Vater mit Kind auf dem Arm schaut auf das Meer
Anerkennungen der Vaterschaft
Mai 2024

Gemeinsame Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur besseren Verhinderung missbräuchlicher Anerkennungen der Vaterschaft

Die beiden großen Kirchen nehmen anlässlich der Verbändebeteiligung zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur besseren Verhinderung missbräuchlicher Anerkennungen der Vaterschaft Stellung.

I. Im Allgemeinen
Mit dem vorliegenden Referentenentwurf sollen die Regelungen hinsichtlich einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung, die bisher in § 1597a BGB geregelt sind, neu gefasst werden. Ziel der Gesetzesänderung ist es, Vaterschaftsanerkennungen zu verhindern, in denen der Anerkennende nicht der leibliche Vater des Kindes ist und auch keine soziale Beziehung zu dem Kind besteht. In der Begründung des Referentenentwurfs wird deutlich gemacht, dass die geltende Regelung zur Verhinderung derart gelagerter Fälle nicht ausreichend sei.1 Deshalb sollen zukünftig die Ausländerbehörden regelmäßig einbezogen werden, wenn ein Gefälle zwischen dem Aufenthaltsstatus der Mutter, des Kindes und dem Anerkennenden besteht. Die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung soll in diesen Fällen von der Zustimmung der Ausländerbehörde abhängen. Das Verfahren für die Zustimmung zur Anerkennung der Vaterschaft soll deshalb zukünftig im Aufenthaltsgesetz geregelt werden. Hierzu soll § 85a AufenthG neu gefasst und die §§ 85 b bis 85 d AufenthG eingeführt werden. Es werden Regelvermutungen aufgenommen, in denen von einer missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft ausgegangen bzw. in denen eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft abgelehnt wird.  

Die beiden Kirchen verstehen das Bestreben des Gesetzgebers, Vaterschaftsanerkennungen zu verhindern, die allein dem Erlangen von Aufenthaltstiteln dienen. Die nun vorgesehenen Regelungen erscheinen allerdings an einigen Stellen zu weitgehend.  

Die vom Bundesministerium der Justiz benannten Zahl von ca. 290 als missbräuchlich festgestellten Vaterschaftsanerkennungen im Zeitraum von 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 20212 sind aus Sicht der Kirchen nicht geeignet die Einführung einer Zustimmungsregelung zu rechtfertigen, die aufgrund weniger Einzelfälle für alle betroffenen Anerkennenden hohe Hürden schafft. Der Entwurf enthält leider keine Angaben oder Hinweise dazu, auf welchen Tatsachen die Vermutung gründet, dass gegenwärtig nicht alle missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen als solche erkannt werden und das Ministerium davon ausgeht, „dass das tatsächliche Ausmaß des Problems deutlich größer ist“.3 Auch deshalb lässt sich schwer nachvollziehen, ob ein Missbrauchsrisiko besteht, dass die vorgesehene umfassende Beteiligung der Ausländer-behörden an Verfahren zur Vaterschaftsanerkennung im Fall eines „aufenthaltsrechtlichen Gefälles zwischen den Beteiligten“ rechtfertigt. Im Hinblick darauf, dass die zivilrechtliche Regelung der Vaterschaftsanerkennung mit der Kindschaftsrechtsreform im Jahr 1998 aus grundsätzlichen Erwägungen eher voraussetzungsarm gestaltet wurde, wären konkretere Hinweise auf bestehende Missbrauchsrisiken hilfreich.4

II. Zu den Regelungen im Einzelnen:

1. Zu § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG-E
§ 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG-E sieht vor, dass die Abschiebung des ausländischen Anerkennen-den, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt wird, solange das Verfahren nach den §§ 85a und 85b AufenthG-E nicht durch Entscheidung der Ausländerbehörde abgeschlossen ist. Aufgrund der weitreichenden Folgen, die aufenthaltsbeendigende Maßnahmen für die Betroffenen haben, regen die beiden Kirchen an, die Aussetzung der Abschiebung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens vorzusehen. Die Anwesenheit des Anerkennenden und der zustimmenden Mutter ist nicht nur während des behördlichen Verfahrens, sondern auch während einer sich anschließenden gerichtlichen Überprüfung einer ablehnenden Entscheidung erforderlich.

2. Zu § 84 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 AufenthG-E
Gemäß § 84 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 AufenthG-E entfalten Widerspruch und Klage gegen die Rücknahme einer Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung nach § 85c Abs. 2 bis 4 AufenthG-E keine aufschiebende Wirkung. Die Begründung des Gesetzentwurfs führt aus, dies sei notwendig, um eine Heilung der unrichtigen Anerkennung nach § 1598 Abs. 2 BGB-E zu verhindern.5 So wird in § 1598 Abs. 2 S. 2 und 3 BGB-E geregelt, dass die fünfjährige Heilungsfrist des § 1598 Abs. 2 S. 1 BGB-E gehemmt wird, wenn die Zustimmung der Ausländerbehörde nach § 85c AufenthG-E zurückgenommen und die Eintragung der Vaterschaftsanerkennung in einem deutschen Personenstandsregister dadurch unrichtig wird. Die Hemmung gilt nicht, solange die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen die Rücknahme der Zustimmung nach § 80 Abs. 5 VwGO angeordnet ist.
Die beiden Kirchen regen an, für Rechtsbehelfe gegen eine Rücknahme der Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung nach § 85c Abs. 2 bis 4 AufenthG-E die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Gesetz vorzusehen. Die in der Begründung des Referentenentwurfs vor-genommene Unterscheidung danach, ob die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt und festgestellt wird, wird unseres Erachtens der Schutzbedürftigkeit der betroffenen Kinder nicht gerecht. Es scheint uns nicht sachgerecht zu sein, den Ver-lust der deutschen Staatsangehörigkeit oder eines Aufenthaltstitels und damit die Möglichkeit einer Abschiebung vor Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens zu ermöglichen. 
Selbst wenn das Gesetz eine aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe in diesen Fällen an-ordnet, könnte eine Hemmung der Heilungsfrist nach § 1598 Abs. 2 S. 2 BGB-E, wie vorgesehen, gelten. Aufgrund der Hemmung der Heilungsfrist für den Fall eines Rechtsbehelfs gegen eine Rücknahme der Zustimmung nach § 85c Abs. 2 bis 4 AufenthG-E könnte, wie in dem Entwurf beabsichtigt, eine Heilung durch Zeitablauf während eines laufenden Verfahrens nicht eintreten. 

3. Zu § 85a AufenthG-E
Die beiden Kirchen begrüßen, dass die Zustimmung der Ausländerbehörde zur Anerkennung der Vaterschaft gemäß § 85a Abs. 1 S. 3 AufenthG-E nicht erforderlich ist, wenn der Anerkennende der leibliche Vater des Kindes ist, und dass nach § 85a Abs. 2 AufenthG-E die Ausländerbehörde ohne weitere Prüfung feststellen soll, dass ihre Zustimmung nicht erforderlich ist, wenn die Antragstellenden das Ergebnis einer genetischen Abstammungsuntersuchung im Sinne des § 17 GenDG vorweisen können, der die leibliche Vaterschaft des Anerkennenden nachweist. Zudem ist zu begrüßen, dass die Standesämter gemäß § 34a Abs. 1 S. 2 PStV-E keine Vorlage der Zustimmung der Ausländerbehörde zur Anerkennung der Vaterschaft ver-langen, wenn ein Ergebnis einer genetischen
Abstammungsuntersuchung nach § 17 GenDG vorgelegt wird, das die leibliche Vaterschaft des Anerkennenden nachweist. Die beiden Kirchen regen jedoch an, in diesen Fällen eine Kostenübernahme für den Gentest vorzusehen. Nur damit kann eine Entlastung der Behörden erreicht und sichergestellt werden, dass jeder Antragsteller unabhängig von seiner wirtschaftlichen Lage von der Ausnahme Gebrauch machen und in den Genuss eines schnellen Zustimmungs- und Anerkennungsverfahrens kommen kann. Darüber hinaus muss in § 85a Abs. 1 S. 3 AufenthG-E und in § 34a Abs. 1 S. 2 PStV-E klargestellt werden, dass die leibliche Vaterschaft nicht allein durch einen Gentest nachgewiesen werden kann. Die Glaubhaftmachung der leiblichen Vaterschaft durch beide Elternteile muss ausreichen.  
In § 85a Abs. 5 AufenthG-E werden Regelbeispiele für die Vermutung des Nichtvorliegens der Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung festgelegt. Dies soll gemäß § 85a Abs. 5 Nr. 3 AufenthG-E der Fall sein, wenn die Antragsteller belegen können, dass der Anerkennende zum Zeitpunkt des Antrags auf Zustimmung über mindestens sechs Monate regelmäßig Umgang mit dem Kind hatte und nach den Umständen des Einzelfalls zu erwarten ist, dass der Umgang auch in Zukunft beabsichtigt ist. Die Kirchen weisen darauf hin, dass sich die Bereitschaft der Anerkennenden zur Verantwortungsübernahme auch schon vor einem sechsmonatigen regelmäßigen Umgang mit dem Kind zeigen kann. Sie regen deshalb an, in der Gesetzes-begründung darauf hinzuweisen, dass auch eine vorgeburtliche Zustimmung zur Anerkennung der Vaterschaft möglich sein muss, wenn der Anerkennende die werdende Mutter während der Schwangerschaft unterstützt hat, was sich etwa durch die regelmäßige Begleitung zu Arzt-besuchen oder Geburtsvorbereitungskursen zeigen kann. Auch die regelmäßige Hilfe im Haus-halt und bei Erledigungen können hier als Hinweis dienen. Schließlich sollte darauf hingewiesen werden, dass ein regelmäßiger Umgang in Form von Besuchen und Videotelefonie auch dann möglich ist, wenn sich ein Antragsteller im Ausland aufhält und der persönliche Kontakt deshalb kaum realisiert werden kann.  

4. Zu § 85b AufenthG-E:
Aufgrund der weitreichenden Folgen, die für die Betroffenen eintreten können, wenn die Mitwirkungsobliegenheiten nach § 85a Abs. 4 AufenthG-E nicht erfüllt werden, ist in § 85b Abs. 5 AufenthG-E eine Aufklärungspflicht der Ausländerbehörden vorgesehen. Aus Sicht der Kirchen sollte die Aufklärungspflicht so ausgestaltet werden, dass die Aufklärung in einer Sprache erfolgen muss, die die Antragstellenden verstehen. Darüber hinaus sollte deutlich werden, dass die Aufklärungspflicht nicht erfüllt ist, wenn lediglich ein Hinweis auf die Regelung des § 85a Abs. 4 AufenthG gegeben wird. Die Antragstellenden müssen vielmehr darauf hingewiesen werden, welche Dokumente vorgelegt bzw. welche Tatsachen in welcher Art nachgewiesen werden können. In der Gesetzesbegründung könnte darüber hinaus darauf hingewiesen werden, dass die Aufklärung über Art und Umfang der vorzulegenden Nachweise bereits bei Antragstellung erfolgen sollte.

5. Zu § 95 Abs. 2 Nr. 1b AufenthG-E:
Nach § 95 Abs. 2 Nr. 1b AufenthG-E sollen Anerkennende und Mütter mit einer Freiheitstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden, wenn entgegen der Mitwirkungsobliegenheit nach § 85b Abs. 4 S. 1, 1. HS AufenthG-E eine Mitteilung nicht richtig oder nicht voll-ständig gemacht wird, um eine Zustimmung zur Anerkennung einer Vaterschaft nach § 85b Abs. 1 AufenthG-E zu erwirken oder eine so erlangte Urkunde oder Zustimmung wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebrauch wird. Mit Blick darauf, dass unrichtige Angaben, die in anderen behördlichen Verfahren gemacht werden, um einen begünstigenden Verwaltungs-akt zu erwirken, als Ordnungswidrigkeit mit Geldstrafe geahndet werden, weisen die Kirchen erneut darauf hin, dass eine Strafandrohung von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe unverhältnismäßig erscheint.  

6. Zu § 34a Abs. 2 PStV-E
Die Kirchen begrüßen, dass in § 34a Abs. 2 PStV-E ein Verfahren vorgesehen wird, mit dem die Eintragung der Anerkennung der Vaterschaft im Fall einer Zustimmungsfiktion nach § 85b Abs. 2 S. 1 AufenthG sichergestellt wird.  

Berlin, den 21. Mai 2024

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1 Referentenentwurf S. 1.

2 Informationspapier des BMJ zum Referentenentwurf, abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/Dokumente/Infopapier_missbr_Anerkennung_Vaterschaft.pdf?__blob=publicationFile&v=2.

3 Informationspapier des BMJ zum Referentenentwurf, S. 5. 

4 Vgl. auch die grundlegende Kritik in der Gemeinsamen Stellungnahme des Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Bun-desrepublik Deutschland und der Europäischen Union und des Leiters des Kommissariats der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin – zum Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD im 4. Ausschuss (Innenausschuss) des Deutschen Bundestages zu dem Entwurf eines Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht (BT-Drs. 18/11546), abrufbar unter: https://www.kath-buero.de/files/Kath_theme/Stellungnahmen/2017/Stellungnahme%20der%20Kirchen%20zum%20A eAntrag%20GE%20Durchsetzung%20Ausreisepflicht-2017-5-17.pdf

5 Referentenentwurf S. 32, 52 f.

Stellungnahme
des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Katholisches Büro in Berlin
und
der Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesrepublik Deutschland & der Europäischen Union
zum

Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat und des Bundesministeriums der Justiz eines Gesetzes zur besseren Verhinderung missbräuchlicher Anerkennungen der Vaterschaft