Das Katholische Büro sieht die in der Weiterentwicklung 2024 vorgeschlagene Umstrukturierung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie in Teilen kritisch. Darüber hinaus schlägt es vor, eine neue Abwägungsmaxime für die Berücksichtigung aller 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030, einen ‚Kategorischen Nachhaltigkeitsimperativ‘, in das Nachhaltigkeitsmanagement der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2024 und ggf. auch in Ermessensnormen von Fachgesetzen aufzunehmen. Dieser könnte auch mit einem Zusatz zu den „Leitplanken“ der planetaren Belastungsgrenzen und des „Lebens in Würde für alle“ ergänzt werden. Als weitere Neuerung setzt sich das Katholische Büro dafür ein, das Prinzip der Suffizienz zusammen mit dem der Ressourceneffizienz zu einem Transformationshebel der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2024 zu machen. Die soziale Dimension der Nachhaltigkeit schließlich sieht das Katholische Büro bisher noch nicht hinreichend in den einzelnen Transformationsbereichen umgesetzt. Es spricht sie dafür aus, diese insbesondere durch Maßnahmen voranzubringen, die gezielt einkommensschwache und vulnerable Bevölkerungsgruppen unterstützen.
Langfassung
Im Jahr 2025 jährt sich die Veröffentlichung der Sozial- und Umweltenzyklika „Laudato Si – über die Sorge für das gemeinsame Haus“ von Papst Franziskus zum zehnten Mal, ebenso wie die Agenda 2030 und das Pariser Weltklimaabkommen ihren 10. Geburtstag feiern. Mit Laudato Si, aber auch seinem ganz persönlichen Einsatz hat Papst Franziskus die Formung und Verabschiedung beider Dokumente mitgeprägt. Im letzten Jahr hat er sich nun über das apostolische Schreiben Laudate Deum, das sich als Fortsetzung von Laudato Si versteht, erneut mit einem Appel für den Erhalt unseres gemeinsamen Hauses an die Weltgemeinschaft gewandt und festgestellt, „dass wir nicht genügend reagieren, während die Welt die uns umgibt, zerbröckelt und vielleicht vor einem tiefen Einschnitt steht“[1]. Dabei sei es erforderlich „mit globalen Mechanismen auf ökologische, gesundheitliche, kulturelle und soziale Herausforderungen zu reagieren, insbesondere um die Achtung der elementaren Menschenrechte, der sozialen Rechte und der Sorge um das gemeinsame Haus zu festigen“[2].
Vor diesen Herausforderungen steht auch die Weiterentwicklung 2024 der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie als Umsetzung der Agenda 2030. Wir begrüßen daher den von der Bundesregierung eingeläuteten Prozess dieser Weiterentwicklung und danken für die Gelegenheit, zur Dialogfassung der Weiterentwicklung 2024 der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie [im Folgenden: DNS-DF 2024] Stellung nehmen zu können. Wir erlauben uns, dies im Folgenden mit Blick auf einige ausgewählte Aspekten der DNS-DF 2024 zu tun, die im Schwerpunkt die Steuerung bzw. Governance der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, aber auch ausgewählte Transformationsbereiche betreffen.
Für die Erreichung der von der Weltgemeinschaft in der Agenda 2030 beschlossenen Nachhaltigkeitsziele[3]verbleiben nur noch fünf Jahre. Wir meinen daher, dass es Zeit ist für einen ‚Kategorischen Nachhaltigkeitsimperativ‘ und einen neuen Transformationshebel ‚Suffizienz und Ressourceneffizienz‘.
I. Governance
1. Umstrukturierung der DNS-DF 2024
Die DNS-DF 2024 zeichnet sich im Vergleich zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie von 2021 [im Folgenden: DNS 2021] durch einen deutlich verkleinerten Rahmen aus: Anders als in der DNS 2021 werden die Zielsetzungen und Maßnahmen der Bundesregierung nur noch innerhalb der seinerzeit eingeführten sechs Transformationsbereiche und fünf Transformationshebel dargestellt. In den Transformationsbereichen werden dann die „Zielstellungen“ der Bundesregierung, die „erfolgten Maßnahmen“ sowie das „weitere Vorgehen“ und schlussendlich „Spillover-Effekte“ dargestellt. Die bisher verwendete Systematik einer Unterscheidung zwischen Maßnahmen „in, durch und mit Deutschland“ wird durch ein „wir wollen“, „wir haben“ und „wir werden“ der Bundesregierung sowie eine Ausweisung zumeist exemplarischer „Spillover-Effekte“ in den Transformationsbereichen und den Transformationshebel „Internationale Verantwortung und Zusammenarbeit“ ersetzt. Auf eine Darstellung des deutschen Beitrags zu den einzelnen SDG unter Einbeziehung der Fortentwicklung der für diese einschlägigen Nachhaltigkeitsindikatoren, wie sie noch in der DNS 2021 zu finden ist, wird verzichtet. Soweit in der DNS-DF 2024 ersichtlich, sollen Nachhaltigkeitsindikatoren zukünftig nur noch vereinzelt und wenn sie auf dem Weg der Zielverfehlung [im Folgenden: off-Track] sind, dargestellt werden und das auch nur im Rahmen einer Übersichts-Graphik nach der bereits in der DNS 2021 verwendeten Vorlage[4]. Dort werden sie dann den einzelnen Transformationsbereichen zugeordnet und den sog. „zentralen Maßnahmen“ gegenübergestellt werden.
Diese im Vergleich zur DNS 2021 verkürzte und inhaltlich ausgedünnte Darstellung überzeugt aus unserer Sicht konzeptionell nicht.
Zunächst, so scheint uns, geht durch diese Umstrukturierung ein großer Vorteil des in der DNS 2021 gewählten Darstellungsansatzes verloren: die Nachvollziehbarkeit der Entwicklung der einzelnen Indikatoren und deren Folgen für die Ausgestaltung des deutschen Beitrags zur Erfüllung der SDG. Zwar mag die jeweils aktuelle Entwicklung der einzelnen Nachhaltigkeitsindikatoren im Indikatorenbericht und aktuell auf der Internetseite des Statistischen Bundesamtes[5] gut einsehbar sein. Auch werden im Beschluss des Staatssekretärsausschusses für nachhaltige Entwicklung zu „Weiteren Maßnahmen zur Erreichung der Ziele der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie“ [6] [im Folgenden: Off-Track-Indikatorenbericht] sowie auch in den Transformationsberichten die Maßnahmen zur Verbesserung der Erreichung bestimmter SDG aufgeführt. Sie werden in der DNS-DF 2024 aber nicht sichtbar. Ein solches Auseinanderreißen von Strategie und Monitoring halten wir hinsichtlich der in der DNS-DF 2024 einmal mehr beschworenen Verbesserung der „Wirksamkeit und Verbindlichkeit der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie“[7] für kontraproduktiv. Denn hierdurch wird eine Einordnung und Bewertung der einzelnen Elemente der Nachhaltigkeitsstrategie insbesondere mit Blick auf die Passgenauigkeit erfolgter oder geplanter Maßnahmen deutlich erschwert. Darüber hinaus verliert die DNS-DF 2024 so die Struktur, eine passgenaue Ausrichtung von Maßnahmen an SDG zu befördern. Es entsteht einmal mehr[8] der Eindruck, dass die erfolgten und geplanten Maßnahmen gerade nicht an der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie ausgerichtet, sondern lediglich im Nachhinein in diese eingepasst werden.
Zwar ist das mit dieser Umstrukturierung der DNS-DF 2024 verfolgte Anliegen, die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie besser nutzbar[9], also letztlich leichter zugänglich, zu machen, ein begrüßenswertes. Jedoch darf eine bessere Zugänglichkeit nicht zur Verschlechterung der inhaltlichen Qualität der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und ihrer Nachvollziehbarkeit führen. Beides sind Grundlagen nicht nur für ihre Umsetzungserfolge, sondern auch für eine gesellschaftliche Partizipation an der und Mobilisierung durch die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie.
Da die konkrete Ausgestaltung der Weiterentwicklung 2024 der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie von der tatsächlichen Entwicklung der Nachhaltigkeitsindikatoren abhängt und die erfolgten und geplanten Maßnahmen der Bundesregierung nur auf dieser Basis nachvollzogen, eingeordnet und bewertet werden können, halten wir eine hinreichende Darstellung der Entwicklung der Nachhaltigkeitsindikatoren, mindestens der Off-Track-Indikatoren, im Rahmen dieser Strategie für zwingend erforderlich. Der Stand der Erfüllung dieser Nachhaltigkeitsindikatoren muss daher mit der DNS-DF 2024 verzahnt werden. Wenn die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie zukünftig nur noch auf die Transformationsbereiche und nicht mehr auf die Einzel-SDGs eingehen soll, dann kann diese Verzahnung auch in den einzelnen Transformationsbereichen stattfinden. Für nicht ausreichend halten wir es allerdings, die Off-Track-Indikatoren und die ihnen zugeordneten Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Entwicklung lediglich in einer Übersichtsgraphik nach dem Vorbild der DNS 2021[10] darzustellen, wie es die DNS-DF 2024 aber offenbar vor hat[11]. Stattdessen sollten die Nachhaltigkeitsindikatoren und ihre Entwicklung in den einzelnen Transformationsbereichen der weiterentwickelten Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie aufgeführt, die „erfolgten Maßnahmen“ mit Blick auf diese Entwicklung eingeordnet und die Wahl und Ausgestaltung oder eben auch das Unterlassen zukünftiger Maßnahmen zur Verbesserung der Indikatorenentwicklung im Rahmen des „weiteren Vorgehens“ begründet werden.
Schließlich ist die Darstellung der Entwicklung von Nachhaltigkeitsindikatoren in der DNS-DF 2024 auch relevant, um zu überprüfen, ob und inwieweit Maßnahmen der Transformationsbereiche tatsächlich zu den erhofften „wesentlichen Fortschritten“[12] bei der Erreichung der von diesen Transformationsbereichen erfassten SDG geführt haben. Ein zentrales Motiv für die Einführung von Transformationsbereichen war es schließlich, über Maßnahmen in diesen Bereichen auf mehrere Nachhaltigkeitsziele auf einmal ‚einzuzahlen‘, also mit derselben Maßnahme möglichst weitgehende Synergien und Co-Benefits zu erzeugen und so die Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele zu beschleunigen. Hiermit wollte die DNS-DF 2024 eine der Kernempfehlung des Weltnachhaltigkeitsberichts 2023 umsetzen[13]. Ob die in den Transformationsbereichen ergriffenen Maßnahmen solche Synergien entfaltet und eine Beschleunigung der Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele bewirkt haben oder wie im Rahmen des zukünftigen Vorgehens die geplanten Maßnahmen diese Effekte auslösen sollen, darauf wird in der DNS-DF 2024 – soweit ersichtlich – nicht explizit eingegangen. Wir regen daher an, in der weiterentwickelten Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie darzustellen, zu welchen SDG die in den einzelnen Transformationsbereichen aufgeführten Maßnahmen hätten Beiträge erbringen sollen und diese Beiträge dann auch mit den existenten, den einzelnen SDG zugeordneten Nachhaltigkeitsindikatoren zu messen.
2. Kategorischer Nachhaltigkeitsimperativ
Transformationsbereiche sollen nicht nur Synergien, sondern auch Konflikte zwischen den Nachhaltigkeitszielen aufzeigen und auf konkrete Veränderungsbedarfe abstellen[14]. In diesem Sinne weist die DNS-DF 2024 an verschiedenen Stellen[15] darauf hin, dass mögliche Konflikte zwischen der Erfüllung unterschiedlicher Nachhaltigkeitsziele zu beachten sind. Gleichwohl können wir keine systematische Berücksichtigung dieser Problematik in den Transformationsbereichen und -hebeln der DNS-DF 2024 und den dort aufgeführten erfolgten oder geplanten Maßnahmen erkennen.
Bereits in unserer Stellungnahme zur Dialogfassung der DNS 2021 hatten wir angeregt, die existenten Erfahrungswerte zu Interdependenzen, zu Co-Benefits und Trade-offs, zwischen den SDG, wie sie bspw. bereits im Weltnachhaltigkeitsbericht 2019 aufgeführt waren, in die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie zu integrieren und direkt in der Ausgestaltung von Politik und Gesetzgebung zu berücksichtigen[16]. An dieser Anregung halten wir fest. Konkret möchten wir nun vorschlagen, in das Nachhaltigkeitsmanagementsystem der weiterentwickelten Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie einen neuen Grundsatz aufzunehmen, der künftig auch im Rahmen von Ermessens- und Abwägungsentscheidungen der öffentlichen Hand Anwendung finden soll. Dieser ‚Kategorische Nachhaltigkeitsimperativ‘ soll dazu beitragen, dass Entscheidungen getroffen werden, die weitestmögliche Co-Benefits für und möglichst wenige Trade-offs zwischen den Nachhaltigkeitszielen erzeugen. Er könnte beispielsweise wie folgt formuliert werden:
Bei der Entscheidung zwischen unterschiedlichen in Frage kommenden Maßnahmen wähle stets diejenige Maßnahme, die die Erfüllung der größtmöglichen Anzahl von Nachhaltigkeitszielen weitestmöglich voranbringt und die geringsten Zielkonflikte zwischen ihnen verursacht.
Dieser Kategorische Nachhaltigkeitsimperativ könnte auch legislativ verankert werden und zwar als Abwägungsmaxime in Normen, die der öffentlichen Hand – insbesondere in planungsrechtlichen oder strategischen Kontexten – Ermessen einräumen. Einen ähnlichen, direkt im Gesetz verankerten Abwägungsgrundsatz haben wir schon einmal gemeinsam mit der Bevollmächtigten des Rates der EKD für das Klimaanpassungsgesetz vorgeschlagen[17].
3. Operationalisierung der Leitplanken
Wir begrüßen, dass die DNS-DF 2024 sich wie bereits die DNS 2021 auf die „planetaren Belastungsgrenzen zusammen mit der Orientierung an einem Leben in Würde“ als den „Leitplanken“[18] einer Politik der Nachhaltigkeit beruft und diese weiter als ersten Grundsatz[19] des deutschen Nachhaltigkeitsmanagementsystems aufführt. Bedauerlicherweise können wir aber in der DNS-DF 2024, ebensowenig wie zuvor in der DNS 2021[20], eine Operationalisierung dieses Ansatzes entdecken. Soweit ersichtlich spielen diese Leitplanken auch keine konkrete Rolle in den Transformationsbereichen oder -hebeln.
Wir empfehlen daher, den bereits in unserer Stellungnahme zur Dialogfassung der DNS 2021 eingebrachten Vorschlag aufzugreifen und in der weiterentwickelten Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie besonders auf die Entwicklung der die planetaren Belastungsgrenzen abbildenden SDG 13, 14, 15 und 6 und der die Grundlagen eines menschenwürdigen Lebens für alle legenden SDG 1 und 2 einzugehen[21]. Dies kann beispielsweise durch eine zusätzliche separate Einzeldarstellung dieser SDG in der weiterentwickelten Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie geschehen. Denkbar wäre aber auch, die spezifischen Auswirkungen der in den Transformationsbereichen ergriffenen oder geplanten Maßnahmen auf die Einhaltung dieser Leitplanken zu identifizieren und dort zusätzlich anhand ausgewählter, bereits für die SDG 13, 14, 15, 6, 1 und 2 eingeführter Nachhaltigkeitsindikatoren zu messen.
Darüber hinaus könnte auch der o.g. Kategorische Nachhaltigkeitsimperativ sowohl im Rahmen des Nachhaltigkeitsmanagements der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie als auch in seiner Formulierung als Abwägungsmaxime in Ermessensnormen folgendermaßen ergänzt werden:
Sorge (dabei) stets dafür, dass Du mit Deinen Entscheidungen und Deinem Handeln die sich aus den SDG 13, 14, 15 und 6 sowie 1 und 2 ergebenden Leitplanken der planetaren Belastungsgrenzen und eines menschenwürdigen Lebens für alle einhältst.
4. Soziale Dimension von Nachhaltigkeit
Wir begrüßen den Anspruch der DNS-DF 2024, den sie im Bereich der „Nationalen Herausforderungen“ formuliert, dass die soziale Dimension von Nachhaltigkeit nicht nur im Transformationsbereich I (Menschliches Wohlbefinden und Fähigkeiten, soziale Gerechtigkeit) eine entscheidende Rolle spielt, sondern „in alle Transformationsbereiche der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie integriert und geplante Maßnahmen konsequent sozialverträglich, generations- und geschlechtergerecht gestaltet werden“[22] sollen. Gleichwohl ist festzustellen, dass die Umsetzung dieses Anspruchs der DNS-DF 2024 in den Transformationsbereichen ausbaufähig ist[23].
In den hier untersuchten Transformationsbereichen fällt darüber hinaus ins Auge, dass dort, wo die soziale Dimension in einem Transformationsbereich berücksichtigt wird, unter einer sozialverträglichen Ausgestaltung tendenziell Maßnahmen der Verminderung, Kompensation oder Verteilung von transformationsbedingten Lasten verstanden werden[24]. Wir möchten daher grundsätzlich anregen, zukünftig Maßnahmen zur Umsetzung der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit stärker spezifisch zugunsten von benachteiligten Bevölkerungsgruppen, insbesondere solchen mit niedrigerem Einkommen und Vulnerabilität, auszugestalten und so den Nutzen von Transformationsmaßnahmen gerade für diese zum Tragen zu bringen. Bevölkerungsgruppen mit höherem Einkommen und Resilienz dürfte hingegen dem Grundsatz nach zugemutet werden können, sich mit ihren eigenen Kapazitäten an den für Nachhaltigkeit erforderlichen Transformationsmaßnahmen zu beteiligen und einen größeren Teil der Transformationslasten zu schultern.
5. Neuer Transformationshebel „Suffizienz und Ressourceneffizienz“
Wir teilen die in der DNS-DF 2024 im Rahmen des Transformationsbereichs „Energiewende und Klimaschutz“ geäußerte Einschätzung, dass es in den kommenden Jahren zu Erreichung der Nachhaltigkeitsziele „verstärkt auf Innovationen und Skalierungen von Technologien ankommen wird, die die Energie- und Materialeffizienz erhöhen, fossile Energie- und Rohstoffquellen durch regenerative Energieträger ersetzen sowie die Verwendung von nachwachsenden Ressourcen in allen Anwendungsbereichen ermöglichen“[25]. Der dieser Aussage übergeordnete Effizienzgrundsatz findet sich – mehr oder weniger stark ausgeprägt – in diversen Maßnahmen aller sechs Transformationsbereiche der DNS-DF 2024 wieder. Auch beim Transformationshebel „Forschung, Innovation und Digitalisierung“ spielt die Ressourcenschonung und -verbrauchsoptimierung eine wichtige, wenn nicht sogar die zentrale Rolle. Während bei diesem Transformationshebel allerdings ein besonderer Schwerpunkt auf Effizienzeffekten durch Digitalisierung liegt, bauen die Maßnahmen in den anderen Transformationsbereichen zur Effizienzsteigerung auf ein breiteres Tableau prozessbezogener oder technologischer Innovationen. Allen diesen Effizienzansätzen ist allerdings gemeinsam, dass sie auf eine Beibehaltung des bisherigen Outputs an Waren und Dienstleistungen und der jedenfalls grundsätzlichen Aufrechterhaltung des derzeitigen Konsumniveaus und der aktuellen Verbrauchsmuster ausgerichtet sind oder diese sogar noch steigern wollen. Diese Ausrichtung sehen wir als nicht haltbar an. Vielmehr teilen wir die Einschätzung des Sachverständigenrats für Umweltfragen[26], dass weder Effizienz durch technologische oder organisatorische Innovationen noch die Ersetzung umweltschädlicher Produktionsfaktoren durch umweltfreundlichere ausreichen werden, um eine Überschreitung der planetaren Belastungsgrenzen zu verhindern und ein Leben in Würde für alle zu ermöglichen. Vielmehr brauchen wir eine nicht nur relative, sondern eine absolute Verminderung der von uns verbrauchten Ressourcen. Wir brauchen mehr Suffizienz.
Schon in unseren Stellungnahmen zu den Entwürfen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2016[27] und 2021[28] haben wir uns für die Einführung und Implementierung einer deutschen Suffizienzstrategie ausgesprochen. Mittlerweile gibt es immer mehr wissenschaftliche Belege dafür, dass Suffizienz als Strategie unumgänglich wird zur Begrenzung der Überschreitung planetarer Belastungsgrenzen[29]. Auch der Weltklimarat macht Suffizienz zum Baustein seiner Analysen und Prognosen für die Verminderung des Ressourcen- und Energieeinsatzes[30]. Die DNS-DF 2024 allerdings erwähnt das Wort Suffizienz nicht einmal. Soweit ersichtlich ist auch keine der in ihr aufgeführten „erfolgten“ oder im Rahmen des „weiteren Vorgehens“ geplanten Maßnahmen darauf ausgerichtet, das Potenzial von Suffizienz zu nutzen.
Wir brauchen daher „Mehr Mut zu Suffizienz“, wie es das Ökumenische Netzwerk Klimagerechtigkeit, ein Bündnis kirchlicher Institutionen aus den Bereichen Umwelt und Entwicklung, formuliert und zum Motto seiner Aktion zur Einführung einer Suffizienzstrategie in die deutsche Nachhaltigkeitspolitik gemacht hat[31]. Wir unterstützen diese Aktion und fordern angesichts der vorgeschlagenen Umstrukturierung der DNS-DF 2024, Suffizienz zusammen mit Ressourceneffizienz zu einem neuen Transformationshebel in der weiterentwickelten Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie zu machen. Wir sind der Meinung, dass Suffizienz und Ressourceneffizienz eine SDG-konforme Entwicklung der Transformationsbereiche nicht nur ermöglichen und unterstützen, sondern tatsächlich hebeln kann. Dabei kommt der Suffizienz eine besondere Bedeutung zu, da sie nicht nur ein Instrument, sondern eine Lebensgrundeinstellung ist. Genügsamkeit, die unbefangen und bewusst gelebt wird, so schreibt es Papst Franziskus in Laudato Si, ist befreiend. Sie bedeutet nicht weniger Leben, sie bedeutet nicht geringere Intensität, sondern ganz das Gegenteil (LS 223).
II. Transformationsbereiche
1. Transformationsbereich „Menschliches Wohlbefinden und Fähigkeiten, soziale Gerechtigkeit“
In unserer Stellungnahme zur Weiterentwicklung der DNS 2021 haben wir eine stärkere Berücksichtigung der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit zur Erreichung aller SDG eingefordert und die Schaffung des Transformationsbereichs „Menschliches Wohlbefinden und Fähigkeiten, soziale Gerechtigkeit“ [im Folgenden: TB 1] besonders begrüßt[32]. Nicht sicher sind wir allerdings, ob die von der Bundesregierung im TB 1 der DNS-DF 2024 gesetzten Schwerpunkte – Gesundheit vernetzt gestalten, Aus- und Weiterbildung, Teilhabe für alle und Partizipation stärken, Nachhaltige Lieferketten – die drängendsten Herausforderungen in diesem Transformationsbereich adressieren. Angesichts der sich aktuell verstärkenden Spaltungs- und Polarisierungstendenzen in der Gesellschaft wäre es jedenfalls naheliegend gewesen, hier auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schwerpunktthema zu machen.
Des Weiteren möchten wir angesichts der in der DNS-DF 2024 im TB 1 unter „erfolgte Maßnahmen“ getätigten Aussage der Bundesregierung, dass sie „mit zahlreichen Maßnahmen im Bereich der formalen, non-formalen und informellen Bildung in allen Lebensphasen und der Aus-, Fort- und Weiterbildung zur Zielerreichung des SDG 4 beigetragen“[33] hat, die Gelegenheit ergreifen, um auf Folgendes hinzuweisen: In den letzten Jahren sind wir wiederholt von Trägern aus dem katholischen Raum darauf aufmerksam gemacht worden, dass Projekte der außerschulischen Bildung und der Jugendhilfe von der öffentlichen Hand zwar unterstützt, die Finanzierung dieser Projekte aber zunehmend nur für sehr kurze Zeiträume (1-2 Jahre) zugesagt und über Verlängerungen aus Haushaltsgründen sehr kurzfristig entschieden wurden. Diese unklare Finanzierungsituation führte zu einem hohen administrativen Aufwand bei der Planung und Problemen bei der Mitarbeitergewinnung, die gerade von kleinen gemeinnützigen Trägern kaum aufgefangen werden konnten. Als Konsequenz mussten zunehmend Projekte aufgegeben oder trotz großer Nachfrage beendet werden. Gerade mit Blick auf Projekte in Bereichen, die zu den Schwerpunkten des TB 1 gehören oder den gesellschaftlichen Zusammenhang fördern, ist dies nicht nachvollziehbar. Dies betrifft bspw. Projekte zur Demokratiebildung oder Alphabetisierung, vor allem aber auch Projekte für die von der DNS-DF 2024 als besonders wichtig hervorgehobene[34] Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Es sollte daher im Sinne der Nachhaltigkeit überlegt werden, die Finanzierung in diesen Bereichen längerfristiger auf- und sicherzustellen.
Das im Rahmen des TB 1 beschriebene „weitere Vorgehen“ erscheint dann insgesamt weniger aktions- und eher strategielastig.
Positiv hervorheben möchten wir aber die im Rahmen des „weiteren Vorgehens“ aufgeführten „Arbeiten am Aufbau eines Mechanismus für Direktzahlungen an Privatpersonen“, „um künftig schneller, zielgerichteter und sozial differenzierter unterstützen zu können“[35]. Wir teilen die in der DNS-DF 2024 vorgenommene Einschätzung, dass ein solcher Mechanismus zukünftig bei Belastungen der Bürgerinnen und Bürger in besonderen Krisensituationen, steigenden CO2-Kosten oder anderen Anpassungskosten im Zuge der Transformation hilfreich sein kann.
Gleichwohl empfehlen wir, die Kosten der Transformation möglichst frühzeitig bei Leistungen der öffentlichen Hand wie der Rente, Ausbildungs-, Transfer- und Sozialleistungen mitzudenken[36]. Dies gilt ohnehin für das bisher politisch nicht hinreichend adressierte und auch nicht in der DNS-DF 2024 auftauchende Thema der Altersarmut insbesondere bei Frauen insbesondere auf dem Land.
2. Transformationsbereich „Energiewende und Klimaschutz“
Im Transformationsbereich „Energiewende und Klimaschutz“ [im Folgenden: TB 2] entwickelt sich der Nachhaltigkeitsindikator 13.1.a. (Treibhausgasemissionen) nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes und dem Off-Track-Indikatorenbericht in Richtung einer Zielverfehlung[37]. Die DNS-DF 2024 selbst weist darauf hin, dass sich das Tempo der Emissionsminderung gegenüber dem Status quo in den kommenden Jahren verdreifachen muss, damit Deutschland auf den Zielpfad einer Treibhausgasneutralität 2045 kommt[38].
Gleichwohl zeigen neuere Prognosen, dass die Treibhausgasemissionen Deutschlands bis 2030 substanziell sinken werden, auch wenn nicht ganz klar ist, ob das Ziel, dass Deutschland sich gesetzt und im Klimaschutzgesetz verankert hat, die Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65% im Vergleich zu 1990 auf 438 Mio. Tonnen CO2äq. im Jahr 2030, in greifbare Nähe rückt[39] oder eher verfehlt wird[40]. Die im TB 2 beschriebenen „erfolgten Maßnahmen“ zeigen jedenfalls offenbar Wirkung.
Obwohl wir diese Fortschritte bei der Verminderung der Treibhausgasemissionen begrüßen, müssen wir doch daran erinnern, dass das Ziel der Reduktion von Treibhausgasemissionen um 65% im Vergleich zu 1990 bis 2030 nicht mit dem Deutschland zukommenden, angemessenen Beitrag zur Erreichung einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,75°C, erst recht nicht auf 1,5°C übereinstimmt[41]. Neuere Berechnungen des Sachverständigenrats für Umweltfragen weisen im Übrigen eine noch deutlichere Ambitions- und Umsetzungslücke der Bemühungen Deutschlands um Treibhausgasemissionsreduktionen aus[42]. Aus unserer Sicht ist es daher erforderlich, die Bemühungen um die Reduktion von Treibhausgasemission noch zu intensivieren. Auch der dem TB 2 zuzuordnende Indikator 7.1.a. (Endenergieproduktivität) befindet sich off-Track[43]. Ob die unter den „erfolgten Maßnahmen“ [44] aufgeführte, 2023 verabschiedete europäische Energieeffizienzrichtlinie und das deutsche Energieeffizienzgesetz den Indikator 7.1.a. zurück auf den Weg der Zielerreichung bringen werden, wird sich erst noch zeigen.
Daher regen wir an, das „weitere Vorgehen“ im gesamten TB 2 um Maßnahmen der Suffizienz zu ergänzen. Solche Maßnahmen spielen dort – soweit ersichtlich -bisher keine Rolle. Beispielsweise könnten unterdurchschnittliche Energieverbräuche im Haushalt oder in Produktionsprozessen der Wirtschaft besonders belohnt werden. Auch könnten der Einsatz energiesuffizienter Produkte – bspw. kleinerer Haushaltsgeräte – oder die Beteiligung an Sharing-Modellen in alltäglichen Haushaltsverrichtungen – bspw. durch eine gemeinsame Waschmaschine und einen gemeinsamen Trockner in Mehrfamilienhäusern – finanziell oder organisatorisch gefördert werden. Schließlich könnten auch Anreize für die Beteiligung an Beratungsprogrammen gesetzt werden, mit denen Haushalte mit dem größten Beratungsbedarf und Einsparpotenzial identifiziert und diese bei der Verbrauchsreduktion unterstützt werden.
Schließlich bildet sich die soziale Dimension der Nachhaltigkeit im TB 2 aus unserer Sicht nur sehr unzureichend ab. Das einzige in der Kategorie der „erfolgten Maßnahmen“ aufgeführte diesbezügliche Instrument ist der EU-Klimasozialfonds, der im Rahmen des „Fit for 55“-Pakets auf Europäischer Ebene ins Leben gerufen wurde. Angesichts der Tatsache, dass dieser Fonds in seiner Entstehung auf einigen Widerstand der Bundesregierung gestoßen ist, verwundert allerdings die im TB 2 vorgenommene Zuordnung zu den „erfolgten Maßnahmen“ der Bundesregierung ein wenig. In der Kategorie „weiteres Vorgehen“ des TB 2 bekennt sich die DNS-DF 2024 dann zwar zu einer stärkeren Berücksichtigung der sozialen Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen[45], was zu begrüßen ist. Jedoch bleibt sie in den hieraus gezogenen Schlussfolgerungen abstrakt: Die sozialen Effekten von Klima- und Umweltmaßnahmen sollen besser antizipiert und die damit verbundenen Lasten „rechtzeitig minimiert, kompensiert oder zumindest gerechter verteilt werden“[46]. Die einzige konkret benannte zukünftige Maßnahme in diesem Kontext, das „Sozialmonitoring Klimaschutz“, wurde bisher von der Bundesregierung nicht vorgelegt. Gleiches gilt für den laut Koalitionsvertrag der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode zu entwickelnden sozialen Kompensationsmechanismus für Klimaschutzmaßnahmen, das Klimageld, welcher bemerkenswerter Weise nicht einmal mehr Erwähnung in der DNS-DF 2024 findet.
Insgesamt spielt die soziale Dimension der Nachhaltigkeit im TB 2 also kaum eine Rolle. Angesichts der gerade im TB 2 zunehmenden gesellschaftlichen Auseinandersetzung, in der Klimaschutz- und Energiewendemaßnahmen gegen soziale Belange und solche des gesellschaftlichen Zusammenhalts ausgespielt und für die gesellschaftliche Polarisierung genutzt werden, erscheint dies nicht nur nicht nachhaltig, sondern kurzsichtig.
Wir möchten daher dringend empfehlen, die soziale Dimension der Nachhaltigkeit gerade im TB 2 stärker zur Geltung zu bringen. Wir regen daher im Sinne des oben unter I.4. Ausgeführten an, die Förderung bestimmter Klimaschutz- und Energiewendemaßnahmen ausschließlich oder vorwiegend einkommensschwächeren Haushalten zugutekommen zu lassen oder die Förderhöhe für diese Maßnahmen nach Einkommensgruppe oder sozialer Struktur des Wohnorts zu staffeln[47]. So wurden bspw. in den USA gute Erfahrungen mit der staatlich unterstützten Verbreitung von Photovoltaik-Anlagen in Gemeinden mit durchschnittlich niedrigem Einkommen gemacht, die die Energiekosten gerade für einkommensschwächere Haushalte senkten. Als weiteres Beispiel kann Griechenland dienen, das ein Programm zur energetischen Gebäudesanierung auflegte, das spezifisch auf die unteren Einkommensgruppen zielte und sie mit zinsfreien Darlehen und nach Einkommen gestaffelten Zuschüssen unterstützte.[48]
3. Transformationsbereich „Nachhaltiges Bauen und Mobilität“
Auffällig ist zunächst, dass sich der Transformationsbereich „Nachhaltiges Bauen und Mobilität“ [im Folgenden: TB 4] anders als bspw. der TB 2 auf dem Papier in drei sauber getrennte Teilbereiche – „Nachhaltige Stadtentwicklung“, „Nachhaltiges Bauen“ und „Nachhaltige Mobilität“ – aufgliedert. Hierdurch wird der Eindruck vermitteln, dass diese nur wenige Schnittmengen miteinander aufweisen. Tatsächlich sind diese Teilbereiche aber unmittelbar voneinander abhängig: Das nachhaltige Bauen ist unabdingbarer Teil der Nachhaltigkeit der Stadtentwicklung; die nachhaltige Stadtentwicklung entscheidet darüber, wo und in welchem Maße Mobilität und Mobilitätsinfrastruktur gebraucht wird. Dabei sollte eine nachhaltige Stadtentwicklung darauf ausgerichtet sein, Verkehr zu vermeiden und die Inanspruchnahme von Mobilität mit möglichst wenig Verkehr zu gewährleisten, wobei der teilhabeorientierte Grundbedarf der Bevölkerung an Mobilität flächendeckend vorzuhalten ist[49]. Soweit ersichtlich findet sich dieser Verkehrsvermeidungsansatz aber in keiner der im TB 4 aufgeführten „erfolgten Maßnahmen“ und ebensowenig im „weiteren Vorgehen“ wieder. Insbesondere bildet er sich nicht im Bereich der „Nachhaltigen Mobilität“ ab, der allein auf den Austausch und die Effizienzsteigerung von Verkehrsträgern und ihrer Antriebstechnologie setzt.
Wir sprechen uns dafür aus, dies zu ändern. Ein naheliegender Ansatz für die Umsetzung des Grundsatzes der Verkehrsvermeidung ist, die notwendigen Anlässe für Mobilität zu reduzieren. Wir regen daher an, im TB 4 zukünftig auch Maßnahmen zur Stärkung der digitalen und nahversorgungsbezogenen Infrastruktur und die Nutzung flexibler Arbeitsmodelle (Homeoffice) im Blick zu haben. Diese stärken dann auch die „lebenswerten Innenstädte“ und verbessern die „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ von Stadt und Land, die die DNS-DF 2024 bereits jetzt zu Überschriften der „Nachhaltigen Stadtentwicklung“ im TB 4 macht[50]. Darüber hinaus dürften Maßnahmen der Verkehrsvermeidung durch die Reduktion von Abgasen aber auch zusätzlich auf die SDG 3 (Gesundheit und Wohlergehen) und 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz) ‚einzahlen‘.
Wir begrüßen die dem „weiteren Vorgehen“ bei der nachhaltigen Stadtentwicklung vorangestellte Ankündigung der DNS-DF 2024, dass die „Anstrengungen zum Um- vor dem Neubau, zur vorrangigen Innen- vor Außenentwicklung, der Mehrfachnutzung von Flächen“ intensiviert und „gleichzeitig bezahlbarer Wohnraum für lebenswerte Kommunen“[51] geschaffen werden soll. Diese Ankündigung enthält unseres Erachtens die richtigen Priorisierungen und die erfolgversprechendsten Ansatzpunkte für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Zwar wurde auch in den vergangenen Jahren die Mobilisierung von Leerstand und die Modernisierung des Immobilienbestands vorangetrieben, was im TB 4 der DNS-DF 2024 auch unter den „erfolgten Maßnahmen“ abgebildet wird[52]. Gleichwohl halten wir es für richtig, die Anstrengungen in diesem Bereich zu vervielfachen sowie auch die Instrumente hierfür fortzuentwickeln.
Bei der Modernisierung des Immobilienbestandes wurde dabei bisher stark auf deren finanzielle Förderung gesetzt, die bei allen Schwächen einzelner Förderprogramme weiterhin wichtig bleibt. Anregen möchten wir aber, auch im Gebäudesektor zukünftig stärker auf Suffizienzmaßnahmen zu setzen. Denn gerade dieser Sektor weist ein großes Potenzial für Suffizienz auf, welches bisher noch in weiten Teilen ungenutzt bleibt. So können nach dem Weltklimarat auf globaler Ebene bis zu 17 % des Treibhausgaseinsparungspotenzials im Gebäudesektor allein über Suffizienzmaßnahmen realisiert werden[53]. Als Suffizienzmaßnahmen in Frage kommen bspw. zielgruppenspezifisch gestaltete Anreize zur Verkleinerung der Pro-Kopf-Inanspruchnahme von Wohnraum. Diese können über finanzielle oder organisatorische Unterstützungsangebote, über Wohnungstauschprogramme oder Informationskampagnen und Beratungsangebote gesetzt werden.
Suffizienzmaßnahmen im Gebäudebereich stärken dabei auch die soziale Dimension der nachhaltigen Stadtentwicklung, da sie bestehenden Wohnraum für mehr Menschen erschließen. Insofern zahlen sie nicht nur auf die SDG des TB 4 (insbesondere die SDG 7, 9, 11, 12 und 13), sondern darüber hinaus auch auf das SDG 10 ein. Angesichts der auch in der DNS-DF 2024 hervorgehobenen Bedeutung der „Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum“ als einer der „zentralen Voraussetzung des sozialen Zusammenhalts“[54] sollten Maßnahmen mit solchen Synergieeffekte nicht nur im Sinne des o.g. kategorischen Nachhaltigkeitsimperativs, sondern auch im Interesse des gesellschaftlichen Zusammenhalts mit Priorität ergriffen werden.
Berlin, den 26. Juli 2024
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[1] Amministrazione del Patrimonio della Santa Sede Apostolica e Libreria Editrice Vaticana – Dicastero per la comunicazione / hg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2023, (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 238), Rz. 2.
[2] Ebd. Rz. 42.
[3] Im Folgenden werden die Begriffe „Nachhaltigkeitsziel“ und „SDG“ (= Sustainable Development Goal) synonym verwendet.
[4] Kommissariat der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin –, Stellungnahme zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie Weiterentwicklung 2021, 1. November 2020 [im Folgenden: Katholisches Büro, Stellungnahme zur DNS 2021], S. 61, unter: https://kath-buero.de/stellungnahme/stellungnahme-zur-deutschen-nachhaltigkeitsstrategie-weiterentwicklung-2021
[6] Beschluss des Staatssekretärsausschusses für nachhaltige Entwicklung vom 24. Juli 2023 unter: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/sts-ausschuss-nachhaltigkeit-418846
[7] DNS-DF 2024, S. 99.
[8] Katholisches Büro, Stellungnahme zur DNS 2021, a.a.O. Fn. 4, S. 4.
[9] DNS-DF 2024, S. 100.
[10] Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie Weiterentwicklung 2021, S. 61.
[11] DNS-DF 2024, S. 21.
[12] Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie Weiterentwicklung 2021, S. 60.
[13] DNS-DF 2024, S. 10.
[14] DNS-DF 2024, S. 20.
[15] DNS-DF 2024, S. 13, S. 23.
[16] Katholisches Büro, Stellungnahme zur DNS 2021, a.a.O. Fn. 4, S. 3 f.
[17] Kommissariat der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin – / die Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, Gemeinsame Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Bundes-Klimaanpassungsgesetz, 3. Mai 2023, S. 7, unter: https://kath-buero.de/stellungnahme/gemeinsame-stellungnahme-zum-referentenentwurf-eines-bundes-klimaanpassungsgesetz
[18] DNS-DF 2024, S. 7.
[19] DNS-DF 2024, S. 140.
[20] Katholisches Büro, Stellungnahme zur DNS 2021, a.a.O. Fn. 4, S. 3.
[21] Katholisches Büro, Stellungnahme zur DNS 2021, a.a.O. Fn. 4, S. 3.
[22] DNS-DF 2024, S. 14.
[23] Siehe unten, II. 2. und II. 3.
[24] DNS-DF 2024, S. 26 f., S. 49.
[25] DNS-DF, S. 41 f.
[26] Sachverständigenrat für Umweltfragen, Suffizienz als „Strategie des Genug“: Eine Einladung zur Diskussion, Diskussionspapier März 2024, S. 21.
[27] Kommissariat der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin-, Stellungnahme zum Entwurf der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie – Neuauflage 2016, 13. Juli 2016, S. 7, unter: https://kath-buero.de/stellungnahme/stellungnahme-zum-entwurf-der-deutschen-nachhaltigkeitsstrategie-neuauflage-2016
[28] Katholisches Büro, Stellungnahme zur DNS 2021, a.a.O. Fn. 4, S. 14.
[29] Lage, Jonas / Thema, Johannes / Zell-Ziegler, Carina et.al., Citizens call for sufficiency and regulation – A comparison of European citizen assemblies and National Energy and Climate Plans, in: Energy Research & Social Science 104 (2023) 103254, S. 1, unter:https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2214629623003146
[30] IPCC, WG III contribution to the Sixth Assessment Report of the IPCC, Technical Summary, 55 f.
[31] www.kirchen-fuer-klimagerechtigkeit.de
[32] Katholisches Büro, Stellungnahme zur DNS 2021, a.a.O. Fn. 4, S. 2.
[33] DNS-DF 2024, S. 27.
[34] DNS-DF 2024, S. 28.
[35] DNS-DF 2024, S. 33.
[36] Kommissariat der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin -, Kirchliche Anliegen zur sozialverträglichen Ausgestaltung von Klimaschutz im Rahmen der Koalitionsverhandlungen, 3. November 2021, S. 4, unter:
[37] www.dns-indikatoren.de; Off-Track-Indikatorenbericht des Staatssekretärsausschuss für Nachhaltige Entwicklung.
[38] DNS-DF, S. 39.
[39] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2024/03/20240315-deutschland-bei-klimazielen-2030-erstmals-auf-kurs.html
[40] Expertenrat für Klimafragen, Sondergutachten zur Prüfung der Treibhausgas-Projektionsdaten 2024.
[41] Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin – zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes, 11. Mai 2021, S.2, unter: https://kath-buero.de/stellungnahme/gemeinsame-stellungnahme-zum-gesetzentwurf-der-bundesregierung-eines-ersten-gesetzes-zur-aenderung-des-bundes-klimaschutzgesetzes-btdrs-19-30230
[42] Sachverständigenrat für Umweltfragen, Wo stehen wir beim CO2-Budget? Eine Aktualisierung, Stellungnahme vom März 2024.
[43] www.dns-indikatoren.de; Off-Track-Indikatorenbericht des Staatssekretärsausschuss für Nachhaltige Entwicklung.
[44] DNS-DF 2024, S. 43 f.
[45] DNS-DF 2024, S. 49.
[46] DNS-DF 2024, S. 49.
[47] Vgl. Kommissariat der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin -, Kirchliche Anliegen zur sozialverträglichen Ausgestaltung von Klimaschutz im Rahmen der Koalitionsverhandlungen, a.a.O. Fn. 37, S. 3.
[48] Zu diesen und anderen Beispielen siehe: Lamb, William / Antal, Miklos et. al., What are social outcomes of climate policies? A systematic map and review of the ex-post literature, Environmental Research Letters (Accepted Manuscript 12/11/2020), S. 19.
[49] Weitere Ausführungen zu diesem Vermeidungsansatz: Katholisches Büro, Stellungnahme zur DNS 2021, a.a.O. Fn. 4, S. 11.
[50] DNS-DF 2024, S. 64.
[51] DNS-DF 2024, S. 70.
[52] DNS-DF 2024, S. 67.
[53] IPCC, WG III contribution to the Sixth Assessment Report of the IPCC, Technical Summary, S. 101.
[54] DNS-DF 2024, S. 62.