Dem Vernehmen nach soll im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung von Datenübermittlungsvorschriften im Ausländer- und Sozialrecht (BT-Drs. 20/9470) eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) auf den Weg gebracht werden, um die bundeseinheitliche Einführung einer Bezahlkarte für Leistungsbezieher des AsylbLG zu ermöglichen. Die Kirchen bezweifeln, dass die für die Einführung der Bezahlkarte angebrachten Gründe stichhaltig sind. So gibt es für die Annahme, dass Asylbewerber Barmittel aus den ihnen zustehenden Sozialleistungen (AsylbLG und Analogleistungen nach § 2 AsylbLG i.V.m. § 10 Abs. 3 SGB XII) zur Zahlung an Schleuser oder Überweisung in ihre Herkunftsländerbenutzen, keinerlei belastbare Daten.
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es sich bei einer Bezahlkarte um ein Bargeldsurrogat handelt, das den Verwaltungsaufwand der Kommunen erheblich reduzieren würde. Durch die Einführung von Bezahlkarten mit der Möglichkeit, Bargeldauszahlungen komplett zu unterbinden, werden die Bezieher von Leistungen nach dem AsylbLG allerdings von vielen wirtschaftlichen und sozialen Angeboten ausgeschlossen.
So wird den Betroffenen die Möglichkeit der Nutzung von Unterstützungsangeboten, wie Kleiderkammern oderden Tafeln, verwehrt. Auch andere Möglichkeiten zur kostengünstigen Deckung des notwendigen Bedarfs sind faktisch ausgeschlossen, beispielsweise wenn Zahlungen über oder auf Online-Plattformen, wie E-Bay oder Vinted, nicht realisierbar sind und der Einkauf auf Flohmärkten unmöglich wird. Diesbezüglich wird den Betroffenen die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Geldverwaltung genommen.
Auch die aktuell diskutierte Beschränkung der Bezahlkarte auf Landes-, Kreis- oder Gemeindeebene würde es den Betroffenen unmöglich machen, Verwandte oder Freunde zu besuchen, die außerhalb des Geltungsbereichs der Bezahlkarte leben.
Darüber hinaus wird Rechtsberatung für die Betroffenen häufig unerreichbar werden, da Anwaltskosten nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten beglichen werden können und Fachanwälte im regional beschränkten Geltungsbereich der Bezahlkarten nicht immer zu finden sind.
Diese Einschränkung stellt für Asylsuchende einen Eingriff in das Grundrecht auf rechtliches Gehör nach Art. 19 Abs. 4 GG dar. Der Verweis der Betroffenen auf die Inanspruchnahme von Beratungs scheinen, die in der Regel lediglich ein einmaliges Beratungsgespräch abdecken, und Prozesskostenhilfe kann die Sicherstellung des rechtlichen Gehörs nicht gewährleisten. Da dasGericht die Erfolgsaussichten des Falls im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe lediglich summarisch prüft, so dass der Vortrag der Kläger innen und Kläger in diesem Stadium des Verfahrens nur eingeschränkt berücksichtigt wird, werden die Chancen, die Ablehnung des Asylantrags durch das BAMF durch ein gerichtliches Urteil zu korrigieren, erheblich verringert.
Die Kirchen weisen deshalb darauf hin, dass auch bei der Einführung einer Bezahlkart e gewährleistet sein muss, dass die dargestelltenEinschränkungen nicht eintreten. Der Gesetzgeber muss hierzu entwedersicherstellen, dass Bezahlkarten tatsächlich überall ein Bargeldsurrogat darstellen oder im AsylbLG verankern, dass die Betroffenenauch mit einer Bezahlkarte Bargeld mindestens in der Höhe des not wendigen persönlichen Bedarfs nach § 3 Abs. 1 S. AsylbLG erhalten.Aus Sicht der Kirchen wäre die Minimierung des Verwaltungsaufwands durch die Nutzung eines Basiskontos effektiver zu erreichen.Dieses verfügt über im Vergleich zu Bezahlkarten verbesserte Funktionen und schränkt die Betroffenen nicht ein. Über §§ 30 und 38 ZKG sollen auch Personen ohne festen Wohnsitz und Asylsuchende ein Bankkonto mit Guthabenfunktion eröffnen können. EinBasiskonto ermöglicht die vollständige Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben.
Durch die Änderung des§ 2 Abs. 2 AsylbLG soll der Anwendungsbereich der Bezahlkarte auch auf die Bezieher von Analogleistungen ausgeweitet werden. Dies widerspricht dem Grundsatz des Vorrangs von Geldleistungen nach§ 10 Abs. 2 SGB XII.Es ist nicht ersichtlich, dass die Ziele der Sozialhilfe durch die Ausgabe von Bezahlkarten an Personen, die unter das Leistungsregime des AsylbLG fallen, erheblich besser oder wirtschaftlicher erreicht werden können. Personen, die Analogieleistungen erhalten, halten sich nicht mehr nur kurzfristig in der Bundesrepublik auf, so dass der grundlegende Bedarf regelmäßig nicht von dem der Regelleistungsbezieher nach SGB XII abweicht. Ziel der Leistungen des SGB XII ist es aber, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht, und dieSelbsthilfekräfte zu stärken. Gemäß § 1 S. 2 SGB XII soll die Leistung die Leistungsberechtigten so weit wie möglich befähigen,unabhängig von ihr zu leben. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Urteil vom 18. Juli 2012 festgestellt, dass Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auch ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, garantiert. Bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums darf nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenziert werden. Eine andere Behandlung gleich schutzbedürftiger Gruppen – hier Personen, die Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. SGB XII beziehen, und Bezieher von Bürgergeld – bei der Ausgestaltung der Nutzungsart und -Möglichkeiten birgt die Gefahr einer unverhältnismäßigen Ungleichbehandlung.
Die Kirchen regen an, in der aktuellen Debatte darüber nachzudenken, die Kommunen durch die Einführung einer digitalen Gesundheitskarte für Bezieher von Leistungen des AsylbLG zu entlasten. Verschiedene Studien legen nahe, dass eine digitale Gesundheitskarte die Kosten für die Gesundheitsversorgung der Betroffenen senkt und den Zugang zu adäquater medizinischerVersorgung sicherstellen kann.