schwangere Frau steht auf einer grünen Wiese draußen und umfasst ihren Bauch
Schwangerschaftsabbruch
Juni 2024

Regelung des Schwangerschaftsabbruchs

I. Bericht der Kommission

Am 31. März 2023 setzte die Bundesregierung eine Kommission „zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ ein, die prüfen sollte, ob und gegebenenfalls wie der Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden kann. Am 15. April 2024 legte die Kommission den Abschlussbericht zu dieser Prüfung vor. 

Im Kapitel 6 dieses Abschlussberichts untersucht die Kommission mögliche Aussagen des Völker- und Europarechts zu einer Regelung des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland. Sie kommt zu demErgebnis, dass weder dem Europarecht (EMRK, Grundrechtecharta) noch dem Völkergewohnheitsrecht hinreichend belastbare Anhaltspunkte für die Existenz einer völker- bzw. menschenrechtlichen Verpflichtung der Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zu entnehmen sind. Jedoch ergebe sich aus dem Völkerrecht ein „menschenrechtlicher Rahmen, der wesentliche Eckpunkte einer nationalen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs markiert“[1]. Hierzu gehört, so die Kommission, ein in Verlautbarungen einiger Vertragsausschüsse zu Menschenrechtsabkommen proklamiertes und auch von der Weltgesundheitsorganisation sowie dem Kommissar für Menschenrechte des Europarats vertretenes „menschenrechtliches Gebot einer vollständigen Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs“[2]. Nach der Kommission lösen dabei die Verlautbarungen der Vertragsausschüsse für den Gesetzgeber und die Judikative eine „hohe Argumentations- und Rechtfertigungslast“[3] aus, wenn sie von dem von Vertragsausschüssen verlautbarten Entkriminalisierungsgebot abweichen und an einer Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs im Strafrecht festhalten wollen. Aufgrund der Völkerrechtsfreundlichkeit des deutschen Grundgesetzes müsse das Bundesverfassungsgericht schließlich die Verlautbarungen der Vertragsausschüsse schonend in das grundrechtliche Verfassungsgefüge einfügen und sich angesichts neuer Rechtserkenntnisse auf global-völkerrechtlicher Ebene und zunehmenden grund- und menschenrechtlich basierten Forderungen nach einer Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs zur grundrechtlichen Erfassung des Schwangerschaftsabbruchs neu äußern[4].

II. Kritik

1. Zunächst ist festzustellen, dass das in der Forderung nach einer „Entkriminalisierung“ von Schwangerschaftsabbrüchen enthaltene Framing einer in Deutschland vorgenommenen „Kriminalisierung“ von Schwangerschaftsabbrüchen der spezifischen Rechtslage in Deutschland, die Frauen und Mädchen auf der Grundlage ihrer letztverantwortlichen Entscheidung ein sicheres Verfahren zur Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs gewährleistet, nicht gerecht wird. Dass auch nach der Beratung vorgenommene Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich als rechtswidrig im Sinne des Strafrechts angesehen werden, dient vielmehr dazu, das Bewusstsein vom verfassungsrechtlichen Rang des Rechtsguts des ungeborenen Lebens, sein Recht auf Leben, wach zu halten und damit auch der einen Schwangerschaftsabbruch erwägenden Frau eine rechtlich-normative Orientierung für den Abwägungsprozess anzubieten. Das geltende Recht in Deutschland trägt diesen generalpräventiven Gesichtspunkten Rechnung, die aber keine Kriminalisierung des individuellen beratenen Schwangerschaftsabbruchs beinhaltet. 

2. Eine Verpflichtung zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts ist weder dem Europarecht noch den anerkannten Rechtsquellen des Völkerrechts zu entnehmen. 
Die Kommission selbst kommt in ihrem Bericht zum Ergebnis, dass eine Verpflichtung zur Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafrechts weder dem Europarecht (EMRK, Unionsrecht)[5]noch dem Völkergewohnheitsrecht entnommen werden kann[6]. Dem ist zuzustimmen. 
Auch dem Völkervertragsrecht, insbesondere dem Internationalen Pakt für Bürgerliche und Politische Rechte [im Folgenden: IPBPR], der Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau [im Folgenden: CEDAW] und der Konvention zur Beseitigung von jeder Form von Rassismus [Im Folgenden: CERD] ist eine völkerrechtliche Verpflichtung zur außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen nicht zu entnehmen. Vor allem wird eine solche auch nicht durch Verlautbarungen ihrer Vertragsausschüsse, durch Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation [im Folgenden: WHO] oder des Kommissars für Menschenrechte des Europarats begründet. Obwohl die Kommission hier zuweilen unsauber formuliert, geht auch sie wohl nicht von einer, sich aus den Äußerungen dieser Akteure ergebenden völkerrechtlichen Verpflichtung aus, dass Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafrechts geregelt werden müssten.

a. Die Abortion Care Guideline der WHO aus dem Jahr 2002, die eine umfassende Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs empfiehlt, ist für sich genommen, wie es die Kommission korrekt zuordnet[7], völkerrechtlich unverbindliches sog. Soft Law. Ebenso zurecht als völkerrechtlich unverbindlich stuft die Kommission[8] die vom Kommissar für Menschenrechte des Europarats an die Mitgliedstaaten des Europarates gerichtete Empfehlung zur Entkriminalisierung ein. Jedenfalls lässt sich aus keiner dieser Äußerungen eine völker- oder europarechtliche Verpflichtung entnehmen.

b. Eine solche Verpflichtung ergibt sich auch nicht aus dem IPBPR, der CEDAW oder der CERD. Anders als die Empfehlungen der WHO oder des Menschenrechtskommissars des Europarats sind diese Menschenrechtsabkommen als Völkerrechtsverträge gemäß Art. 38 Absatz 1 Nr. 1 lit. a) IGH-Statut anerkannte Rechtsquellen verbindlichen Völkerrechts. Dem Wortlaut des IPBPR, der CEDAW und der CERD ist eine Verpflichtung, Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafrechts zu regeln, aber nicht zu entnehmen. Gleichwohl haben der Vertragsausschuss des IPBPR [im Folgenden: UN-Menschenrechtsausschuss] und die Vertragsausschüsse der CEDAW und der CERD die in diesen Abkommen kodifizierten Menschenrechte in den letzten Jahren so ausgelegt, dass sie eine solche Verpflichtung enthalten. Die Rechtsnatur und Rechtswirkungen der Verlautbarungen von Vertragsausschüssen sind allerdings umstritten.

aa. Vertragsausschüsse werden von den Menschenrechtsabkommen, auf denen sie fußen, dafür eingesetzt, die von den Vertragsstaaten in einem bestimmten Turnus vorzulegenden Berichte über die zur Umsetzung oder Durchführung des betreffenden Abkommens implementierten Maßnahmen zu überprüfen. Besetzt werden der UN-Menschenrechtsausschuss und der CERD-Vertragsausschuss mit jeweils 18, der CEDAW-Vertragsausschuss mit 23 unabhängigen Persönlichkeiten und Experten aus einigen, aber nicht allen Vertragsstaaten, die von den Vertragsstaaten gewählt, ad personam berufen und in persönlicher Eigenschaft, also nicht als Vertreter bestimmter Vertragsstaaten, tätig werden. Vertragsausschüsse erarbeiten zu den ihnen vorgelegten Beschwerden und Berichten Views und Concluding Observations und erstellen ggf. auch General Comments, also allgemeine Empfehlungen [im Folgenden insgesamt: Verlautbarungen]. Insbesondere in letzteren äußern sie auch ihre Auffassungen zu generellen Fragen der Auslegung der ihnen zugrundeliegenden Menschenrechtsabkommen. Dabei betrachten und bewerten Vertragsausschüsse allerdings eine Situation einseitig aus der Perspektive der in ihren Abkommen kodifizierten Menschenrechte. An anderer Stelle geregelte Menschen- oder Grundrechte anderer Rechtsträger oder gar eine Kollision unterschiedlicher Menschen- und Grundrechte, wie sie für die Situation des Schwangerschaftsabbruchs kennzeichnend ist, liegen schlicht außerhalb des Blickfelds, das ihnen völkervertraglich vorgegeben ist.

bb. Mit Blick auf die Rechtsnatur und Rechtswirkung von Verlautbarungen von Vertragsausschüssen ist man sich in Staatenpraxis und Völkerrechtslehre nur darüber einig, was diese nicht sind: sie sind völkerrechtlich nicht bindend. Auch die Kommission bezeichnete sie zurecht als völkerrechtlich unverbindlich[9]. Im Übrigen sind Rechtsnatur und Rechtswirkungen der Verlautbarungen von Vertragsausschüssen aber umstritten.[10] Jedenfalls nach der herrschenden Völkerrechtslehre, der Staatenpraxis[11] und auch dem Bundesverfassungsgericht[12] besitzen Vertragsausschüsse kein völkerrechtliches Mandat, die ihnen zugrundeliegenden Abkommen bzw. die dort aufgeführten Menschenrechte autoritativ auszulegen. Die Kommission formuliert in ihren Schlussfolgerungen zwar, dass der Gesetzgeber Verlautbarungen von Vertragsausschüssen „als autoritative Auslegungen der UN-Menschenrechtsabkommen“ betrachten „sollte“[13] und distanziert sich insoweit von der Staatenpraxis und der herrschenden Völkerrechtslehre. Nichtsdestoweniger macht sie die herrschende Völkerrechtslehre zum Ausgangspunkt ihrer weiteren eigenen Überlegungen[14]und entwickelt auf dieser Basis dann ihre Argumentationslinie fort.

cc. In dieser Weiterentwicklung scheint dann aber auch immer wieder durch, dass die Kommission den Verlautbarungen von Vertragsausschüssen eigentlich eine größere Autorität beimisst, als dies die Staatenpraxis und die herrschende Völkerrechtslehre tun. Gut nachzeichenbar ist dies anhand der in Teilen unsauberen Wortwahl der Kommission: Die Verlautbarungen der Vertragsausschüsse qualifiziert die Kommission vielfach korrekt als „Auslegungen“[15] oder „seitens der Vertragsausschüsse propagierte Auslegungen“[16], bezeichnet sie dann aber an anderer – zuweilen unmittelbar folgender – Stelle irreführend als „normative Vorgaben“[17], „Vorgaben der UN-Menschenrechtsabkommen“[18] oder „menschenrechtliche Vorgaben“[19]. Der Begriff der „Vorgaben“ impliziert dabei eine (rechtliche) Bindungswirkung der Verlautbarungen von Vertragsausschüssen, die wie bereits dargestellt, gerade nicht gegeben ist. Eine völkerrechtlich autoritative Auslegung des IPBPR, der CEDAW und des CERD könnte im Übrigen höchstens der Internationale Gerichtshof[20] [im Folgenden: IGH] vornehmen. Selbst wenn also Vertragsausschüsse, wie der UN-Menschenrechtsausschuss im General CommentNo. 36[21], der CEDAW-Vertragsausschuss in der General Recommendation No. 34[22] und der CERD-Vertragsausschuss in seinen Concluding Observations aus 2022[23] eine Verpflichtung zur außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen vertreten, stellt dies zunächst einmal nicht mehr als eine Meinung dieser Vertragsausschüsse dar. Eine solche Meinungsäußerung darf nicht mit dem tatsächlichen Bestehen einer sich aus dem IPBPR, der CEDAW oder dem CERD ergebenden völkerrechtlichen Verpflichtung verwechselt werden. Im Ergebnis ist mithin eine sich aus dem IPBPR, der CEDAW oder der CERD ergebende Verpflichtung zur außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen nicht feststellbar. 

c. Im Ergebnis ist damit eine Verpflichtung, Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafrechts zu regeln, weder dem geltenden Europa- noch dem geltenden Völkerrecht zu entnehmen.

3. Entgegen der Auffassung der Kommission obliegt dem deutschen Gesetzgeber und den deutschen Gerichten aufgrund der Verlautbarungen von Vertragsausschüssen auch keine hohe Argumentations- und Rechtfertigungspflicht, wenn sie von den in diesen Verlautbarungen enthaltenen Auffassungen – wie der einer Verpflichtung, Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafrechts zu regeln – abweichen wollen. Zwar mögen sich Gesetzgeber und Gerichte von der öffentlichen Wahrnehmung von Vertragsausschussverlautbarungen politisch unter Rechtfertigungsdruck gesetzt sehen. Dies gilt selbst für den Fall, dass sich aus diesen inhaltlich gar kein Änderungsbedarf für die deutsche Rechtslage ergibt, wie dies auch der Fall ist bei den von der Kommission angeführten Verlautbarungen des UN-Menschenrechtausschusses und der CEDAW- und CERD-Vertragsausschüsse: eine aufmerksame Lektüre dieser Verlautbarungen ergibt, dass sie nach ihrem Sinn und Zweck eine Änderung der im Strafrecht verorteten Regelung des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland gerade nicht nahelegen[24]. Noch weniger existiert eine rechtliche Verpflichtung, nach der Gesetzgeber oder die Gerichte in Deutschland, insbesondere das Bundesverfassungsgericht, sich rechtfertigen müssten, wenn sie in Gesetzgebung oder Rechtsprechung von in Vertragsausschussverlautbarungen geäußerten Auffassungen abweichen.

Wie die Kommission im Übrigen zunächst richtig beschreibt[25], gehen der IGH[26] und die überwiegende Völkerrechtslehre davon aus, dass Meinungen von Vertragsausschüssen ein erhebliches Gewicht bei der Auslegung der Menschenrechtsabkommen, auf denen sie basieren, zukommt. Dies sieht auch das Bundesverfassungsgericht so[27]. Mit ihren Verlautbarungen tragen Vertragsausschüsse zur Identifikation der sich aus ihren Menschenrechtsabkommen ergebenden Menschenrechtsstandards bei. Hieraus schlussfolgern der IGH, die herrschende Völkerrechtslehre und das Bundesverfassungsgericht, dass diese Verlautbarungen bei der Auslegung dieser Menschenrechtsabkommen zu berücksichtigen sind[28]. Die Kommission allerdings geht in der Rechtswirkung, die sie den Verlautbarungen von Vertragsausschüssen beimisst, deutlich weiter: Verlautbarungen von Vertragsausschüssen sollen eine „Darlegungslast“[29] der Vertragsstaaten und, wie es an späterer Stelle des Kommissionsberichts heißt, eine „hohe Argumentations- und Rechtfertigungslast auf der Seite deutscher Staatsorgane“[30] auslösen, wenn diese von den in den Verlautbarungen enthaltenen Auslegungen von Menschenrechtsabkommen abweichen wollen. Aus der von IGH, herrschender Völkerrechtslehre und Bundesverfassungsgericht vertretenen Pflicht zur Berücksichtigung lässt sich eine solche „hohe Argumentations- und Rechtfertigungslast“ nicht ableiten. 

a. Der IGH nimmt in seiner Rechtsprechung zu Menschenrechtsabkommen gerne auf Verlautbarungen von Vertragsausschüssen Bezug[31], zieht sie aber vor allem als Bestätigung[32] seiner eigenen, bereits zuvor entwickelten Rechtsaufassungen heran. Auch aus dem Kommissionsbericht geht aber hervor[33], dass sich der IGH in keiner Weise als dazu verpflichtet ansieht, seine eigene Auslegung an der Auslegung von einem Vertragsausschuss auszurichten[34]. Die Kommission erwähnt nicht, dass der IGH sich zuweilen auch – wie in der Rechtssache Qatar vs. United Arab Emirates – von den Verlautbarungen von Vertragsausschüssen distanziert und diese sogar aufgrund ihrer mangelhaften völkerrechtlichen Qualität – etwa weil sie die anerkannten Völkerrechtsauslegungsregeln einfach ignorierten – kritisiert[35]. Der IGH berücksichtigt in Verlautbarungen von Vertragsausschüssen enthaltene Auslegungen also nicht aufgrund einer gesteigerten Autorität der Vertragsausschüsse selbst. Vielmehr berücksichtigt er sie auf Grundlage der rechtstechnischen Qualität und argumentativen Überzeugungskraft dieser Auslegung, also auf Basis ihrer völkerrechtlichen Meriten. Ähnlich handhabt auch das Bundesverfassungsgericht Verlautbarungen von Vertragsausschüssen: In Anlehnung an den IGH betont es, dass diese für internationale wie nationale Gerichte unverbindlich sind[36], nationale Gerichte sich mit den Auffassungen von Vertragsausschüssen aber in gutem Glauben argumentativ auseinandersetzen „sollten“[37]. Auf Basis einer solchen Auseinandersetzung hat das Bundesverfassungsgericht selbst auch schon spezifisch an Deutschland gerichteten Empfehlungen von Vertragsausschüssen widersprochen und diese verworfen[38]. Die Kommission fasst diesen Ansatz vom IGH und vom Bundesverfassungsgericht zunächst eigentlich gut zusammen, indem sie von einer Berücksichtigungspflicht spricht, aufgrund derer die Verlautbarungen zur Kenntnis genommen und sich mit ihnen argumentativ auseinanderzusetzen ist[39].

b. Direkt nach dieser Zusammenfassung verdreht die Kommission dann diese Berücksichtigungspflicht zunächst zu einer den staatlichen Organen obliegenden „Darlegungslast im Falle einer Abweichung“[40], die dann einige Seiten später zu einer „hohen Argumentations- und Rechtfertigungslast auf der Seite deutscher Staatsorgane“ wird, wenn diese von den Feststellungen der Vertragsausschüsse abweichen wollen. Damit nimmt die Kommission eine Art Beweislastumkehr vor: Während die Berücksichtigungspflicht vom IGH und vom Bundesverfassungsgericht eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Begründung für die von den Vertragsausschüssen angenommene Verpflichtung zur außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen verlangt, führt die von der Kommission behauptete „hohe Argumentations- und Rechtfertigungslast“ dazu, dass der Gesetzgeber und die Gerichte in Deutschland begründen sollen, auf Basis welcher entgegenstehenden Erwägungen sie der Auffassung der Vertragsausschüsse nicht folgen, d.h. bspw. eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs im Strafrecht beibehalten wollen. Die möglichen rechtlichen Argumentationslinien zur Rechtfertigung einer Abweichung von den Vertragsausschussverlautbarungen arbeitet die Kommission dann in ihrem Bericht[41]gewissermaßen vorsorglich ab. Durch diesen ‚Spin‘ lenkt die Kommission vom eigentlichen, von IGH und Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Berücksichtigungspflicht vorgegebenen Erfordernis ab, nämlich der Auseinandersetzung mit der völkerrechtlichen und sachlichen Begründung der Vertragsausschüsse für das angebliche Bestehen einer völkerrechtlichen Verpflichtung, Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafrechts zu regeln. Damit führt die Kommission Gesetzgebung und Gerichte auf einen falschen Pfad. Die Verschiebung auf die Ebene der Rechtfertigung führt im Übrigen dazu, dass die in der Verlautbarung geäußerte Meinung als Bezugspunkt der Rechtfertigung gleichsam als zutreffend unterstellt und somit gesetzt erscheint. So erhält die Auffassung eines Vertragsausschusses gewissermaßen nebenbei eine völkerrechtliche Autorität, die ihr nach der Rechtsprechung des IGH und des Bundesverfassungsgerichts gerade nicht zukommt. 

c. In ihrer Erörterung möglicher Rechtfertigungen[42] für eine Abweichung von den Verlautbarungen des UN-Menschenrechtsausschusses und der Vertragsausschüsse der CEDAW und der CERD geht die Kommission dementsprechend auch nicht darauf ein, ob die Auslegung der Vertragsausschüsse völkerrechtlich fundiert ist oder sachlich überzeugt. Stattdessen behauptet die Kommission im Rahmen ihrer Prüfung potenzieller Rechtfertigungsgründe sogar eine aus sich selbst heraus gesteigerte völkerrechtliche Autorität der Auffassung der Vertragsausschüsse, da der General Comment No. 36 des UN-Menschenrechtsausschusses in einem partizipatorischen Prozess entstanden sei, von zwei weiteren Vertragsausschüssen bestätigt und überhaupt in der Praxis zahlreicher Staaten ein „Entkriminalisierungstrend“ zu beobachten sei[43]. Jedoch begründen weder der partizipatorische Entstehungsprozess eines General Comment, noch die Auffassungen von mehreren bzw. drei Vertragsausschüssen, noch ein angeblicher „Entkriminalisierungstrend“ die völkerrechtliche Qualität und sachliche Solidität der Annahme einer sich aus Menschenrechtsabkommen ergebenden Verpflichtung zur außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen. Auf diese kommt es aber an, da Vertragsausschüsse, so formuliert es das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung[44], gerade nicht über die Kompetenz zur Fortentwicklung internationaler Abkommen über Vereinbarungen und die Praxis der Vertragsstaaten hinaus verfügen. 
Sofern die Kommission mit dem von ihr ausgemachten „Entkriminalisierungstrend“ eine solche Staatenpraxis belegen will, so ist dieser Hinweis einseitig: Tatsächlich sind nach Angaben der WHO in der Staatenpraxis Schwangerschaftsabbrüche immer noch weitverbreitet im Strafrecht geregelt und die „meisten Staaten“ sehen den Schwangerschaftsabbruch als strafrechtlich relevantes Vergehen an[45]. Die Staatenpraxis bei der Regulierung von Schwangerschaftsabbrüchen erscheint im Übrigen deutlich zu heterogen, um ihr einen „Trend“ hinsichtlich einer außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen zu entnehmen.

d. Eine besondere Argumentations- und Rechtfertigungspflicht, die den deutschen Staatsorganen nach Auffassung der Kommission im Fall der Abweichung von der vom UN-Menschenrechtsausschuss und den Vertragsausschüssen der CEDAW und der CERD verlautbarten Verpflichtung, Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafrechts zu regeln, obliegen soll, existiert somit schlicht nicht und lenkt zudem von dem eigentlichen, von IGH und Bundesverfassungsgericht vertretenen Erfordernis einer Auseinandersetzung mit der völkerrechtlichen und sachlichen Qualität der Auffassungen der Vertragsausschüsse ab. 

4. Entgegen der Auffassung der Kommission führt die Völkerrechtsfreundlichkeit des deutschen Grundgesetzes nicht dazu, dass das Bundesverfassungsgericht sich zur grundrechtlichen Erfassung von Schwangerschaftsabbrüchen neu äußern oder seine bisherige Rechtsprechung modifizieren müsste. Zwar trifft es selbstverständlich zu, wenn die Kommission in ihren Schlussfolgerungen schreibt, dass das Bundesverfassungsgericht – wie im Übrigen natürlich alle Gerichte und der Gesetzgeber – die völker- und europarechtlichen Vorgaben des Menschenrechtsschutzes innerhalb der Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes maßgeblich zu berücksichtigen hat[46]. Jedoch führen die von der Kommission dargestellten[47] Bestimmungen, die die deutsche Verfassungsordnung für das Völker- und Europarecht öffnen, gerade nicht dazu, dass der deutsche Gesetzgeber oder die Gerichte dazu verpflichtet wären, den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafrechts zu regeln. Dies liegt schlicht daran, dass es keine verbindliche völker- oder europarechtliche Verpflichtung zur außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen gibt, die über die von der Kommission aufgeführten Bestimmungen in die deutsche Rechtsordnung einfließen könnte. 

a. Artikel 25 GG inkorporiert die allgemeinen Regeln des Völkerrechts in das Bundesrecht. Wie oben dargestellt geht aber selbst die Kommission nicht von einer sich aus Völkergewohnheitsrecht ergebenden Verpflichtung aus, dass Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafrechts zu regeln sind. 

b. Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 GG bestimmt, dass Völkerrechtsverträge über ein Bundesgesetz in deutsches Recht hineintransformiert werden. Zwar wurden der IPBPR, die CEDAW und die CERD von Deutschland in den Jahren 1973, 1985 und 1989 ratifiziert und sind somit Teil des deutschen Bundesrechts. Jedoch kann aus diesen Menschenrechtsabkommen, wie oben beschrieben, eine Verpflichtung zur außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen nicht abgeleitet werden. Die Verlautbarungen des UN-Menschenrechtsausschusses und der Vertragsausschüsse der CEDAW und der CERD hierzu sind, wie ebenfalls bereits dargestellt, weder völkerrechtlich verbindlich noch autoritativ. Daher sind weder der Gesetzgeber noch die Gerichte an deren Auffassungen gebunden. 

c. Auch Artikel 1 Absatz 2 GG, der eine menschenrechtskonforme Auslegung der deutschen Rechtsordnung und letztlich eine interpretatorische Konvergenz von Grund- und Menschenrechten ermöglicht, läuft leer. Denn auch dieser völkerrechtsfreundliche Mechanismus setzt voraus, dass ein Menschenrecht oder eine Verpflichtung zur außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen im Völkerrecht überhaupt besteht.

d. Im Ergebnis führt die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes schlicht mangels neuen Völkerrechts nicht dazu, dass das Bundesverfassungsgericht sich zur grundrechtlichen Erfassung der Situation des Schwangerschaftsabbruchs neu äußern oder seine bisherige Rechtsprechung modifizieren müsste. 

e. Anders als die Kommission dies behauptet, hat das Bundesverfassungsgericht auch nicht „die Feststellungen der Vertragsausschüsse schonend in das grundrechtliche Verfassungsverfüge einzufügen“[48]. Denn die deutschen Gerichte inklusive des Bundesverfassungsgerichts sind nach dessen ständiger Rechtsprechung, wie bereits dargelegt, bei der Auslegung von ins deutsche Recht transformierten Menschenrechtsabkommen nicht an die von Vertragsausschüssen verlautbarten Meinungen gebunden. Sie sind lediglich dazu angehalten, sich bei ihrer eigenen Auslegung mit diesen inhaltlich auseinanderzusetzen. 

5. Im Rahmen der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Verlautbarungen von Vertragsausschüssen setzt sich insbesondere der IGH mit den völkerrechtlichen Meriten der von den Vertragsausschüssen verlautbarten Auffassungen auseinander. Die Auseinandersetzung mit der völkerrechtlichen Fundierung der Verlautbarungen des UN-Menschenrechtsausschusses und der Vertragsausschüsse der CEDAW und der CERD ergibt, dass diese ihre Auslegungen gar nicht nach den völkerrechtlich anerkannten Auslegungsregeln zur Ermittlung des Willens der Vertragsparteien hergeleitet haben. 

a. Völkervertragsrecht entsteht durch eine Willenseinigung der Vertragsstaaten. Zur Ermittlung der vertraglichen Inhalte, insbesondere der von den Vertragsstaaten eingegangenen Verpflichtungen, ist daher die Feststellung des Willens der Vertragsparteien entscheidend. Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge folgt besonderen Regeln, die gewohnheitsrechtlicher Natur und heute in Artikel 31 f. der Wiener Vertragsrechtskonvention [im Folgenden: WVK] kodifiziert sind. Diese Artikel der WVK stellen Auslegungsmaximen nicht nur zusammen, sie bringen sie auch in eine gewisse Rangordnung[49]. Nach Artikel 31 Absatz 1 WVK ist bei der Auslegung von Völkerrechtsverträgen primär vom Wortlaut eines Vertrags, „der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung“, auszugehen, der die Willenseinigung der Parteien fixiert. Der „Zusammenhang“ ergibt sich dabei nach Artikel 31 Absatz 2 WVK außer durch den Vertragstext einschließlich der Präambel und der Anlagen u.a. auch durch von allen Vertragspartnern anlässlich des Vertragsabschlusses getroffenen Vereinbarungen. Auch spätere Übereinkünfte oder Übungen der Vertragsparteien können gemäß Artikel 31 Absatz 3 WVK für die Ermittlung des Willens der Vertragsparteien herangezogen werden. Ergänzend können dann nach Artikel 32 WVK auch die einen Völkerrechtsvertrag vorbereitenden Arbeiten, die sog. Travaux Préparatoires zur Klärung des Inhalts einer völkerrechtlichen Vereinbarung beitragen. Insgesamt ist der Vertrag nach Treu und Glauben und im Lichte von Ziel und Zweck des Vertrages auszulegen.

b. Weder der UN-Menschenrechtsausschuss noch die Vertragsausschüsse der CEDAW und der CERD haben allerdings bei der Auslegung der Menschenrechte, aus denen sie eine Verpflichtung zu einer außerstaatlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen ableiten, diesen Willen der Vertragsstaaten untersucht: Weder wird der Wortlaut der jeweils als einschlägig angesehenen Menschenrechte ausgelegt, noch wird auf Übereinkünfte oder Erklärungen, die sich auf den Vertrag beziehen, auf eine spätere Übung oder die Travaux Préparatoires Bezug genommen. Die Vertragsausschüsse, so scheint es, haben nicht einmal versucht, den Willen der Vertragsparteien bei Abschluss des IBPBR, der CEDAW und der CERD zu ergründen. Tatsächlich spricht auch viel dafür, dass die Vertragsstaaten bei Abschluss dieser Menschenrechtsabkommen und auch noch viele Jahre danach nicht davon ausgegangen sind, dass sie eine Verpflichtung zur außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen enthalten. So wurde bspw. bei der Entstehung des IPBPR über die Enge der Ausnahmen zu einem Verbot des Schwangerschaftsabbruchs, das dem Recht auf Leben zugeordnet wurde, diskutiert, das Verbot selbst aber nicht in Zweifel gezogen.[50]Auch den Materialien zur Entstehung der CEDAW und der CERD kann nicht entnommen werden, dass diese nach dem Willen der Vertragsparteien eine Verpflichtung zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen enthalten sollte. Dass es in den 1990er Jahren noch fernliegend war, dem IPBPR, der CEDAW oder der CERD eine solche Entkriminalisierungsverpflichtung zu entnehmen, wird durch den Umstand belegt, dass das Bundesverfassungsgericht diese Menschenrechtsabkommen in seinem Urteil Schwangerschaftsabbruch II[51] von 1993 mit keinem Wort erwähnt, obwohl diese zu diesem Zeitpunkt bereits ratifiziert und geltendes Bundesrecht waren. 

c. Im Ergebnis kommt also keiner der drei Vertragsausschüsse durch eine, den völkerrechtlich anerkannten Regeln entsprechende Auslegung des Willens der Vertragsstaaten zum Ergebnis, dass das ihm zugrundeliegende Menschenrechtsabkommen eine Verpflichtung enthält, Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafrechts zu regeln. Vielmehr setzen sie sich mit ihrer Auslegung in Widerspruch zum nachweisbaren ursprünglichen Willen der Vertragsparteien. Somit fehlt es der Argumentation der Vertragsausschüsse an jeglicher völkerrechtlich belastbaren Begründung. Allein deswegen könnte man sich wie der IGH in der o.g. Rechtssache Qatar vs. United Arab Emirates auf den Standpunkt stellen, dass derart völkerrechtlich unfundierte Verlautbarungen von Vertragsausschüssen ignoriert (und auch kritisiert) werden sollten. 

d. Gleichwohl liegt auf der Hand, dass Völkerrechtsverträge, die in den 1970er und 1980er Jahren geschlossen wurden, Jahrzehnte später nicht allein die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegebenen Vorstellungen der Vertragsparteien widerspiegeln können. Auch Menschenrechtsstandards entwickeln sich weiter und das ist auch grundsätzlich zu begrüßen. Insofern ist eine gewisse Dynamik in der Auslegung von Völkerrechtsverträgen, insbesondere von Menschenrechtsabkommen, sinnvoll. Gleichwohl geht eine solche dynamische Auslegung jedenfalls dann zu weit, wenn sie die bereits erwähnte, vom Bundesverfassungsgericht gezogene Grenze überschreitet: Vertragsausschüsse verfügen nicht über die Kompetenz zur Fortentwicklung internationaler Abkommen über Vereinbarungen und die Praxis der Vertragsstaaten hinaus[52]. Aufgrund der beschriebenen heterogenen Staatenpraxis und mangels weiterer Vereinbarungen zwischen den Vertragsstaaten spricht viel dafür, dass der UN-Menschenrechtsausschuss und die CEDAW- und CERD-Vertragsausschüsse mit ihren Verlautbarungen zu einer Verpflichtung zur außerstrafrechtlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs eine solche Fortentwicklung der ihnen zugrundeliegenden Menschenrechtsabkommen betrieben haben. Gut dokumentiert ist die Überschreitung dieser Grenze zur Vertragsfortentwicklung durch die Verlautbarungen des CEDAW-Vertragsausschusses: Dieser hat bereits mehr als die Hälfte der 189 CEDAW-Vertragsstaaten zu einer „Legalisierung“ des Schwangerschaftsabbruchs in bestimmten Fällen (Vergewaltigung, Inzest, schwere Schädigung des Fötus, Gefahr für Leben oder Gesundheit der Mutter) und einer „Dekriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen“ in allen übrigen Fällen aufgefordert[53]. Wenn ein Vertragsausschuss mehr als die Hälfte der Vertragsstaaten zu Rechtsänderungen auffordern muss, hat er sich mit seiner Auffassung weit von der Staatenpraxis entfernt und bewegt sich außerhalb des Verständnisses der Mehrheit der Vertragsstaaten von den in dem Vertrag kodifizierten Verpflichtungen. Die Grenze zur Fortentwicklung eines Völkerrechtsvertrags ist klar überschritten. Im Ergebnis stellt die von den Vertragsausschüssen verlautbarte Auffassung, dass sich aus ihren Menschenrechtsabkommen eine Verpflichtung zur außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen ergibt, daher nicht mehr als eine Behauptung dar. Im Ergebnis fehlt es den Verlautbarungen der Vertragsausschüsse an einer völkerrechtlich belastbaren Begründung. 

6. Das Bundesverfassungsgericht setzt sich ihm Rahmen der Berücksichtigung von Vertragsausschussverlautbarungen bei der Auslegung von Menschenrechtsabkommen auch auf der Sachebene mit diesen auseinander. Dabei prüft es insbesondere die den verlautbarten Auffassungen zugrundeliegenden Annahmen und deren Aussagekraft für die Situation in Deutschland[54]. Die Auseinandersetzung mit den Verlautbarungen des UN-Menschenrechtsausschusses und der Vertragsausschüsse der CEDAW und der CERD auf dieser Sachebene ergibt, dass die Annahmen, auf denen ihre Forderung nach einer außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen basieren, in Deutschland nicht gegeben sind.

a. Der UN-Menschenrechtsausschuss entnimmt die Verpflichtung der Vertragsstaaten zur außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen dem in Artikel 6 IPBPR kodifizierten Recht auf Leben. Dabei geht er laut Kommission „von einer Kausalitätskette dahingehend aus, dass eine Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruches regelmäßig Schwangere zu unsicheren Schwangerschaftsabbrüchen treibt, die potentiell lebensgefährlich sind“[55]. Diese Darstellung der Kommission ist nicht ganz akkurat: Nach dem UN-Menschenrechtsausschuss ist aus Artikel 6 IPBPR eine Verpflichtung zur außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen nicht abzuleiten, weil eine solche zu unsicheren Abtreibungen führt, sondern insoweit als eine strafrechtliche Regelung Frauen und Mädchen dazu zwingt, Rückgriff auf unsichere Abtreibungen zu nehmen. Im General Comment No. 36 zu Artikel 6 IPBPR formuliert[56] der UN-Menschenrechtsausschuss nämlich, dass den Vertragsstaaten eine „Pflicht“ obliege „sicherzustellen, dass Frauen nicht dazu gezwungen sind, auf unsichere Abtreibungen zurückzugreifen“ und dass die Vertragsstaaten „ihr Abtreibungsrecht dementsprechend revidieren sollen“. Nur als Beispiel („For example“) hierfür nennt er dann die strafrechtliche Erfassung von Schwangerschaftsabbrüchen. Noch klarer formuliert der UN-Menschenrechtsausschuss dies in einer seiner von der Kommission zitierten Concluding Observations, wonach der von ihm adressierte Vertragsstaat – Kamerun – sicherzustellen hat, dass „Frauen und Mädchen, die eine Abtreibung vornehmen lassen, und Ärzte, die sich um sie kümmern, nicht strafrechtlich belangt werden sollen“, „inasmuch as“, also „insoweit als“ „die Existenz einer strafrechtlichen Regelung Frauen und Mädchen dazu zwingt, auf unsichere Abtreibungen zurückzugreifen“[57]. Dementsprechend zeigt sich der UN-Menschenrechtsausschuss gegenüber Deutschland in seinen Concluding Observations vom November 2021[58] wohl auch nur „besorgt“ über die Erfassung des Schwangerschaftsabbruchs als Straftatbestand in Deutschland, fordert aber gerade nicht eine diesbezügliche Änderung. Es trifft also nicht zu, dass der UN-Menschenrechtsausschuss, wie es die Kommission schreibt, „per se vor dem Hintergrund des Rechts auf Leben aus Artikel 6 IPBPR“ eine im Strafrecht situierte Regelung des Schwangerschaftsabbruchs „als nicht haltbar“[59] ansieht. Vielmehr sieht der UN-Menschenrechtsausschuss die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs im Strafrecht als Verstoß gegen Artikel 6 IPBPR an, insoweit er Frauen und Mädchen zu unsicheren und daher für sie lebens- und gesundheitsgefährdenden Schwangerschaftsabbrüchen treibt. Dies erscheint auch plausibel, da in das Recht auf Leben nicht durch eine Regelung eingegriffen werden kann, die gar nicht bewirkt, dass Frauen und Mädchen auf unsichere Schwangerschaftsabbrüche zurückgreifen und so in ihrem Recht auf Leben betroffen sind. 
Versteht man allerdings die Auffassung des UN-Menschenrechtsausschusses wie die Kommission als eine sich aus Artikel 6 IPBPR ergebende „absolut“[60] formulierte Verpflichtung der Staaten, Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafrechts zu regeln, so kann eine sich aus Artikel 6 IPBPR ergebende Verpflichtung dennoch nicht weitergehen als dessen Schutzbereich. Berührt eine Regelung diesen Schutzbereich nicht, kann Artikel 6 IPBPR auch keine Verpflichtung zur Abschaffung dieser Regelung enthalten. Dies ist der Fall mit der strafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland, denn diese Regelung führt gerade nicht dazu, dass Frauen und Mädchen auf illegale und ihr Leben oder ihre Gesundheit gefährdende Schwangerschaftsabbrüche zurückgreifen. Nicht einmal die Kommission hat eine solche Behauptung aufgestellt. Es gibt insoweit auch keinerlei tragfähigen Hinweise darauf, dass Frauen und Mädchen in Deutschland aufgrund des § 218 StGB illegale, sie in ihrem Leben oder ihrer Gesundheit gefährdende Schwangerschaftsabbrüche vornehmen lassen. Tatsächlich sind in der polizeilichen Kriminalstatistik (Bund) für das Jahr 2022[61] im gesamten Bundesgebiet nur 90 Verstöße gegen § 218 StGB ausgewiesen, wovon ca. die Hälfte das Versuchsstadium nicht verließen, während im Jahr 2023[62] 44 vollendete Verstöße gegen § 218 StGB erfasst wurden. Bei den versuchten und vollendeten 90 Fällen im Jahr 2022 waren 72 der Tatverdächtige männlich, bei den 44 vollendeten Verstößen im Jahr 2023 waren es 30. Mit Blick auf die mithin verbleibenden 18 Fälle im Jahr 2022 bzw. 14 Fälle im Jahr 2023, in denen die Tatverdächtigen weiblich waren, ist – falls es sich bei diesen überhaupt um die schwangeren Frauen oder Mädchen und nicht bspw. Ärztinnen handelte – nicht bekannt, dass diese durch die illegale Abtreibung in ihrem Leben oder ihrer Gesundheit gefährdet wurden. Insgesamt greifen Frauen oder Mädchen in Deutschland also kaum auf illegale Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland zurück und vor allem gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass sie bei illegalen Schwangerschaftsabbrüchen an ihrem Leben oder ihrer Gesundheit geschädigt oder einer entsprechenden Gefährdung ausgesetzt werden. 
Im Ergebnis sind damit die Gründe, aus denen der UN-Menschenrechtsausschuss eine außerstrafrechtliche Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen fordert und aus Artikel 6 IPBPR ableitet, in Deutschland schlicht nicht gegeben. 

b. Der CEDAW-Vertragsausschuss leitet in seiner General Recommendation No. 34 eine Verpflichtung zur außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen für Frauen auf dem Land u.a. aus Artikel 14 Absatz 2 lit. b i.V.m. Artikel 12 CEDAW[63] ab, also aus dem Recht auf Zugang zu angemessenen Gesundheitsdienstleistungen, inklusive Gesundheitsdiensten zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit, in Verbindung mit der Verpflichtung der CEDAW-Vertragsstaaten zur Beseitigung jeglicher Diskriminierung der Frau im Gesundheitswesen. Mit Blick auf die in dieser General Recommendation im Fokus stehenden Frauen auf dem Land argumentiert der CEDAW-Vertragsausschuss, dass auf dem Land aufgrund von Armut, dem Fehlen von Informationen, der beschränkten Verfügbarkeit und beschränktem Zugang zu Dienstleistungen zur Familienplanung ein höherer unerfüllter Bedarf für solche Dienstleistungen bestehe als in der Stadt, weswegen Frauen auf dem Land eher als Frauen in der Stadt zu unsicheren, ihr Leben oder ihre Gesundheit gefährdenden Schwangerschaftsabbrüchen zurückgriffen[64].
Diese Annahmen des CEDAW-Vertragsausschusses treffen jedenfalls auf die Situation in Deutschland nicht zu. Wie bereits dargestellt, gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass Frauen und Mädchen in Deutschland in der geltenden, durch § 218 StGB geprägten Rechtslage auf unsichere, ihr Leben oder ihre Gesundheit gefährdende Schwangerschaftsabbrüche zurückgreifen. Dies gilt auch für Frauen und Mädchen auf dem Land. Tatsächlich brechen laut der polizeilichen Kriminalstatistik (Bund) von 2022[65] und 2023[66] Frauen auf dem Land, aus Orten unter 20.000 Einwohnern, deutlich seltener ihre Schwangerschaften unter Verstoß gegen § 218 StGB ab als Frauen in Städten mit über 500.000 Einwohnern. Den offiziellen Statistiken[67] ist im Übrigen zu entnehmen, dass die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 2022 bei 12,3% und im Jahr 2023 bei 13,3% lag, in Deutschland also jedes neunte bis zehnte Kind abgetrieben wird. Angesichts dieser Abtreibungsraten dürfte es auch im Übrigen schwierig sein zu argumentieren, dass der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland – ob für Frauen auf dem Land oder für Frauen in der Stadt – nicht gewährleistet ist bzw. dass § 218 StGB ein signifikantes Hindernis für Schwangerschaftsabbrüche darstellt. 

c. In seiner General Recommendation No. 35 qualifiziert der CEDAW-Vertragsausschuss die strafrechtliche Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen darüber hinaus als Verletzung der sexuellen und reproduktiven Rechte und somit geschlechtsbasierte Gewalt, die unter bestimmten Umständen auch Folter oder eine grausame, unmenschliche und degradierende Behandlung darstellen kann[68]. Der vom CEDAW-Vertragsausschuss an dieser Stelle verwendete Begriff der „sexuellen und reproduktiven Rechte“ ist wie der des ‚Rechts auf sexuelle und reproduktive Gesundheit‘ mit Blick auf seinen genauen Inhalt (völker-)rechtlich umstritten. Politisch wird unter diesem Begriff meist um die Frage eines angeblichen ‚(Menschen)Rechts auf Abtreibung‘ gerungen. Ähnlich wie bei der Frage nach völkerrechtlichen Vorgaben zur Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen im Strafrecht gilt aber auch mit Blick auf ein angebliches ‚Recht auf Abtreibung‘, dass ein solches im verbindlichen Völker- oder Europarecht schlicht nicht besteht: Weder existiert ein solches Recht im Unionsrecht – anderslautende Deklarationen wie die des Europäischen Parlaments sind nicht zuletzt mangels diesbezüglicher Gesetzgebungskompetenz rein politischer Natur. Ein sogenanntes ‚Recht auf Abtreibung‘ ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs auch nicht in der Europäischen Menschenrechtskonvention enthalten. In sonstigem Völkervertragsrecht ist es ebenso wenig aufzufinden. Im Völkergewohnheitsrecht schließlich kann ein solches Recht ebensowenig entstanden sein, da die diesbezügliche Staatenpraxis einmal mehr äußerst heterogen und ein angebliches ‚Recht auf Abtreibung‘ zwischen den Staaten wie innerhalb der Staaten äußerst umstritten ist. Wenn und soweit einzelne Vertragsausschüsse in ihren Verlautbarungen ein solches angebliches Recht als Teil der ‚sexuellen und reproduktiven Rechte‘ bzw. des ‚Rechts auf sexuelle und reproduktive Gesundheit‘ mindestens insinuieren[69], gilt mit Blick auf diese, was bereits zu den Verlautbarungen von Vertragsausschüssen bzgl. der außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen gesagt wurde: diese Verlautbarungen sind völkerrechtlich unverbindlich, nicht autoritativ und lediglich als u. U. die zulässigen Grenzen der Vertragsauslegung überschreitende[70] Meinungsäußerungen zu werten. Darüber hinaus belegt in gewisser Hinsicht sogar die Verwendung der Begriffe ‚sexuelle und reproduktive Rechte‘ oder ‚Recht auf sexuelle und reproduktive Gesundheit‘, dass selbst die Verfechter eines angeblichen ‚Rechts auf Abtreibung‘ offenbar nicht wirklich von dessen völkerrechtlicher Existenz überzeugt sind. Andernfalls müsste dieses angebliche Recht nicht in diffuse Begrifflichkeiten verklausuliert bzw. in diese hineininterpretiert werden.

d. Die Fallgestaltungen bei Schwangerschaftsabbrüchen, die der CEDAW-Vertragsausschuss dann im Übrigen als „Folter oder eine grausame, unmenschliche und degradierende Behandlung“ bezeichnet, sind ausweislich der dazugehörenden Fußnote weit entfernt von der deutschen Rechts- und Faktenlage: Entweder betreffen sie den Zusammenhang zwischen einer strafrechtlichen Erfassung von Schwangerschaftsabbrüchen und der Inanspruchnahme unsicherer, lebensgefährlicher Abtreibungen[71], die in Deutschland, wie dargestellt, nicht gegeben ist; oder sie beziehen sich auf extreme Fallgestaltungen – den Schwangerschaftsabbruch nach einer Vergewaltigung[72] oder den Schwangerschaftsabbruch von nicht lebensfähigen Föten in Jurisdiktionen, die keinerlei Schwangerschaftsabbruch zuließen[73] – in denen der Schwangerschaftsabbruch auch nach deutscher Rechtslage ohne Beratung nicht nur straflos, sondern bereits nicht rechtswidrig ist. Auch diese Gründe, auf denen der CEDAW-Vertragsausschuss seine Forderung nach einer Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen stützt, liegen in Deutschland mithin nicht vor. 
Schließlich forderte der CEDAW-Vertragsausschuss noch im Jahr 2023 im Staatenberichtsverfahren Deutschland dazu auf sicherzustellen, dass „Frauen Zugang zu sicherer Abtreibung in Übereinstimmung mit der Guideline on Abortion Care der WHO haben, die eine vollständige Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen empfiehlt“[74]. Die WHO allerdings argumentiert – ähnlich wie der UN-Menschenrechtsausschuss – von einer Verantwortung der Staaten aus, Frauen und Mädchen effektiv vor den physischen und psychischen Risiken zu schützen, die mit einem aufgrund der strafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen erzwungenen Rückgriff auf unsichere, lebens- und gesundheitsgefährdende Abtreibungen einhergehen[75]. Wie bereits oben festgestellt, greifen diese Annahmen in Deutschland auch unter Geltung einer im Strafrecht verorteten Regelung des Schwangerschaftsabbruchs nicht. Erhellend ist insoweit, dass die WHO die von ihr angenommene Kausalitätskette auf zwischen 2010 und 2019 veröffentlichte Studien stützt, die in Australien, Brasilien, Chile, El Salvador, Äthiopien, Irland, Mexiko, Nordirland, den Philippinen, Ruanda, Senegal, Tansania, Uruguay und Sambia durchgeführt wurden[76]. Sowohl die Situationen in den meisten dieser Staaten, als auch die zwischen 2010 und 2019 in allen diesen Staaten bestehenden Regelungen von Schwangerschaftsabbrüchen weichen so grundlegend von der deutschen Situation und Rechtslage ab, dass sich Rückschlüsse auf oder für Deutschland im Grunde verbieten. Im Ergebnis bestehen also auch die Gründe, die den CEDAW-Vertragsausschuss zu einer Forderung nach einer außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen gelangen lassen, in Deutschland nicht.  

e. Der CERD-Vertragsausschuss schließlich basiert die von ihm vertretene Verpflichtung, Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafrechts zu regeln, wohl auf das in Artikel 5 lit. e) iv) CERD kodifizierte Recht, ohne Unterschied der Rasse, der Hautfarbe, des nationalen Ursprungs oder des Volkstums Zugang zur öffentlichen Gesundheitsvorsorge und zur ärztlichen Betreuung zu haben. In seinen Concluding Observations gegenüber den U.S.A. aus September 2022 befasst sich der CERD-Vertragsausschuss im Schwerpunkt mit der Benachteiligung von Minderheiten zugehörigen Frauen in den U.S.A. beim Zugang zu der ganzen Bandbreite sexueller und reproduktiver Gesundheitsdienstleistungen. Gewissermaßen als Annex empfiehlt er dann aber dem adressierten Vertragsstaat sicherzustellen, dass Frauen, die abtreiben wollen, und Gesundheitsdienstleister, die ihnen dabei helfen, nicht strafrechtlichen Folgen unterworfen werden, wobei der CERD-Vertragsausschuss „in dieser Hinsicht“ auf die WHO Abortion Care Guidelineverweist[77].
Lässt man beiseite, dass die vom CERD-Vertragsausschuss vorgenommene Qualifikation von Schwangerschaftsabbrüchen als eine „normale“ und insbesondere eine „Gesundheits“- Dienstleistung auf erhebliche ethische Bedenken stößt, und geht mit dieser Einordnung des CERD-Vertragsausschusses mit, gibt es jedenfalls erneut keine Hinweise darauf, dass § 218 StGB Frauen mit nicht-deutscher Herkunft im Vergleich zu Frauen mit deutscher Herkunft beim Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen benachteiligt. Die Abtreibungsraten in Deutschland deuten ja ohnehin, wie oben bereits dargelegt, nicht darauf hin, dass § 218 StGB ein signifikantes Hindernis bei Schwangerschaftsabbrüchen darstellt. Mit Blick speziell auf Frauen mit Migrationshintergrund kommt eine Studie des BMFSFJ aus dem Jahr 2010[78] darüber hinaus zum Ergebnis, dass diese häufiger Schwangerschaftsabbrüche vornehmen lassen als Frauen ohne einen solchen Hintergrund: Bezogen auf jeweils 100 Frauen ihrer Herkunftsgruppe haben durchschnittlich 27 Frauen türkischer, 48 Frauen osteuropäischer und 9 Frauen deutscher Herkunft schon einmal eine Abtreibung vornehmen lassen[79]. Darüber hinaus gibt es Indizien dafür, dass bis zu 60-70 % der Frauen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen lassen, lediglich über ein geringes oder gar kein Einkommen verfügt und somit einen Anspruch auf Übernahme der Kosten durch die öffentliche Hand hat[80]. Dies spricht dafür, dass auch Frauen aus sozial schwächeren Bevölkerungsgruppen keine spezifischen Zugangshindernisse bei Schwangerschaftsabbrüchen zu gewärtigen haben. Vielmehr werden diese Frauen sogar finanziell vom Staat unterstützt, wenn sie ihre Schwangerschaften abbrechen lassen wollen. Die vom CERD-Vertragsausschuss mit Blick auf die U.S.A. monierten Benachteiligungen von Minderheiten zugehörigen Frauen beim Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen sind demnach in Deutschland nicht gegeben. Mit Blick auf die Forderung des CERD-Vertragsausschusses zur außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen unter Verweis auf die Empfehlungen der WHO ist schließlich ein weiteres Mal festzustellen, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass in Deutschland Frauen oder Mädchen aufgrund von § 218 StGB auf illegale, für sie lebens- oder gesundheitsgefährdende Schwangerschaftsabbrüche Rückgriff nehmen. Im Übrigen kann auf das zur Abortion Care Guidelineder WHO und zur Verlautbarung des UN-Menschenrechtsausschuss Gesagte verwiesen werden. 
Somit bestehen auch die Gründe, auf die der CERD-Vertragsausschuss seine Forderung nach einer Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafrechts stützt, in Deutschland nicht.

f. Im Ergebnis liegt also keine der Annahmen, die faktische Grundlage für die vom UN-Menschenrechtsausschuss, vom CEDAW- und vom CERD-Vertragsausschuss verlautbarte Forderung nach einer außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen war, in Deutschland vor. Insofern ist auch die sachliche Begründetheit der Verlautbarungen der Vertragsausschüsse unzureichend. Tatsächlich liegt sogar die Schlussfolgerung nahe, dass die konkrete Ausgestaltung der strafrechtlichen Erfassung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland mit dem Sinn und Zweck der Forderungen des UN-Menschenrechtsausschusses, der Vertragsausschüsse der CEDAW und der CERD und der WHO vereinbar ist. 

7. Im Gesamtergebnis ist daher der Einschätzung der Kommission bzgl. völker- oder europarechtlicher Vorgaben für die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland zu widersprechen: solche Vorgaben existieren nicht. Insbesondere lassen sich völker- bzw. menschenrechtliche Vorgaben nicht aus Verlautbarungen von Vertragsausschüssen ableiten. Diese sind völkerrechtlich unverbindlich und stellen keine autoritative Auslegung der ihnen zugrundeliegenden Menschenrechtsabkommen dar. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit den für die Behauptung einer völker- bzw. menschenrechtlichen Verpflichtung zur außerstrafrechtlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen herangezogenen Verlautbarungen von Vertragsausschüssen zeigt darüber hinaus, dass diese Verlautbarungen weder eine völkerrechtlich belastbare Begründung aufweisen, noch sachlich tatsächlich einen Änderungsbedarf für die deutsche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs in §§ 218 f. StGB erkennen lassen. Keine der Annahmen, auf deren Grundlage der UN-Menschenrechtsausschuss und die CEDAW- und CERD-Vertragsausschüsse eine außerstrafrechtliche Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen fordern, trifft auf die in Deutschland geltende (Rechts-)Lage zu. Demzufolge ergeben sich aus den Vertragsausschussverlautbarungen entgegen der im Kommissionsbericht geäußerten Einschätzung für den Gesetzgeber weder Anlass noch Grund, die aktuelle Regelung des Schwangerschaftsabbruchs in §§ 218 f. StGB abzuändern. Ebensowenig kann die Existenz neuen Völkerrechts festgestellt werden, aufgrund dessen sich das Bundesverfassungsgericht im Fall einer Befassung zur geltenden grundrechtlichen Erfassung von Schwangerschaftsabbrüchen neu äußern oder seine Rechtsprechung modifizieren müsste. 

Berlin, 24.06.2024

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[1] Bericht der Kommission zur Reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin [im Folgenden: Kommissionsbericht], unter: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/presse/pressemitteilungen/kommission-zur-reproduktiven-selbstbestimmung-und-fortpflanzungsmedizin-legt-abschlussbericht-vor-238414, S. 279.

[2] Kommissionsbericht, S. 280.

[3] Kommissionsbericht, S. 275.

[4] Kommissionsbericht, S. 279.

[5] Kommissionsbericht, S. 264.

[6] Kommissionsbericht, S. 237 f.

[7] Kommissionsbericht, S. 244.

[8] Kommissionsbericht, S. 255.

[9] Kommissionsbericht, S 228.

[10] Kommissionsbericht, S. 228 ff. 

[11] Kommissionsbericht, S. 229. 

[12] Bundesverfassungsgericht, 2 BvC 62/14, Rz. 65 (BVerfGE 151, 1 ff.); BVerfG 2 BvR 309/15 und 2 BvR 309/16, Rz. 91.

[13] Kommissionsbericht, S. 280. 

[14] Kommissionsbericht, S. 231; dies kommt auch in den Schlussfolgerungen zum Ausdruck, vgl. S. 280, Nr. 6.3.2., erster Spiegelstrich Satz 2 und 3 („Jedenfalls“).

[15] Siehe bspw. Kommissionsbericht, S. 270, 271.

[16] Siehe bspw. Kommissionsbericht, S. 265, 271, 272.

[17] Kommissionsbericht, S. 246. 

[18] Kommissionsbericht, S. 271.

[19] Kommissionsbericht, S. 271.

[20] Artikel 29 CEDAW, Artikel 22 CERD, Artikel 38 Absatz 1 lit. a IGH-Statut-

[21] CCPR/C/GC/36, vom 3. September 2019, Rz. 8.

[22] CEDAW/C/GC/34 vom 7. März 2016, Rz. 39.

[23] CERD/C/USA/CO/10-12 vom 31. September 2022, Rz. 36.

[24] S.u. unter II. 6., S. 11 ff.

[25] Kommissionsbericht, S. 230.

[26] International Court of Justice, Ahmadou Sadio Diallo (Republic of Guinea v. Democratic Republic of the Congo), Merits, Judgment [2010], Para. 66; Kommissionsbericht, S. 230.

[27] Bundesverfassungsgericht, 2 BvC 62/14, Rz. 65.

[28] Kommissionsbericht, S. 231, 270.

[29] Kommissionsbericht, S. 231.

[30] Kommissionsbericht, S. 275.

[31] Vgl. bspw. International Court of Justice, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Advisory Opinion, 2004, Para. 109; International Court of Justice, Ahmadou Sadio Diallo (Republic of Guinea v. Democratic Republic of the Congo), Merits, Judgment [2010], Para. 66; International Court of Justice, Application of the International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination (Qatar v. United Arab Emirates), preliminary objections, Judgment, 2021, Para. 101.

[32] Vgl. bspw. International Court of Justice, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Advisory Opinion, 2004, Para. 109; International Court of Justice, Ahmadou Sadio Diallo (Republic of Guinea v. Democratic Republic of the Congo), Merits, Judgment [2010], Para. 66.

[33] Kommissionsbericht S. 230 f.

[34] International Court of Justice, Ahmadou Sadio Diallo (Republic of Guinea v. Democratic Republic of the Congo), Merits, Judgment [2010], Para. 66.

[35] International Court of Justice, Application of the International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination (Qatar v. United Arab Emirates), preliminary objections, Judgment, 2021, Para. 101.

[36] Bundesverfassungsgericht, 1 BvL 8/15, Rz. 90 mwN.

[37] Bundesverfassungsgericht, 1 BvL 8/15, Rz. 90 mwN.

[38] Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16, Rz. 91.

[39] Kommissionsbericht, S. 270.

[40] Kommissionsbericht, S. 271.

[41] Kommissionsbericht, S. 271 ff. 

[42] Kommissionsbericht, S. 271 ff. 

[43] Kommissionsbericht, S 275.

[44] Bundesverfassungsgericht, 2 BvC 62/14, Rz. 65; 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16, Rz. 91.

[45] WHO Abortion Care Guideline 2022, S. 24, unter: 

https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/349316/9789240039483-eng.pdf?sequence=1&isAllowed=y

[46] Kommissionsbericht, S. 280.

[47] Kommissionsbericht, S. 266 ff.

[48] Kommissionsbericht, S. 281.

[49] Bundestagsdrucksache 10/1004, S. 44.

[50] E/CN.4/SR/35, S. 12 f. 

[51] Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 28. Mai 1993, – 2 BvF 2/90 -, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92.

[52] Bundesverfassungsgericht, 2 BvC 62/14, Rz. 65; 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16, Rz. 91.

[53] Dies ergibt sich aus einer Auswertung der Concluding Observations des CEDAW-Vertragsausschusses der Jahre 2014 bis 2024. 

[54] Vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 24. Juli 2018, 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16, Rz. 92.

[55] Kommissionsbericht, S. 238.

[56] CCPR/C/GC/36, Para. 8.

[57] CCPR/C/CMR/CO/5, Para. 22.

[58] CCPR/C/DEU/CO/7, Para. 18.

[59] Kommissionsbericht, S. 239.

[60] Kommissionsbericht, S.237.

[61] BKA – PKS Tabellen – Thematische Gliederung – PKS 2022 Bund – Falltabellen

[62] BKA – PKS Tabellen – Thematische Gliederung – PKS 2023 Bund – Falltabellen

[63] CEDAW, General Recommendation No. 34, CEDAW/C/GC/34, Rz. 37 ff.

[64] CEDAW, General Recommendation No. 34, CEDAW/C/GC/34, Rz. 38.

[65] BKA – PKS Tabellen – Thematische Gliederung – PKS 2022 Bund – Falltabellen

[66] BKA – PKS Tabellen – Thematische Gliederung – PKS 2023 Bund – Falltabellen

[67] Für die Geburten: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/235/umfrage/anzahl-der-geburten-seit-1993/ ; für die Schwangerschaftsabbrüche: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/232/umfrage/anzahl-der-schwangerschaftsabbrueche-in-deutschland/

[68] CEDAW, General Commendation No. 35, CEDAW/C/GC/35, Rz. 18.

[69] Vgl. bspw. Vertragsausschuss des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, General Comment No. 22, §§ 21, 28, 34.

[70] Vgl. bspw. die Concluding Observations des Vertragsausschusses der UN-Kinderrechtskonvention gegenüber Irland (CRC/C/IRL/CO/3-4, Rz. 58 (a), in denen Irland aufgefordert wird, „den Schwangerschaftsabbruch in allen Umständen zu entkriminalisieren und seine Gesetzgebung zu überarbeiten, um den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen für Kinder zu gewährleisten“, obwohl die UN-Kinderrechtskonvention in ihrer Präambel wörtlich die UN-Erklärung der Rechte des Kindes übernimmt, wonach „das Kind wegen (…) besonderen Schutz und besonderer Fürsorge, einschließlich eines angemessenen rechtlichen Schutzes vor und nach der Geburt bedarf“.  

[71] Report of the Special Rapporteur on torture and other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment (A/HCR/31/57), Rz. 43 ff.

[72] Committee on the Elimination of Discrimination against Women, communication No. 22/2009, L.C. v. Peru, views adopted on 17 October 2011, Rz. 8.18.

[73] UN Human Right Committee, CCPR/C/116/D/2324/2013, Mellet v. Ireland, View vom 31. March 2016, Para. 7.4; CCPR/C/119/D/2425/2014, View vom 17. March 2017.  

[74] CEDAW, CEDAW/C/DEU//CO9, Rz. 46.

[75] WHO Abortion Care Guideline 2022, S. 24.

[76] WHO Abortion Care Guideline 2022, S. 24.

[77] CERD, CERD/C/USA/CO/10-12, S. 9.

[78] Siehe unter: https://shop.bzga.de/pdf/13050500.pdf

[79]https://shop.bzga.de/pdf/13050500.pdf: Bei der Gruppe der osteuropäischen Frauen verringert sich die Häufigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen aber deutlich von der ersten Zuwanderergeneration auf die nächste.

[80]https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/Bundesgesundheitsblatt/Downloads/2023_03_Maeffert.pdf?__blob=publicationFile, S. 313.

Einschätzung
des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Katholisches Büro in Berlin
zu

der von der Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin in ihrem Bericht veröffentlichten Darstellung des völker- und europarechtlichen Rahmens für die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland und Stellungnahme anlässlich der Anhörung der Arbeitsgruppe 1 der Kommission im November 2023