Zustrombegrenzungsgesetz
Januar 2025

Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf des Gesetzes zur Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland (Zustrombegrenzungsgesetz) BT-Drs. 20/12804

I. Allgemeine Anmerkungen

Im Zuge einer aufgeheizten öffentlichen Debatte über die Möglichkeiten der Begrenzung von Fluchtmigration bringt die CDU/CSU-Fraktion einen Gesetzentwurf erneut in den Bundestag ein, der am 6. November 2024 bereits einmal abgelehnt wurde.

Die Begrenzung der Fluchtmigration und die Verstärkungen von Abschiebungen sollen dabei helfen, zukünftig Anschläge, wie sie in den letzten Monaten in Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg begangen wurden, zu verhindern. Hierzu schlägt der Gesetzentwurf vor, die Zielbestimmung der „Begrenzung der Zuwanderung“ wieder in § 1 Abs. 1 AufenthG aufzunehmen, § 36a AufenthG dahingehend zu ändern, dass subsidiär Schutzberechtigten kein Familiennachzug gewährt wird, und in § 71 Abs. 3 AufenthG die Befugnisse der Bundespolizei bei Abschiebungen auszuweiten.

Die beiden großen Kirchen weisen hiermit darauf hin, dass die nun vorgeschlagenen Gesetzesänderungen nach aktuellem Wissensstand keinen der Anschläge verhindert hätten. Die Attentate von Magdeburg am 20. Dezember 2024 und Aschaffenburg am 22. Januar 2025 wurden von offensichtlich psychisch kranken Personen begangen. Die Taten zeigen aus Sicht der Kirchen daher ein Defizit hinsichtlich des Informationsaustausches unterschiedlicher Behörden und einen eklatanten Mangel an adäquater Versorgung psychisch Kranker auf.

II. Im Einzelnen

Zu § 1 Abs. 1 S. 1 AufenthG-E

Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 AufenthG-E soll das Gesetz künftig wieder der „Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland“ dienen. Die beiden Kirchen weisen darauf hin, dass die Wiederaufnahme des Ziels der Begrenzung des Zuzugs im Widerspruch zu einem Großteil der Regelungen des AufenthG stehen könnte, die den Zuzug von Arbeitskräften auf allen Qualifikationsstufen gerade erleichtern sollen.

Zu § 36a AufenthG-E

Gemäß § 36a AufenthG-E wird Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten ab Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr gewährt. Laut Gesetzesbegründung ist dies erforderlich, da „[…] die Integrationskapazitäten in Deutschland auf absehbare Zeit in einem Maße erschöpft [sind], dass der Familiennachzug zu Personen mit subsidiärem Schutz bis auf weiteres zu beenden ist.“

Die Kirchen haben bereits in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass die Familie ein sehr hohes Gut darstellt, das es zu schützen gilt.[1] Familie bietet den Raum, in dem Vertrauen wächst und in dem dauerhafte Verantwortung füreinander übernommen wird.[2] In diesem Zusammenhang haben die Kirchen auch darauf aufmerksam gemacht, dass das tatsächliche Zusammenleben als Familie zu den sozialen Grundbedürfnissen der individuell betroffenen Familienmitglieder zählt. Dies gilt auch und besonders unter den Bedingungen von Flucht und Vertreibung. Darüber hinaus dient der Schutz von Ehe und Familie auch den Interessen der Gesellschaft als Ganzes.[3] Die Integration drittstaatsangehöriger Personen wird erheblich erschwert, wenn sie sich um die Sicherheit und das Wohlergehen ihrer zurückgebliebenen Familienangehörigen sorgen müssen.

Aus Sicht der beiden Kirchen ist es rechtlich unerlässlich, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigen unter erfüllbaren Bedingungen zuzulassen, da Art. 6 Abs. 1 GG auch das tatsächliche Zusammenleben der Familienmitglieder schützt und es sich nicht um ein Deutschengrundrecht handelt.[4] Auch Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben als grundlegenden Bestandteil des Familienlebens. Der unbefristete Ausschluss des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten widerspricht diesen rechtlichen Vorgaben deutlich. Schließlich verletzt die Regelung aus Sicht der Kirchen auch die unionsrechtlichen Vorgaben der Familiennachzugsrichtlinie,[5] die die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung durch Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig im Gebiet der Mitgliedstaaten aufhalten (Art. 1 FamZ-RL), regelt. Sie findet Anwendung, wenn der Zusammenführende, der im Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Aufenthaltstitels mit mindestens einjähriger Gültigkeit ist, begründete Aussicht darauf hat, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erlangen (Art. 3 Abs. 1 FamZ-RL). Auch wenn der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Art. 15 ff. Qualifikations-RL[6] zeitlich nach Inkrafttreten der Familienzusammenführungsrichtlinie eingeführt wurde, macht die Familienzusammenführungsrichtlinie deutlich, dass niemand, dem ein unionsrechtlicher Aufenthaltstitel erteilt wurde, dauerhaft vom Familiennachzug ausgeschlossen werden darf.

Subsidiär schutzberechtigt sind nach § 4 AsylG Personen, denen in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Hierzu zählen die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Dieser Personengruppe ist es ebenso wie anerkannten Flüchtlingen nicht möglich, die Familieneinheit in ihrem Herkunftsland zu leben oder wiederherzustellen. In aller Regel ist dies auch in einem Drittstaat nicht möglich, da hierfür meist ein dauerhafter legaler Aufenthalt der Familienangehörigen erforderlich wäre. Die Regelung des § 36a AufenthG-E schließt einen Familiennachzug auch dann aus, wenn die Voraussetzungen der Lebensunterhalts- und Wohnraumsicherung sowie die sonstigen Voraussetzungen nach §§ 27, 29 Abs. 1 AufenthG erfüllt sind.

Die nun vorgeschlagene Regelung würde für subsidiär Schutzberechtigte somit eine langjährige bis dauerhafte Trennung bedeuten, weil ein Antrag auf Familienzusammenführung häufig erst mit Erlangung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 AufenthG und damit frühestens fünf Jahre nach Zuerkennung des subsidiären Schutzes möglich wäre.

Zu § 71 Abs. 3a AufenthG-E

In § 71 Abs. 3a AufenthG-E wird für die Bundespolizei eine Zuständigkeit für aufenthaltsbeendigende Maßnahmen begründet. Die beiden Kirchen können das Ziel des Gesetzgebers, „[…] zuständigkeitsbedingte Brüche im Bearbeitungsprozess durch Schnittstellenreduzierung [zu vermeiden]“, gut nachvollziehen. Die vorliegende Regelung wirft jedoch die Frage auf, ob sie nicht eher dazu geeignet ist, Verwirrung hinsichtlich der Zuständigkeit und hinsichtlich des Ablaufs des Verfahrens zu schaffen. Denn durch die Zuständigkeitsübertagung auf die Bundespolizei nach § 71 Abs. 3a S. 1 AufenthG-E werden parallele Zuständigkeiten zwischen Bundespolizei und Ausländerbehörden geschaffen. Aus Sicht der Kirchen ist es unklar, welche Behörde in welchem Fall die Federführung übernehmen muss. Diese Frage stellt sich vor allem in komplexen Fällen, bei denen zusätzliche rechtliche oder tatsächliche Aspekte berücksichtigt werden müssen. Zudem ist unklar, ob die Bundespolizei durch die Einbeziehung der Ausländerbehörde, wie sie im § 71 Abs. 3a S. 1 AufenthG-E vorgesehen ist, die rechtliche Prüfung der Ausländerbehörde überlassen muss oder sie diese selbst unter Einbeziehung der Meinung der Ausländerbehörde tätigen muss. Zusätzliche Absprachen zwischen Bundespolizei und Ausländerbehörden können zudem zu längeren Verfahrensabläufen und verzögerten Entscheidungsprozessen führen. Aus Sicht der Kirchen ist darüber hinaus fraglich, ob die Bundespolizei über die nötige personelle Ausstattung verfügt.

Der Gesetzentwurf ist aus Sicht der Kirchen daher nicht geeignet, zur Lösung der anstehenden migrationspolitischen Fragen beizutragen.

Berlin, den 28. Januar 2025


[1] Gemeinsame Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung im Hauptausschuss zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU „Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Geschützten“ (BT-Drs. 19/439) u.a.; Gemeinsame Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung im Innenausschuss zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes (Familiennachzug zu subsidiär Geschützten) (BT-Drs. 18/10044) u.a., Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (BT-Drs. 18/7538).

[2] Siehe beispielsweise Nachsynodales Apostolisches Schreiben AMORIS LAETITIA des Heiligen Vaters Papst Franziskus, 19.3.2016, S. 36, dort unter Verweis auf Päpstlicher Rat für die Familie, Charta der Familienrechte, 22.10.1983, Einführung.

[3] Siehe Erwägungsgrund 4 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.9.2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung, L 251/12.

[4] BVerfGE 62, 323 (330); BVerfGE Beschluss v.12.5.1987, 2 BvR 1226/83, 2 BvR 101/84, 2 BvR 313/84.

[5] Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.9.2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung, L 251/12.

[6] Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, L 337/9.

Stellungnahme
des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Katholisches Büro in Berlin
und
der Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesrepublik Deutschland
und
der Europäischen Union
zur

zum Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland (Zustrombegrenzungsgesetz) BT-Drs. 20/12804