Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag

Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag
Mai 2023

I. Allgemeine Anmerkungen

Der Referentenentwurf schafft für Menschen, deren Geschlechtsidentität mit dem Geschlechtseintrag im Personenstandsregister nicht übereinstimmt, neue Regelungen ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen im Register zu ändern. Die Regelungen des Transsexuellengesetzes (TSG), nach denen dies schon bisher für transgeschlechtliche Personen und nicht binäre Personen möglich war, standen, soweit sie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch galten, stark in der Kritik. Wir begrüßen, dass das TSG abgelöst wird und der Referentenentwurf auf die Nöte und Kritik von Menschen, deren Geschlechtsidentität mit dem Geschlechtseintrag im Personenstandsregister nicht übereinstimmt, reagiert. Transgeschlechtliche Personen erleben immer noch soziale Ausgrenzung und Stigmatisierung. Gerade bei jugendlichen transgeschlechtlichen Personen erhöhen Diskriminierung, familiäre Krisen und Schwierigkeiten beim Zugang zu psychosozialer Versorgung das Risiko für einen Suizid. Transgeschlechtliche Menschen müssen daher stärker unterstützt und begleitet werden. Wir wollen uns daran beteiligen und gerade auch religiös motivierten Vorurteilen, Diskriminierung und Hass entgegentreten.

Diese Stellungnahme ist im Zusammenwirken mit verschiedenen katholischen Verbänden wie dem Deutschen Caritasverband e.V., dem Sozialdienst katholischer Frauen Gesamtverein e.V. und dem Familienbund der Katholiken entstanden. Wir möchten hiermit deutlich machen, dass wir die Belange von inter- und transsexuellen Menschen ernst nehmen und dafür Sorge tragen, dass sie in unserer Gesellschaft, in Kirche und Caritas – zum Beispiel als Mitarbeitende, ehrenamtlich Engagierte, Gläubige, Klientinnen und Klienten in jeder Hinsicht als gleichwertig und gleichwürdig wahrgenommen werden. In diesem Sinne hält auch die im November 2022 beschlossene Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse fest, dass Vielfalt in kirchlichen Einrichtungen eine Bereicherung ist.

Der Referentenentwurf beschränkt sich auf die Regelung zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen. Medizinische Anpassungsmaßnahmen werden ausdrücklich ausgenommen. Für sie sollen weiterhin die geltenden rechtlichen und medizinischen Vorgaben gelten. Wir halten das für richtig. Allerdings sollte berücksichtigt werden, dass eine Selbsterklärung die Motivation verstärken kann, weitere, auch medizinische Anpassungsmaßnahmen zu erwirken. Daher ist eine vorschnelle Änderung schon des Geschlechtseintrags zu vermeiden. Risiken sehen wir hier aufgrund der derzeitigen Forschungslage zur Entwicklung des individuellen Geschlechtsempfindens insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Die Entscheidung von Minderjährigen, deren Entwicklung ihrer Geschlechtsidentität noch andauert, ist in Bezug auf eine von dem Geschlechtseintrag abweichende Geschlechtsidentität in vielen Fällen deutlich weniger gefestigt als bei Erwachsenen.

Es ist aus unserer Sicht daher sinnvoll, dass Minderjährige wie im Entwurf vorgesehen den Antrag nicht allein stellen können bzw. ab dem 14. Lebensjahr die Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen zwar selbst abgeben dürfen, jedoch der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters bedürfen. Im Falle eines Konflikts kann das Familiengericht die Zustimmung der Eltern ersetzen. Bestenfalls erwirkt es durch die Hinzuziehung von Fachkräften und unter Einsatz zielführender Instrumente wie Beratung und Mediation, dass junge Menschen und ihre Eltern oder gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter zu einer übereinstimmenden Haltung und Entscheidung gelangen.

Dies macht deutlich, wie zentral fachliche Begleitung und Beratung sind, was auch der Referentenentwurf herausstreicht. Die bestehende Beratungsinfrastruktur reicht hierfür mindestens in fachlicher Hinsicht nicht aus. Wichtig ist es ferner auch für Eltern und Familienangehörige sowie für Fachkräfte in Kindertagesstätten, Schulen und in der Kinder- und Jugendhilfe Beratungsangebote vorzusehen.

Der Referentenentwurf betont, dass die neuen Regelungen nur für Personen anwendbar sein sollen, bei denen Geschlechtsidentität und Geschlechtseintrag auseinanderfallen. Die Regelung im Referentenentwurf zum Spannungs- und Verteidigungsfall, aber auch Ausführungen in der Begründung deuten an, dass die Sorge vor einer „zweckwidrigen Inanspruchnahme“ der Regelungen besteht. Wir halten es unter anderem aus diesem Grund für sinnvoll, dass die Regelungen evaluiert werden sollen.

Der Referentenentwurf unterscheidet anders als nach dem geltenden Recht nicht mehr zwischen transgeschlechtlichen und nicht-binären Personen, für die das TSG maßgeblich ist, und Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, für die die §§ 45b, 22 Abs. 3 PStG gelten. Ob dies für die unterschiedlichen Personengruppen jeweils zu den besten Lösungen führt, erscheint fraglich. Im Zusammenhang mit dem „Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung“ ist in Bezug auf die Situation intergeschlechtlicher und transgeschlechtlicher Kinder überzeugend dargelegt worden, dass „sowohl die medizinischen als auch die rechtlichen und ethischen Fragestellungen unterschiedlich“ sind.[1] Auch um die eventuell unterschiedlichen Auswirkungen des Gesetzes auf die verschiedenen Personengruppen zu prüfen, halten wir die im Entwurf vorgesehene Evaluation nach fünf Jahren für notwendig.

II. Im Einzelnen

1. § 2 Abs. 1 SBGG-E
§ 2 SBGG- E soll für Personen, bei denen Geschlechtsidentität und der bisherige Geschlechtseintrag im Personenstandregister abweichen, eine neue Rechtsgrundlage schaffen, Erklärungen gegenüber dem Standesamt abzugeben, um den Geschlechtseintrag und die Vornamen zu ändern.

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die selbstempfundene geschlechtliche Identität eines transgeschlechtlichen Menschen rechtlich anzuerkennen ist, wenn bei diesem, „das eigene Geschlechtsempfinden nachhaltig in Widerspruch zu dem ihm rechtlich nach den äußeren Geschlechtsmerkmalen zugeordneten Geschlecht“ steht.[2] Die Dauerhaftigkeit der Geschlechtsidentität sei daran festzumachen, „wie konsequent der Transsexuelle in seinem empfundenen Geschlecht lebt und sich angekommen fühlt“.[3] Nachweise, wie etwa die psychologischen Gutachten gemäß § 4 Abs. 3 TSG, die die Dauerhaftigkeit der Entscheidung bestätigen sollen oder die ärztliche Bescheinigung nach § 45b Abs. 3 S. 1 PStG, sind nach der geplanten Neuregelung nicht mehr Voraussetzung für eine Änderung des Geschlechtseintrages im Personenstandsregister. Die Gesetzesbegründung erläutert, dass die nach dem TSG erforderliche Begutachtung von den antragstellenden Personen häufig als „entwürdigend“, als „übergriffig und unsachlich in die Intimsphäre eingreifend“ erlebt wird.[4] Die Verpflichtung der Vorlage der ärztlichen Bescheinigung nach § 45 Abs. 3 PStG führe dazu, dass es bei der Änderung des Geschlechtseintrages „zu einer Pathologisierung kommt“. Die Praxis habe zudem gezeigt, dass in den ganz überwiegenden Fällen (99%), die Gutachten feststellen, dass sich das Zugehörigkeitsgefühl der antragstellenden Person mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird.[5] Der Referentenentwurf verweist ferner auf eine Resolution des Deutschen Psychotherapeutentages, die anregt, „zum Schutz des Selbstbestimmungsrechts von transidenten Personen […], den Geschlechtseintrag im Wesentlichen nur vom Geschlechtsempfinden der antragstellenden Person abhängig zu machen“.[6] Eine Gruppe von Sexualmedizinern und Psychotherapeuten hat sich insgesamt kritisch zu einem Verzicht auf Gutachten geäußert, wobei sie insbesondere eine dezidiert andere Auffassung hinsichtlich einer Abschaffung der Begutachtung nach dem TSG auch bei Minderjährigen vertreten.[7] Sie legen dar, dass für Minderjährige andere Bewertungsmaßstäbe angelegt werden müssen: „Was sich für erwachsene Transsexuelle als wenig sinnvoll erwiesen haben mag, könnte als notwendige Vorsichtsmaßnahme, den speziellen Besonderheiten angepasste abweichende Vorgehensweise bei Kindern und Jugendlichen durchaus gerechtfertigt sein.“[8]

Im Ergebnis halten wir vor diesem Hintergrund den im Referentenentwurf vorgesehenen Verzicht auf psychologische Gutachten und ärztliche Bescheinigungen für die Änderung des Geschlechtseintrages und der Vornamen im Personenstandregister für Erwachsene für nachvollziehbar und aus Sicht der betroffenen Erwachsenen für zu begrüßen.

Der Referentenentwurf richtet sich an Personen bei denen Geschlechtsidentität und personenstandrechtlicher Geschlechtseintrag auseinanderfallen. Um diese Personen beim Finden und Erkennen der eigenen geschlechtlichen Identität zu unterstützen setzt der Gesetzentwurf auf Beratung. Ein gesetzlicher Anspruch der betroffenen Personen auf Beratung mit Kostenübernahme könnte ihnen den Zugang zu Beratung erleichtern.

2. § 3 Abs. 1, 2 SBGG-E
§ 3 Abs. 1, 2 SGBB-E regeln die Erklärungen, die für die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen von Minderjährigen abzugeben sind.

Die Regelung ist angelehnt an § 45b Abs. 2 PStG und damit an der bisherigen Rechtslage für minderjährige Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung.

Das TSG sah für Minderjährige keine eigene Regelung zur Änderung des Geschlechtseintrages im Personenstandsregister vor. Vielmehr ließ es Änderungen des Namens und des Geschlechtseintrages nur für Volljährige zu. Die Begründung des Referentenentwurfs weist darauf hin, dass das BVerfG Minderjährigen diese Möglichkeit jedoch generell eröffnet hat.[9] Das TSG regelte, dass die Änderung des Geschlechtseintrages im Personenstandsregister erst ab dem 25. Lebensjahr möglich sein sollte. Diese Regelung galt unabhängig davon, ob bereits vor dem 25. Lebensjahr alle weiteren für die Änderung notwendigen Voraussetzungen, die das TSG verlangte, etwa die medizinischen geschlechtsangleichenden Maßnahmen, gegeben waren. Das BVerfG erkannte hierin einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG und erklärte die Altersgrenze in § 8 TSG für die Änderung des Geschlechtseintrag für nichtig.[10] Hingegen hatte das Bundesverfassungsgericht gegen die „Zwecksetzung“ der Regelung keine Bedenken. Die damalige Bundesregierung hatte in dem Verfahren die Altersgrenze mit der Sorge vor Fehleinschätzungen begründet, denen jüngere Menschen in ihrer Entwicklung eher unterliegen würden.

Tatsächlich ist die Zahl der Personen, „deren Unbehagen an der Inkongruenz zwischen biologischem und empfundenem Geschlecht eher eine (oftmals passagere) Unzufriedenheit mit bestimmten Rollenstereotypen ihres zugewiesenen Geschlechts zum Ausdruck bringt und sich im Entwicklungsverlauf wieder auflöst, […] gerade bei Kindern und Jugendlichen offensichtlich besonders hoch.“[11] Der Anteil soll – auf der Grundlage noch schwach belastbarer empirischer Befunde – etwa 80% ausmachen.[12] Dieser hohe Anteil mahnt zur besonderen Vorsicht gegenüber einer allzu frühen Selbsterklärung. „Eine Geschlechtsdysphorie, die in eine transidente Geschlechtsempfindung mündet, bildet sich gefestigt erst mit der Pubertät aus. Deshalb wird die Geschlechtsdysphorie bei Kindern und Jugendlichen nach wie vor als eigenes Belastungsphänomen klassifiziert – mit besonderen Empfehlungen für die Feststellung und die therapeutische Begleitung.“[13] Wichtig ist mithin eine umsichtige Begleitung, die vorschnelle Festlegungen vermeidet und stattdessen eine informiert-reflektierte Entscheidungsfindung unterstützt.

Der Referentenentwurf sieht diese Problematik, wenn er die „zentrale Bedeutung“ der Beratung von minderjährigen Personen betont.[14] Eine Pflichtberatung wird allerdings nicht vorgesehen. Es wird auch kein spezieller gesetzlicher Anspruch auf Beratung für die minderjährigen Personen, ihre Eltern und Geschwister eingeräumt.

Auch wenn die Kinder und Jugendlichen von ihren sorgeberechtigten Eltern in dem Prozess, ihre Geschlechtsidentität zu finden, begleitet und beraten werden, halten wir eine fachliche Beratung und Begleitung daneben für angezeigt. Hierfür sollte ein gesetzlicher Anspruch auf entsprechende Beratung und Begleitung in das Gesetz aufgenommen werden. Ziel ist es größtmögliche Sicherheit über die eigene Geschlechtsidentität zu erreichen und damit auch sicher zu stellen, dass der Wunsch nach Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens dauerhaft ist.

Zusätzlich sollte erwogen werden, die in § 4 S. 1 SBGG-E vorgesehene Überlegungs- und Reflexionsfrist bei Minderjährigen zu verlängern.

Wir bitten um Prüfung, in der Überschrift von § 3 SBGG-E auch die gesetzlichen Vertreter zu nennen, die die Erklärungen gemäß § 3 Abs. 2 und 3 SBGG-E für die Minderjährigen bzw. die Personen mit Betreuer abgeben.

3. § 4 SBGG-E
§ 4 S. 1 SBGG-E sieht vor, dass die Änderung des Geschlechtseintrags oder des Vornamens erst drei Monate nach der Abgabe der vollständigen Erklärung in das Personenstandsregister eingetragen und wirksam wird.

Diese Regelung dient dazu, den Beteiligten Bedenkzeit zu geben „und soll die Wirksamkeit nicht ernsthaft gemeinter Erklärungen verhindern“.[15] Wir halten sie für sinnvoll. Meyenburg et al., die für einen Verzicht auf die Begutachtung nach dem Transsexuellengesetz geworben haben, haben ebenfalls eine Karenzregelung angeregt. Sie haben ausgeführt, dass eine Karenzzeit ebenfalls darüber Aufschluss gibt, ob der Wunsch einem anderen Geschlecht anzugehören, dauerhaft und unumkehrbar ist. Sie haben allerdings längere Karenzzeiten angeregt. Grundsätzlich soll die Karenzzeit sechs Monate betragen. Bei Antragstellern unter 14 Jahren, „bei denen der transsexuelle Wunsch noch instabil sein kann, halten sie sogar eine Karenzzeit von 12 Monaten für sinnvoll.[16]

Wir regen an, die Wirksamkeit der Erklärung gemäß § 4 S. 1 SBGG-E zumindest bei Kindern und Jugendlichen unter 14 Jahren 6 Monate aufzuschieben.

Wir bitten um Prüfung, ob in § 4 S. 2 SBGG-E ergänzend aufgenommen werden muss, dass in den Fällen des § 3 Abs. 2 und Abs. 3 SBGG-E, die gesetzlichen Vertreter, Vormund oder Betreuer die Rücknahme der Erklärungen nach § 2 SBGG-E erklären können.

4. § 5 SBGG-E
Die in § 5 Abs. 1 S. 1 SBGG-E vorgesehene Sperrfrist von einem Jahr soll die Ernsthaftigkeit der Änderung des Geschlechtseintrages und der Änderung des Vornamens unterstreichen.

Zu begrüßen ist, dass § 5 Abs. 1 S. 2 SBGG-E Minderjährige von der Sperrfrist ausnimmt. Der Referentenentwurf begründet dies damit, dass er der anhaltenden Persönlichkeitsentwicklung von Minderjährigen Rechnung tragen möchte. Unseres Erachtens spricht diese Einschätzung des Referentenentwurfs auch dafür besondere Anforderungen an die Erklärung von Minderjährigen zu knüpfen. 

5. § 10 Abs. 2 SBGG-E
§ 10 Abs. 2 SBGG-E sieht vor, dass Personen, die im Personenstandregister Einträge zu ihrem Geschlecht und Vornamen geändert haben, verlangen können, dass ihnen amtliche Dokumente, soweit sie Angaben zum Geschlecht und Namen enthalten mit geänderten Geschlechtseintrag und den geänderten Vornamen neu ausgestellt werden müssen. Zweck dieser Regelung ist, dass den betroffenen Personen die Möglichkeit gegeben wird, „umfassend mit dem geänderten Geschlechtseintrag und den geänderten Vornamen aufzutreten“.[17]

§ 10 Abs. 2 SBGG-E lässt sich nur teilweise mit den kirchenrechtlichen Bestimmungen zur Führung der Kirchenbücher in Einklang bringen. Die Führung der Kirchenbücher ist Teil des verfassungsrechtlich geschützten Selbstorganisationsrecht der Kirchen. Das katholische Kirchenrecht sieht vor, dass Taufbücher nicht geändert werden dürfen. Für Fälle der Änderung des Geschlechts hat die Kongregation für Glaubensfragen daher ein Dekret erlassen, wie die Änderung ergänzend eingetragen werden kann. Demnach kann unter Wahrung der ursprünglichen Eintragung in der Spalte „Bemerkungen“ eine entsprechende Notiz ergänzt werden. Verzeichnet wird der neue Vorname, das neue Geschlecht sowie Datum und Aktenzeichen der Behörde, die die Änderung eingetragen hat.[18]

Soweit den Familienstammbüchern so genannte Taufbescheinigungen beigefügt sind, könnten diese im Sinne des § 10 Abs. 2 SBGG-E ausgetauscht werden. Diese weisen Taufdaten (Datum, Pfarrei, Kirche, Taufspender, Registernummer des Taufbuchs) Vornamen, Name und Geburtsdatum des Täuflings. Andere Regelungen gelten jedoch für Auszüge aus dem Taufbuch. Einen derartigen Auszug benötigt man für eine kirchliche Eheschließung, die Priesterweihe oder den Eintritt in eine Ordensgemeinschaft. Auszüge aus den Kirchenbüchern müssen nach den kirchenrechtlichen Vorgaben wortgetreu und vollständig sein. Das bedeutet allerdings, dass der erteilte Auszug aus dem Kirchenbuch den früheren Vornamen neben den vermerkten Änderungen enthält.

Wie dargestellt wird ein Auszug aus dem Kirchbuch lediglich für die genannten kirchlichen Sakramente und Vollzüge vorgelegt. Für diese kirchlichen Vollzüge werden die Angaben auch benötigt. Wir gehen davon aus, dass ein Auszug aus dem Kirchenbuch, den Inhalt des Kirchenbuchs wahrheitsgemäß wiedergeben muss und darf und daher § 10 Abs. 2 SBGG-E nicht auf Auszüge aus den Kirchenbüchern anzuwenden sind. Sollten Sie unsere Auffassung nicht teilen, wären wir für einen Hinweis dankbar.

6. § 11 SBGG-E
§ 11 SBGG-E regelt das Eltern-Kind-Verhältnis neu und ersetzt den bisherigen § 11 TSG. Für das Eltern-Kind-Verhältnis der leiblichen Kinder zur Mutter und für Kinder die angenommen werden, ergeben sich bei der Regelung des Eltern-Kind-Verhältnisses keine Änderung. Für das Eltern-Kind-Verhältnis zum Vater ergeben sich Änderungen für leibliche Kinder, die nach der Änderung der Geschlechtseintragung geboren werden.

Nach § 11 TSG bleibt das Eltern-Kind-Verhältnis leiblicher Kinder zu ihren Eltern von der Änderung eines Geschlechtseintrages eines Elternteils unberührt. Dies gilt nach § 11 TSG bisher auch für Kinder, die nach der Änderung des Geschlechtseintrages geboren wurden.[19] Dies wurde damit begründet, dass die Interessen des Kindes auf jeden Fall zu wahren seien: „Dazu gehöre insbesondere, dass der Status des Transsexuellen als Vater (bzw. als Mutter) auf jeden Fall unberührt bleiben soll, so z.B. für den Unterhalt, das Erbrecht, die Vaterschaftsfeststellung …; dies alles solle auch dann gelten, wenn das Kind erst nach der Änderung der Geschlechtszugehörigkeit des Vaters geboren oder die Vaterschaft später festgestellt werde“.[20]

§ 11 SBGG-E nimmt für das Eltern-Kind-Verhältnis Kind-Vater eine Änderung vor, wenn das Kind nach der Änderung des Geschlechtseintrag im Personenstandsregister geboren wird. Er berücksichtigt in diesen Fällen die Änderung des Geschlechtseintrages in Mann. Dies hat zur Folge, dass nach der Geschlechtseintragung in Mann, dieser Mann als Ehegatte nach § 1592 Nr. 1 BGB oder nach Anerkennung der Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 2 BGB rechtlicher Vater wird.

Die vorgesehen Differenzierung in zwischen § 11 S. 1 und S. 2 SBGG-E (einmal Anknüpfung an die Biologie und einmal an den Eintrag) wirft Fragen auf. Das geltende Abstammungsrecht geht vom Abstammungsprinzip aus. § 1592 Nr. 1 und Nr. 2 BGB sind Vermutungstatbestände für die biologische Vaterschaft. Die Zuordnung als Vater erfolgt, weil in Fällen der Ehe oder der Anerkennung die biologische Vaterschaft vermutet wird. In den Fällen, in denen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine biologische Vaterschaft besteht, soll kein Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft erforderlich sein. Die Feststellung der Vaterschaft ist als Möglichkeit vorgesehen, eine falsche Vermutung zu korrigieren. Das geltende Recht führt dazu, dass im Regelfall die biologischen Eltern automatisch auch als rechtliche Eltern zugeordnet werden. Das erscheint auch weiterhin ein sinnvoller Grundsatz.

Bisher gibt es im Abstammungsrecht keine automatische Zuordnung von Personen, die als biologische Eltern nicht in Frage kommen. Die vorgesehene Regelung führt zudem dazu, dass eine verheiratete Transfrau (die biologisch ein Mann ist) nicht automatisch als Elternteil zugeordnet werden kann, obwohl hier die Vaterschaft zu vermuten ist. Hier bedarf es nach der geplanten Neuregelung einer Vaterschaftsfeststellung.

Es stellt sich mithin die Frage, ob für die geplante Neuregelung des Eltern-Kind-Verhältnisses nicht die angekündigte Reform des Abstammungsrechts und die dazugehörige politische Diskussion abgewartet werden sollte.

7. § 13 SBGG-E
§ 13 SBGG-E knüpft eng an den Wortlaut des in § 5 TSG geregelten Offenbarungsverbots an. Die Kirchen beachten dies, wenn sie die Vornamensänderung und eine Änderung des Geschlechtseintrages in den Kirchenbüchern vermerken. So sieht ein kirchliches Ausführungsdekret vor, dass die ergänzenden Einträge mit einem so genannten Sperrvermerk versehen werden. „Vor der Geschlechtsänderung geführte Vornamen dürfen ohne Zustimmung des Betroffenen nicht offenbart oder ausgeforscht werden, es sei denn es liegen besondere Gründe des öffentlichen Interesses vor.“[21] Ein öffentliches Interesse ist aus kirchlicher Sicht auch bei der Ausstellung eines Auszugs aus dem Taufregister wegen einer beabsichtigten kirchlichen Eheschließung gegeben.

8. Zu Art. 13
Wir begrüßen, dass der Referentenentwurf eine Evaluierung der Regelungen vorsieht.

9. Zu ergänzende Regelungen
Der Referentenentwurf richtet sich an Personen, bei denen Geschlechtsidentität und personenstandrechtlicher Geschlechtseintrag auseinanderfallen. Um Personen beim Finden und Erkennen der eigenen geschlechtlichen Identität zu unterstützen setzt der Gesetzentwurf auf Beratung. Der Referentenentwurf will die Beratungsangebote und -möglichkeiten für die Personen mit Anfragen an ihre geschlechtliche Identität ausbauen.[22] Wichtig in diesem Zusammenhang ist es nicht nur die betroffenen Personen im Blick zu haben, sondern auch deren Familien, für die Begleitung und Beratung auch ein hilfreiches Angebot wäre. Wichtig hierzu ist es, eine entsprechende Qualifizierung und Sensibilisierung von Mitarbeitenden in Jugend- und Familienberatungsstellen ebenso wie von Ärztinnen und Ärzten auszubauen.

Ein gesetzlicher Anspruch der betroffenen Personen auf Beratung mit Kostenübernahme könnte ihnen den Zugang zu Beratung erleichtern. Er könnte auch den notwendigen Ausbau der Beratungsstruktur befördern.

Wir regen daher an, einen gesetzlichen Beratungsanspruch in den Referentenentwurf aufzunehmen.

Bonn, Berlin, den 30.05.2023

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[1] Dagmar Coester-Waltjen, Wolfgang Henn, „Operative Eingriffe an intergeschlechtlichen oder transgeschlechtlichen Kindern“ in FamRZ, 2020, S. 481, 483; „Das Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung“, in FamRZ 2021, S. 1589, 1590.

[2] BVerfG, Beschl. v. 11.01.2011 – 1 BvR 3295/07, in NJW 2011, S. 909, 910.

[3] BVerfG, Beschl. v. 11.01.2011 – 1 BvR 3295/07, in NJW 2011, S. 909, 912.

[4] Referentenentwurf, S. 18.

[5] Bernd Meyenburg, Katrin Rentner-Schmidt, Gunter Schmidt, „Begutachtung nach dem Transsexuellenengesetz – Auswertung von Gutachten dreier Sachverständiger 2005-2014“, in Zeitschrift für Sexualforschung 2015 S. 107 ff.

[6] Resolution verabschiedet vom 40. Deutschen Psychotherapeutentag 13./14. Mai 2022 in Stuttgart

[7] Alexander Korte, Heinrich Schmidt, Hartmut Bosinski, Maik Mersmann, Klaus Beier, „Zur Debatte über das TSG: Abschaffung der Begutachtung zur Vornamensänderung auch bei Minderjährigen mit der Diagnose Geschlechtsidentitätsstörung?“, in Zeitschrift für Sexualforschung 2016, S. 48 ff.

[8] Korte et al., a.a.O. S. 54.

[9] BVerfG, Beschl. v. 16.03.1982 – 1 BvR 938/81, NJW 1982, S. 2061 f.

[10] Ebd.

[11] Andreas Lob-Hüdepohl, „Das Recht auf Integrität gewährleisten“, in Herder Korrespondenz Juni 2023, S. 28, 30.

[12] Korte et al. a.a.O., S. 51.

[13] Andreas Lob-Hüdepohl a.a.O. S. 30

[14] Referentenentwurf S. 37

[15] Referentenentwurf S. 40.

[16] Meyenburg et. Al, a.a.O. S. 119.

[17] Referentenentwurf S. 52

[18] Allgemeines Ausführungsdekret zum Eintrag der Taufe in das Taufbuch in speziellen Fällen und zum Erstellen von Taufurkunden und Taufbescheinigungen in Amtsblatt des Bistums Limburg vom 01.03.2023, Nr. 3/2023 S. 82, 84.

[19] OLG-Köln, Beschl. v. 30.11.2009 – 16 Wx 94/09, FamRZ 2010, S. 741, 742.

[20] OLG-Köln, ebd. mit Verweis auf die Gesetzesmaterialien.

[21] Allgemeines Ausführungsdekret zum Eintrag der Taufe in das Taufbuch in speziellen Fällen und zum Erstellen von Taufurkunden und Taufbescheinigungen in Amtsblatt des Bistums Limburg vom 01.03.2023, Nr. 3/2023 S. 82, 84.

[22] Referentenentwurf S. 26 f.

Stellungnahme
des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Katholisches Büro in Berlin
zum

Referentenentwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften