Baugesetzbuch
August 2024

Gemeinsame Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung

In ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung sprechen sich die Kirchen dafür aus, die Erfahrungswerte mit der Umsetzung der Agenda 2030 und der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie stärker zu berücksichtigen. Darüber hinaus regen sie an, bestimmten Belangen, hierunter denen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung, eine Abwägungspriorität in der Bauleitplanung einzuräumen. Die Kirchen befürworten, den Vorrang des Bauens im Bestand vor dem Neubau als neuen, in der Abwägung unterschiedlicher Belange mitzuberücksichtigenden Grundsatz der Bauleitplanung in das Baugesetzbuch aufzunehmen. Die im Gesetzentwurf bereits enthaltenen Vorschläge zur Stärkung des Bauens im Bestand im Innenbereich halten die Kirchen für sinnvoll. Ebenfalls für hilfreich halten sie die Vorschläge zur Unterstützung des sozialen Wohnungsbaus, die zur Schaffung von mehr sozialem Wohnraum führen sollen. Schließlich begrüßen die Kirchen die deutliche Erweiterung der Anforderungen und Möglichkeiten, Maßnahmen zur Klimaanpassung im Gebäudebestand, im Neubau und in der Stadtentwicklung insgesamt zu ergreifen. Kritisch sehen sie allerdings die geplante Änderung des Klimaanpassungsgesetzes, die aktuell geltende Vorgaben zur Entsiegelung von Böden schwächt.

Langversion

I. Allgemeine Anmerkungen

Der Gesetzentwurf zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung [im Folgenden: GE] sieht Änderungen im Bauplanungsrecht vor, die verschiedenen Herausforderungen begegnen sollen. Sie sollen den Wohnungsmarkt stärken. Bereits spürbare klimatische Veränderungen sollen durch Maßnahmen der Klimaanpassung in ihrer Wirkung abgefedert und die mit der klima wandelbedingten Zunahme von Wetterphänomenen wie Starkregen und Hochwasser einhergehenden Risiken gemindert werden. Gleichzeitig will der GE auf Veränderungen in der Struktur der Innenstädte reagieren und notwendige neue Nutzungskonzepte und Transformationen unterstützen sowie dabei die in der Neuen Leipzig-Charta herausgestellten Dimensionen der gerechten, der grünen und der produktiven Stadt beachten.

Das Vorhaben, auf die genannten gesellschaftlichen Herausforderungen auch mit Änderungen im Bauplanungsrecht zu reagieren, begrüßen wir. Angesichts des leider nur kleinen vom BMWSB für die Länder- und Verbändebeteiligung eingeräumten Zeitfensters, das sich darüber hinaus mitten in den Sommerferien befindet, werden wir uns im Folgenden auf die Kommentierung einiger weniger ausgewählter grundsätzlicher Aspekte des GE beschränken. Wir behalten uns dabei vor, im Laufe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens zusätzliche Anmerkungen und Anliegen zum GE vorzutragen.

Schon jetzt erlauben wir uns aber, darauf hinzuweisen, dass der GE trotz seiner thematischen Überschneidungen mit der Weiterentwicklung 2024 der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung[1] diese nicht zu berücksichtigen scheint. Wir regen an, dies nachzuholen und den GE insbesondere mit Blick auf die dortigen Vorgaben und Ausführungen zum Trans-formationsbereich „Nachhaltiges Bauen und nachhaltige Mobilität“ auf den gedanklichen Prüfstand zu stellen. Dabei erscheint es uns durchaus möglich, wenn nicht sogar naheliegend, Erfahrungswerte und Herangehensweisen aus der Umsetzung der Agenda 2030 und der Ausgestaltung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie auch für den GE und vor allem für die Abwägungsprozesse in der Bauleitplanung nach den neu konzipierten §§ 1 Absatz 5, 1 b) und 1 c) des Baugesetzbuches nutzbar zu machen. Für uns gehört hierzu insbesondere der Grundsatz, bei der Wahl zwischen unterschiedlichen Maßnahmen immer diejenige Maßnahme zu bevorzugen, die die Erfüllung der größtmöglichen Anzahl von Nachhaltigkeitszielen weitestmöglich voranbringt und die geringsten Zielkonflikte zwischen ihnen verursacht.[2] Es scheint uns erwägenswert, diesen Grundsatz auf die Bauleitplanung zu übertragen, gewissermaßen unter Ersetzung des Wortes „Nachhaltigkeitsziel“ durch die „Belange der Bauleitplanung“. Ein solcher Grundsatz im Rahmen der Bauleitplanung könnte dazu beitragen, die Wechselwirkungen
zwischen den unterschiedlichen öffentlichen und privaten Belangen, ihren Synergien und Zielkonflikten, nicht nur besser vor Augen geführt zu bekommen, sondern auch besser für die Bauleitplanung und ihre Ziele nutzbar zu machen.

Im Übrigen halten wir die mit dem GE angestrebte Neusystematisierung der Grundsätze und Belange der Bauleitplanung in der in Artikel 1 GE vorgeschlagenen Überarbeitung des Baugesetzbuchs [im Folgenden: BauGB-E] für grundsätzlich gelungen. Wir würden es jedoch begrüßen, wenn bei den weiteren Beratungen des GE der Versuch unternommen würde, bestimmten Belangen bei der Abwägung im Rahmen von Bauleitplanungen gesetzlich eine Abwägungspriorität einzuräumen. Hierbei ist unseres Erachtens insbesondere an die Belange des Klimaschutzes und der Klimaanpassung zu denken. Wir regen ferner an, das Anliegen, dem Bauen im Bestand Vorrang vor dem Neubau einzuräumen, in den Grundsätzen der Abwägung des BauGB explizit aufzuführen. In diesem Sinne begrüßen wir auch, dass der GE durch eine Reihe von Änderungen im Baugesetzbuch das Bauen im Bestand erleichtern will. Ebenfalls für sinnvoll und wichtig halten wir die Vorschläge zur Schaffung von mehr gefördertem sozialen Wohnraum. Wir begrüßen schließlich die deutliche Erweiterung der Vorgaben und Möglichkeiten, Maßnahmen zur Klimaanpassung im Gebäudebestand, im Neubau und der Stadtentwicklung insgesamt zu ergreifen. Als nicht mit der vom GE verfolgten Zielsetzung der Klimaanpassung übereinstimmend sehen wir allerdings die nach Artikel 5 GE geplante Änderung des Klimaanpassungsgesetzes [im Folgenden: KAnG] an, die zu einem Ausschluss der Anwendung des KAnG auf die Bauleitplanung nach dem BauGB und zu einer Schwächung des laut KAnG zu berücksichtigenden Entsiegelungsgebots führt.

II. Zu den Regelungen im Einzelnen

1. Zu Artikel 1 GE: §§ 1, 1 b), 1 c) BauGB-E
Wie schon § 1 Absatz 7 BauGB schreibt nun § 1 Absatz 5 BauGB-E vor, dass bei der Bauleitplanung die von § 1 c) BauGB-E erfassten öffentlichen und privaten Belange unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 1 b) BauGB-E gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind. Dabei sind die in § 1 c) BauGB-E aufgeführten Belange grundsätzlich gleichrangig.

Wie sich aus der Dokumentation der Fachexperten-Gespräche 2023 zur Modernisierung des Städtebaurechts[3] ergibt, wurde in diesen bereits darüber diskutiert, bestimmten Belangen, dort den Erfordernissen der Klimaanpassung, durch ein Optimierungsgebot oder eine Abwägungspriorität einen Gewichtungsvorteil in der Abwägung zu verschaffen. Eine solche Abwägungsdirektive wurde schlussendlich, soweit ersichtlich, aber nicht in den BauGB-E aufgenommen. Wir möchten anregen, diese Entscheidung zu revidieren und explizit etwa in einer Abwägungsdirektive oder in anderer Form vorzugeben, dass den Belangen des Klimaschutzes (insbes. §§ 1 b) Absatz 1 Satz 2, Absatz 4 BauGB-E), des Schutzes der biologischen Vielfalt (§§ 1 b) Absatz 1 Satz 2, 1 c) Absatz 3 Nr. 1 BauGB-E), der Klimaanpassung (§§ 1 b) Absatz 5, 1 c) Absatz 3 Nr. 6 BauGB-E) sowie der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung (§§ 1 b) Absatz 1 Satz 1, 1 c) Absatz 2 Nr. 2 BauGB-E) ein besonderes Gewicht in der Abwägung mit anderen Belangen einzuräumen ist, welches lediglich in gut zu begründenden Ausnahmefällen hinter anderen Belangen zurückgesetzt werden kann.

Zwar mag man sich, wie offenbar auch einige Stimmen in den o.g. Fachexperten-Gesprächen 2023[4], auf den Standpunkt stellen, dass sich aus dem Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts bereits ein zunehmendes Gewicht der Erfordernisse von Klimaschutz und Klimaanpassung innerhalb der Bauleitplanung ergebe. Gleichwohl ist es gerade erklärtes Ziel der Novelle, den Kommunen Struktur und Orientierung bei der Aufstellung von Bauleitplänen vorzugeben (Begründung, S. 45) und die Orientierung im Gesetz (Begründung, S. 64) zu erleichtern. Dementsprechend wichtig erscheint es auch, das als besonders schwer einzuordnende Gewicht der o.g. Belangen im Gesetz selbst fest- und klarzustellen.
Aus unserer Sicht sollte eine entsprechende Formulierung im BauGB daher ergänzt werden.

Einer solchen Klarstellung bedarf es im Übrigen auch hinsichtlich des Vorrangs der bauplanerischen Berücksichtigung des Klimaschutzes im Verhältnis zur Klimaanpassung. Denn nach dem Bundesverfassungsgericht besitzt die Klimaanpassung im Verhältnis zum Klimaschutz lediglich einen „ergänzenden“[5] Charakter hinsichtlich des verfassungsrechtlich zu gewährleistenden Gesundheitsschutzes. Dabei mag dem BauGB und der Bauleitplanung mit Blick auf den Klimaschutz bisher nur ein ergänzender Charakter im Vergleich zu gesetzgeberischen Instrumenten wie dem Gebäudeenergiegesetz, dem Erneuerbare-Energien-Gesetz oder der Umsetzung der RED III-Richtlinie beigemessen worden sein. Angesichts der hohen Relevanz des Bodens und seiner regulatorischen Funktionen für das Klima[6] erscheint diese Zumessung allerdings korrekturbedürftig. Daher sollte die höhere Gewichtigkeit des Klimaschutzes im Vergleich zu Klimaanpassung im neuen BauGB auch explizit zum Ausdruck kommen. Nur so ist sichergestellt, dass den Kommunen diese vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Orientierung bei der Aufstellung von Bauleitplänen klar vor Augen steht. Darüber hinaus könnte angedacht werden, den Klimaschutz in Form der Reduzierung von Treibhausgasemissionen, die das Bundes-Klimaschutzgesetz ja ohnehin vorschreibt, als eigenständigen Belang in § 1 c) BauGB-E aufzuführen oder wenigstens den Belang der „Vermeidung von Emissionen“ des § 1 c) Absatz 3 Nr. 7 BauGB über den Zusatz „insbesondere der Treibhausgasemissionen“ zu ergänzen.

2. Zu Artikel 1 GE: § 1 b) Absatz 2 BauGB-E
§ 1 b) Absatz 2 BauGB-E übernimmt den Wortlaut des § 1 a) Abs. 2 BauGB weitgehend. Die „Bodenschutzklausel“, nunmehr in § 1 b) Absatz 2 Satz 1 BauGB-E, und die „Umwidmungssperre“, nunmehr in § 1 b) Absatz 2 Satz 2 BauGB-E, sollen weiter gelten. Sie sind selbstverständlich auch künftig bei der Abwägung der Belange unter Einbeziehung der Grundsätze zu berücksichtigen. Die Bodenschutzklausel ist dabei sogar entsprechend der Rechtsprechung des BVerwG als Abwägungsdirektive einzuordnen.[7] Der Bodenschutz ist damit in der Abwägung über einen einfachen Belang hinausgehoben.

Dieser besonders gewichtigen Bedeutung des Bodenschutzes werden aber nicht alle Maßnahmen der Innenentwicklung in gleichrangiger Weise gerecht. Wir schlagen daher vor, dem Bauen im Bestand in der Bauleitplanung einen grundsätzlichen Vorrang vor dem Neubau einzuräumen. Dieser Vorrang dient dem Bodenschutz und setzt diesen durch eine an der Ressourceneffizienz im weiteren Sinn orientierten Prioritätensetzung um.

Auch in der Dialogfassung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie Weiterentwicklung 2024 heißt es im Transformationsbereich „Nachhaltiges Bauen und nachhaltige Mobilität“, dass die „Anstrengungen zum Um- vor dem Neubau, zur vorrangigen Innen- vor Außenentwicklung, der Mehrfachnutzung von Flächen“ zukünftig intensiviert und „gleichzeitig bezahlbarer Wohnraum für lebenswerte Kommunen“[8] geschaffen werden sollen. Eine Verankerung des Vorrangs des Bauens im Bestand im BauGB folgt mithin der von der Bundesregierung selbst vorgegebenen Prioritätensetzung. Das Kommissariat der deutschen Bischöfe
– Katholisches Büro in Berlin – hat diese Ankündigung der Bundesregierung daher auch in seiner Stellungnahme zur Dialogfassung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie Weiterentwicklung 2024 begrüßt.[9]

Mit Blick auf die Novelle des BauGB regen wir an, das Anliegen, dem Bauen im Bestand gegenüber dem Neubau Vorrang einzuräumen, als neuen Grundsatz in § 1 b) Absatz 2 BauGB-E aufzunehmen. Als Grundsatz gälte der Vorrang des Bauens im Bestand vor dem Neubau dabei selbstverständlich nicht absolut, sondern würde in der Abwägung auch Verhältnismäßigkeits-, insbesondere Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten, den Wohnbedürfnissen der Bevölkerung und anderen Belangen gegenüberstehen. Gleichwohl halten wir es aus Bodenschutz- und Ressourceneffizienzgründen für sinnvoll, dass eine Abweichung vom Vorrang des Bauens im Bestand einer guten Begründung mit gewichtigen entgegenstehenden Belangen bedarf.

3. Zu Artikel 1 GE: §§ 31, 34 BauGB-E
Wir begrüßen, dass der GE durch den Vorschlag eines neuen § 31 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB-E und durch die Änderungen des § 34 Absatz 3 a) BauGB-E das Bauen im Bestand erleichtert. Wie eben unter
II. 2. ausgeführt, halten wir das Bauen im Bestand aus Bodenschutz- und Ressourceneffizienzgründen gegenüber der Erstellung von Ersatz- oder Neubauten für vorzugswürdig. Dementsprechend und auch mit Blick auf die im GE begrüßenswerter Weise stark ausgebauten Möglichkeiten und Vorgaben für Klimaanpassungsmaßnahmen stehen wir dem in dem neu vorgeschlagenen § 31 Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB-E zum Ausdruck kommenden Verdichtungsansatz allerdings auch weniger positiv gegenüber. Auch halten wir es für fraglich, ob jedenfalls der neue § 31 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB-E weiterhin eine „angespannte Wohnungslage“ nach § 201a BauGB voraussetzen sollte. Angesichts der Zielsetzung der
Bundesregierung, dass jährlich 400.000 neue Wohnungen bereitgestellt werden, sollte aus unserer Sicht die Abrufung des Potenzials des Bauens im Bestand für die Schaffung neuen Wohnraums möglichst breitflächig unterstützt werden.

4. Zu Artikel 1 GE: §§ 9, 58 a
Wir begrüßen die im GE enthaltenen Vorschläge zur Unterstützung des sozialen Wohnungsbaus. Hierzu gehört die Überführung der bisher in § 9 Abs. 2 d) Satz 1 BauGB enthaltenen Festsetzungsmöglichkeiten des sektoralen Bebauungsplans zu gefördertem Wohnraum in § 9 Absatz 1 Nr. 7 BauGB-E und damit in den allgemeinen Festsetzungskatalog. Die so neu ermöglichte Ausweisung von die Bedingungen der sozialen Wohnraumförderung erfüllenden oder einer entsprechenden Verpflichtung unterliegenden Wohnraums in einfachen oder qualifizierten Bebauungsplänen kann einen wichtigen Beitrag zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum leisten. Dies gilt umso mehr, als der neue § 9 Absatz 1 Nr. 7 BauGB-E nicht nur die Neuerrichtung von Wohngebäuden, sondern darüber hinaus auch die Änderungen und Nutzungsänderungen von Gebäuden erfasst. Angesichts der massiven Bemühungen der Bundesregierung um die Bereitstellung neuen Wohnraums und der hierfür auch in die Hand genommenen öffentlichen Förderung, sollten auch alle Potenziale in den Blick genommen und genutzt werden können.

Ebenso zur Stärkung des sozialen Wohnungsbaus gehört die Einführung eines sozialen Flächenbeitrags in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt im Rahmen des Umlegungsverfahrens über den neu vorgeschlagenen § 58a BauGB-E. Auch dieses neue Instrument könnte aus unserer Sicht die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums tatsächlich voranbringen. Denn es setzt zurecht darauf, dass der soziale Wohnungsbau auf Grundstücken im Eigentum der öffentlichen Hand besonders effektiv umgesetzt werden kann, da dort die Gestaltungsspielräume der Entwicklungsträger groß sind und der soziale Wohnraum dauerhaft angelegt werden kann. 

5. Zu Artikel 2: § 7, 17 BauNVO-E
Wir begrüßen die über einen neuen Satz 2 in § 7 Absatz 1 Baunutzungsverordnung [im Folgenden: BauNVO-E] ermöglichte Öffnung von Kerngebieten für das Wohnen. Sie erschließt nicht nur neuen Wohnraum, sondern kann im Sinne des Leitbilds der ‚Stadt der kurzen Wege‘ auch die Mobilitätsbedarfe der Bevölkerung verringern und so insbesondere zur Verkehrsvermeidung als zentralem Baustein einer nachhaltigen Städteentwicklung[10] beitragen.

Darüber hinaus möchten wir anregen, die in Artikel 2 GE vorgeschlagene Neufassung des § 17 BauNVO-E im Sinne eines Vorrangs des Bauens im Bestand dazu zu nutzen, die Orientierungswerte für die Geschossflächenanzahl in den einzelnen Baugebieten noch einmal zu überdenken und sie gegebenenfalls zu erhöhen.

6. Zu Artikel 5 GE: § 8 Absatz 6 KAnG-E
Wir begrüßen die im GE vorgesehene deutliche Erweiterung der Vorgaben und Möglichkeiten, Maßnahmen zur Klimaanpassung im Gebäudebestand, im Neubau und in der Stadtentwicklung insgesamt zu ergreifen. Gerade vor diesem Hintergrund und der eigentlichen gesetzgeberischen Zielsetzung halten wir den vollständigen Ausschluss der Anwendung des KAnG aus der Bauleitplanung nach Artikel 5 GE und die Einführung eines neuen § 8 Absatz 6 KAnG für zu weitgehend. Zwar ist die in der Begründung aufgeführte Motivation für diesen Ausschluss, dass man „sämtliche Vorgaben in den planungsrechtlichen Regelwerken“ des Raumordnungsgesetzes und des BauGB bündeln wolle (Begründung, S. 124), nachvollziehbar. Gleichwohl wurden nicht alle aktuell bestehenden planungsrechtlichen Vorgaben des KAnG in das BauGB überführt.

Ins Auge fällt hier vor allem, dass Träger öffentlicher Aufgaben, hierunter auch die öffentliche Hand, nach § 8 Abs. 3 KAnG auf die Entsiegelung von Böden „hinwirken“ „sollen“, wenn „deren Versiegelung dauerhaft nicht mehr für die Nutzung der Böden notwendig ist“. Das BauGB sieht in seinem aktuellen
§ 179 Absatz 1 Satz 2 hingegen lediglich vor, dass eine Gemeinde einen Eigentümer zur Duldung einer Entsiegelung seines Bodens verpflichten „kann“, wenn es sich um „dauerhaft nicht mehr genutzte Flächen“ handelt, bei denen „der durch Bebauung oder Versiegelung beeinträchtigte Boden in seiner Leistungsfähigkeit erhalten oder wiederhergestellt werden soll“. Die Ermessensnorm des § 179 Absatz 1 BauGB ist dementsprechend mit der Gebotsnorm des § 8 Abs. 3 KAnG nicht vergleichbar, sie entfalten voneinander unterschiedliche Rechtswirkungen. Es trifft insoweit nicht zu, dass der BauGB-E die Vorgaben des KAnG in sich aufnimmt und für eine bessere Handhabbarkeit bündelt. Tatsächlich übernimmt der BauGB-E die Vorgaben des KAnG nur selektiv. Da mit dem neu vorgeschlagenen § 8 Absatz 6 KAnG-E jedenfalls das Bodenentsiegelungsgebot des KAnG keine Anwendung mehr findet und lediglich eine Ermessensnorm bleiben würde, wird der in der Bauleitplanung zu berücksichtigende Bodenschutz samt seiner Auswirkungen auf die Klimaanpassung zukünftig im Vergleich zu heute durch den GE geschwächt.

Wir regen daher an, § 8 Abs. 6 KAnG-E nicht einzuführen und dementsprechend den vorgeschlagenen Artikel 5 GE zu streichen. Alternativ wäre es möglich, § 179 Absatz 1 Satz 2 BauGB abzuändern, ihn von einer Ermessens- zu einer Gebotsnorm umzuformulieren und dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 KAnG anzugleichen.

Berlin, den 15. August 2024


[1] Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie Weiterentwicklung 2024 – Transformation gemeinsam gerecht gestalten – Dialogfassung, veröffentlicht am 31. Mai 2024.

[2] Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe ­ Katholisches Büro in Berlin ­ zur Dialogfassung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie Weiterentwicklung 2024, S. 4, unter: https://kath-buero.de/stellungnahme/nachhaltigkeitsstrategie-2024

[3] Bunzel, A. & Krusenotto, M. (2023), Fachexperten-Gespräch 2023 zur Modernisierung des Städtebaurechts (Difu Impulse 9/2023), Berlin, Deutsches Institut für Urbanistik (Difu), S. 33 ff.

[4] Ebd., S. 35.

[5] Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20, 1BvR 288/20, Beschluss vom 24. März 2021, Rz. 144, 150, 167.

[6] Vgl. hierzu: Die deutschen Bischöfe – Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen, Der bedrohte Boden. Ein Expertentext aus sozialethischer Perspektive zum Schutz des Bodens, Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Bonn 2016, S. 14 ff.; Heincke / Werner, Lebensgrundlage Boden: Sieben Ökumenische Impulse zu einem nachhaltigen Umgang mit der Ressource Boden, in: Zeitschrift für Evangelische Ethik, vol. 66, No. 3, 2022, pp. 181-197, unter: https://doi.org/10.14315/zee-2022-660306

[7] Wagner in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 1a, Rz. 52.

[8] Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie Weiterentwicklung 2024 – Transformation gemeinsam gerecht gestalten – Dialogfassung, S. 70.

[9] Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe ­ Katholisches Büro in Berlin ­ zur Dialogfassung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie Weiterentwicklung 2024, a.a.O. Fn. 2, S. 10.

[10] Vgl. ebd.

Stellungnahme
des Kommissariats der deutschen Bischöfe - Katholisches Büro in Berlin -
und
der Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesrepublik Deutschland
und
der Europäischen Union
zum

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung