaanpassung, das Träger öffentlicher Aufgaben bei der Anpassung an den Klimawandel berät.“ Auch in den Vorschriften zur Bund-Länder-Zusammenarbeit, in § 9 Absatz 3 Satz 2 KAnG-E, wird auf § 12 Absatz 5 KAnG-E verwiesen.
Die in § 12 Absatz 5 KAnG-E angekündigten Maßnahmen der Unterstützung von Trägern öffentlicher Aufgaben bei der Erstellung von Klimaanpassungskonzepten und der Anpassung an den Klimawandel können aus unserer Sicht grundsätzlich hilfreich sein. Als Träger öffentlicher Aufgaben wären wir für diese Unterstützung dankbar. Ob diese Unterstützungsmaßnahmen allerdings tatsächlich hilfreich sein werden, hängt von ihrer konkreten Ausgestaltung und insbesondere ihrer Zugänglichkeit ab. Wir bitten daher schon jetzt darum, bei der Formulierung von Zugangsvoraussetzungen darauf zu achten, dass die in § 12 Absatz 5 KAnG-E angekündigten Unterstützungsmaßnahmen auch für nicht-staatliche juristische Personen des öffentlichen Rechts offenstehen.
Berlin, den 3. Mai 2023
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[1] https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/klimawandel/ueberblick/ueberblick_node.html
[2] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/08/PD22_343_126.html
[3] Verordnung (EU) 2021/1119 vom 30. Juni 2021 zur Schaffung des Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 401/2009 und (EU) 2018/1999 („Europäisches Klimagesetz“).
[4] Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Bundes-Klimaschutzgesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften, BTagsDrs. 19/14337 (22.10.2019), S. 37.
[5] Vgl. zuletzt: Expertenrat für Klimafragen: Prüfbericht zur Berechnung der deutsche Treibhausgasemissionen für das Jahr 2022 – Prüfung und Bewertung der Emissionsdaten gemäß § 12 Abs. 1 Bundes-Klimaschutzgesetz, erschienen am 17.4. 2023.
[6] Vgl. Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin – zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie – Weiterentwicklung 2021, S. 3 f., unter https://cutt.ly/i7J3bi5 .
[7] Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung, Koalitionsbeschluss vom 29. März 2023, Nummer I. 2 (S.2).
[8] Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 1.7.2015, Rs. C-461/13.
[9] Richtlinie 2000/60/EG vom 23. Oktober 2000.