Das Kommissariat der deutschen Bischöfe dankt für die Möglichkeit der Stellungnahme zum Diskussionsentwurf der Rundfunkkommission eines „Staatsvertrags zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Reformstaatsvertrag)“.
Demokratie und freiheitliche Grundordnung sind ein hohes Gut. Ein plurales und freies Mediensystem in Deutschland stützt und pflegt diese Werte. Angesichts der populistischen, destabilisierenden Diskurse der Gegenwart zeigt sich der große Wert von Vielfalt und Freiheit der Medien. Eine wesentliche Rolle spielt in Deutschland diesbezüglich der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Die katholische Kirche unterstützt die Länder darin, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukunftsfähig zu machen, insbesondere mit Blick auf die wachsende Nutzung digitaler Angebote.
I. Zur Ausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der auch in Zukunft mit auskömmlichen Ressourcen seinen wichtigen Auftrag erfüllen kann, ist notwendig. Im vorliegenden Diskussionsentwurf sind keine Änderungen des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags (RFinStV) vorgesehen. Aus Sicht der katholischen Kirche ist allerdings die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) empfohlene Anpassung des Rundfunkbeitrags verfassungskonform umzusetzen. Außerdem ist es ratsam, für die Zukunft ein erneuertes Verfahren zur Beitragsanpassung baldmöglichst zu implementieren.
II. Zum Auftrag – § 26 und § 26a MStV-E
In § 26 Absatz 3 MStV-E soll die „interaktive Kommunikation mit den Nutzern“ und deren Partizipation mit ARD, ZDF und Deutschlandradio gestärkt werden. Diese Entwicklung ist positiv, weil durch diese Form der Zielgruppenorientierung die Akzeptanz für die qualitätsreichen Inhalte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gestärkt wird. Ebenso ist der „Gesellschaftsdialog“ nach § 26a Absatz 2 MStV-E zu begrüßen.
Darüber hinaus wird der Auftrag im Bereich der „Bildungsangebote“ unterstrichen (§ 26 Absatz 4 MStV-E). Partnerschaften mit Kultur- und Bildungseinrichtungen sind sinnvoll. Insbesondere die explizite Betonung der „Förderung von Medienkompetenz“ im Diskussionsentwurf ist aus Sicht der katholischen Kirche sehr plausibel. Medienkompetenz ist aktuell eine entscheidende Kompetenz, um Fake News und Desinformationen zu erkennen. Medienkompetenz-Angebote sollten für alle Altersgruppen erstellt werden.
In § 26 Absatz 5 MStV-E wird betont, die Sportberichterstattung insbesondere auch auf jene Sportarten zu richten, die nicht im kommerziellen Fokus stehen. In der Tat hat das gemeinsame Erleben von Sportereignissen über die Medien einen integrierenden Wert für die Gesellschaft. Sport im Rundfunk kann zudem Lust auf eigene sportliche Aktivitäten machen und zu ehrenamtlichem Engagement in Sportvereinen anregen. Neben den Sportereignissen selbst gehören zur Berichterstattung auch kritische Hintergründe; Berichte von Sportarten, die weniger bekannt sind; Geschichten von Sportlerinnen und Sportlern mit und ohne Behinderungen und Perspektiven auf die Werte, die der Sport vermitteln kann.
Die Rundfunkanstalten werden in § 26a MStV-E aufgefordert, anhand von einer „Leistungsanalyse“ (Absatz 3) bzw. Kennzahlen und Kriterien (Absatz 4) das Angebot zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Dabei müssen aber die qualitativen Merkmale und Standards im Vordergrund stehen und dürfen quantitativen Gesichtspunkten nicht untergeordnet werden. Grundsätzlich können derartige Instrumente, die vielfach auch schon Praxis sind, die Qualität sichern und die Effizienz der Gremienaufsicht fördern.
III. Zum geplanten Medienrat – § 26 b MStV-E
Es ist wichtig, dass die bestehenden Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalten weiterhin allein in der Verantwortung sind und nicht an Beschlüsse eines anderen Gremiums gebunden werden. Die bestehenden Rundfunkräte repräsentieren die gesellschaftliche Breite und damit die Allgemeinheit in Deutschland. Die Rundfunkräte können bereits heute bei Bedarf für ihre Entscheidungen externe Fachexpertise einfließen lassen.
Ein neues Gremium darf daher nicht zu Doppelstrukturen führen. Unklarheiten bezüglich der Zuständigkeiten im Verhältnis zu den bestehenden Gremien sind auszuschließen. Der vorgeschlagene Medienrat kann bestenfalls den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seiner Gesamtheit aus Sicht von Sachverständigen in den Blick nehmen und den Intendantinnen und Intendanten sowie den Aufsichtsgremien von außen Hinweise geben. Er darf aber selbst keine Aufsichtsfunktionen wahrnehmen, die den bestehenden Gremien obliegen.
Aus Sicht der katholischen Kirche kann ein solches Gremium aber nur dann förderlich sein, wenn es staatsfern ist und sich allein sachbezogen für eine konstruktive Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einsetzt. Die vorgeschlagene Berufung von zwei Mitgliedern des sechsköpfigen Gremiums durch die Landesregierungen ist vor diesem Hintergrund nicht plausibel. Bezüglich der Sachkunde der Mitglieder ist darauf zu achten, dass eine breite Fachexpertise im Gremium repräsentiert ist. Neben Expertinnen und Experten aus den Fachgebieten Recht, Medienmanagement etc. sind auch solche aus Soziologie oder Ethik sowie angesichts der Zukunftsherausforderungen eine Digitalexpertise zu berücksichtigen, da die Erfüllung des Auftrags nach § 26 insgesamt zu beurteilen ist. Dies sollte auch im Normtext verankert werden.
IV. Zu Schwerpunktangeboten (Fernsehen) – § 28a MStV-E
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat eine große Vielfalt von Partner- und Digitalkanälen, die grundsätzlich wertvoll sind. Dopplungen und eine unnötige Komplexität des Angebots sind aber zu vermeiden.
Insoweit ist es gut nachvollziehbar, dass in § 28a MStV-E die digitalen Spartenprogramme als Ganzes neugeordnet werden sollen. Diese Neuordnung hat sich am Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auszurichten.
Für die Wahrnehmung des Auftrags spielen die Bereiche Information/Nachrichten/Ereignisberichterstattung, Bildung und Dokumentation eine herausragende Rolle. Eine so deutliche Reduktion von vier auf möglicherweise lediglich ein Angebot bedeutete aber einen erheblichen Verlust an Inhalten in diesen für Demokratie und Meinungsbildung wichtigen Bereichen und erscheint als zu weitgehend. Es bedarf mindestens zwei, wenn nicht drei inhaltlich profilierte Angebote in den genannten Bereichen.
Auch die angesprochene Überführung von Inhalten von 3sat zu arte könnte einen zu hohen Verlust an Kulturinhalten zur Folge haben, insbesondere dann, wenn – wie bisher – kulturelle Inhalte, auch mit europäischer Perspektive, zu wenig Platz im Hauptprogramm haben. Eine stärkere europäische Ausrichtung ist überdies grundsätzlich zu unterstützen, nicht nur im Kulturbereich.
Es wird ausdrücklich befürwortet, dass aufgrund der sehr unterschiedlichen Anforderungen in den jeweiligen Altersgruppen die Eigenständigkeit von KiKA (Angebot für Kinder bis 13 Jahre) und Funk (Angebot für junge Menschen bis 29 Jahre) erhalten bleiben soll. Ein Angebot für jüngere Erwachsene ab 30 Jahren sollte aber auch weiter beauftragt werden. Daneben ist es für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sicher ebenso zentral, jüngeren Erwachsenen ab 30 Jahren auch im Hauptprogramm und in den Mediatheken ihnen entsprechende Inhalte anzubieten.
V. Zu den Hörfunkprogrammen – § 29 MStV-E
Die Erhöhung von Synergieeffekten in den Hörfunkangeboten der ARD ist plausibel. Die geplante Verringerung der beauftragten Anzahl der Hörfunkprogramme wird allerdings eine Reduktion der Regionalität im Programm bewirken.
Die Landesrundfunkanstalten müssen daher in die Lage versetzt werden, auch weiterhin Menschen an das Programm binden zu können. Regionale Medienangebote werden bevorzugt wahrgenommen. Sie lassen Interessengruppen zu Wort kommen und spiegeln das kulturelle und gesellschaftliche Leben vor Ort wider. Dies ist auch ein gesellschaftspolitischer Auftrag, um den Zusammenhalt der Gesellschaft in Deutschland zu stärken.
Da Hörfunk-Programme auch in Zukunft ein ganz wesentliches Angebot bleiben, muss die Umsetzung der Reduktion der Hörfunkprogramme mit besonderem Augenmaß erfolgen. Finanzielle Erwägungen sind diesbezüglich nur ein Baustein; Art und Weise der Reform der Hörfunkangebote in der ARD müssen sich insbesondere an inhaltlichen Kriterien orientieren können, die von den Rundfunkanstalten und ihren Gremien beraten und umgesetzt werden. Die Gesetzgebung sollte diese Spielräume ermöglichen.
VI. Zum Thema Presseähnlichkeit/Telemedienangebote – § 30 Absatz 7 MStV-E
Crossmedialität gehört zum weltweiten Standard von publizistischen Medienunternehmen. Die – noch in eckigen Klammern – vorgeschlagenen Veränderungen zur Vermeidung von Presseähnlichkeit dürfen nicht dazu führen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk an Akzeptanz im digitalen Raum verliert. Die Regelungen dürfen seine notwendige Entwicklung in den digitalen Ausspielwegen nicht einschränken.
Unter anderem die geforderte Herstellung eines Sendungsbezugs für online-Texte benötigt mehr Flexibilität. Zum Beispiel sollte es in der aktuellen Berichterstattung möglich sein, dass in Textform auch über laufende Ereignisse berichtet werden kann, die dann kurze Zeit später in Sendungen thematisiert werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das digitale Nachrichtenangebot der Rundfunkanstalten für Nutzer/innen nicht die notwendige Aktualität aufweist und der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen gesellschaftlichen Auftrag nicht voll erfüllen kann. Auch dass der zeitliche und inhaltliche Bezug zu einer bestimmten Sendung im jeweiligen Portal ausgewiesen werden muss, ist zu eng.
VI. Zum gemeinsamen technischen Plattformsystem – § 30f MStV-E
Die gesetzliche Verankerung eines gemeinsamen technischen Plattformsystems ist zu begrüßen. Eine solche technische Infrastruktur stärkt die Kooperation der Rundfunkanstalten und schafft Synergieeffekte. Die vorgesehenen „offene technische Standards“ und die Gemeinwohlorientierung entsprechen zudem dem Anspruch für ein öffentlich-rechtliches Profil des Angebots, ebenso ist die Kooperation mit anderen Partnern, insbesondere auf der europäischen Ebene, sehr plausibel.
VIII. Zum Thema Einsatz künstlicher Intelligenz – § 31m MStV-E
Positiv ist zu bewerten, dass der Diskussionsentwurf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) thematisiert. In der Medienarbeit ist die Einbeziehung von Systemen, die auf KI zurückgreifen, vielfach Alltag. Dieser Einsatz birgt Chancen und ermöglicht die Weiterentwicklung der Angebote. Bereits heute verändert sich die Redaktionsarbeit durch KI. Der vorgesehene gemeinsame Kodex der Rundfunkanstalten soll Standards festlegen. Das ist begrüßenswert, weil der Einsatz von KI zahlreiche (ethische) Fragen – zum Beispiel zu Fragen einer Kennzeichnungspflicht – aufwirft, auf die Antworten zu suchen sind.
IX. Zum Thema digitale Spiele – Anlage zu § 30 Absatz 5 Satz 1 Nr. 4 MStV-E
Erfreulich ist, dass digitale Spiele und damit das populäre Thema Gaming positiv Eingang in den Diskussionsentwurf gefunden hat. Es ist gut, dass geeignete digitale Spiele zu den Telemedienangeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zählen dürfen. Werte vermittelnde Spiele, zum Beispiel solche die Demokratie und Freiheitsrechte thematisieren, stützen den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sie können außerdem auftragsgemäß der Unterhaltung dienen.
X. Zu den Aufgaben der Gremien – ARD-Staatsvertrag
Die katholische Kirche entsendet Mitglieder in die Gremien von ARD, ZDF und Deutschlandradio, die im Sinne der Allgemeinheit den öffentlich-rechtlichen Rundfunk konstruktiv-kritisch begleiten.
Die angestoßenen Reformen bezüglich der ARD sollen auch zu einer Klärung der Rollen und Verantwortlichkeiten der Gremien bezüglich der Gemeinschaftsangebote der ARD führen. Dies ist zu begrüßen, damit die Aufsicht sachgerecht erfolgen kann.
Kritisch wird allerdings für eine effiziente und qualitätsvolle Gremien-Kontrolle der Plan beurteilt, dass die Aufsicht über das gemeinsame Programm wechselnd an den Rundfunkrat der Anstalt gekoppelt wird, die jeweils die Federführung bzw. die Geschäftsführung wahrnimmt. Dies ist von den Mitgliedern des jeweiligen Rundfunkrats auch nicht zu leisten.
Berlin, den 14. Oktober 2024